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Warum kommen solche Dinge in den Medien kaum zur Sprache?<br />
Das kann ich konkret nicht beantworten. Vielleicht, weil die Vorstellung zu abwegig ist, weil es doch nur<br />
Einzelfälle sind, weil man es sich nicht mit den NGOs verderben will? Aber allgemein ist das nichts Neues. Schon<br />
zu Zeiten des Kalten Kriegs, oder um Stimmen im UN-Sicherheitsrat abzusichern, wurden und werden in der Regel<br />
nur die jeweils treuen Verbündeten unterstützt („Er ist zwar ein Hurensohn, aber er ist mein Hurensohn“).<br />
--<br />
MARION ABERLE, Welthungerhilfe<br />
Wie kompetent informieren Medien über <strong>Themen</strong> der Entwicklungshilfe?<br />
Entwicklungshilfe ist in der Regel nicht „big news“. Den Stellenwert, den Entwicklungshilfe noch in den siebziger<br />
Jahren hatte, als Teil des politischen Mainstreams, der internationalen Realpolitik und der sozialen Bewegungen,<br />
hat sie längst verloren. Vor diesem Hintergrund ist die „verbleibende“ Berichterstattung durchaus als kompetent<br />
zu bewerten.<br />
Hilfsorganisationen beschweren sich oft, Journalisten würden erst dann berichten, wenn’s kracht. In Afrika<br />
brauche es schon Hunderttausende, die hungern oder Not leiden, bevor das überhaupt zur Nachricht wird.<br />
Stimmt das? Warum ist das so?<br />
Das ist so, weil die journalistischen Regeln gelten, die da überspitzt lauten: „Bad news is good news, good news<br />
is no news.“ Und Hamburg näher ist als Ouagadougou. Außerdem fehlen oft die Bilder. Leider hat sich der Trend<br />
zur Beschränkung auf den deutschen – oder regionalen – Tellerrand sehr verstärkt.<br />
Hilfsorganisationen als auch Journalisten leben zu einem guten Teil von Krisen, Kriegen, Katastrophen.<br />
Journalisten sind bei der K-Berichterstattung oft auf Informationen von Hilfsorganisationen angewiesen. Die<br />
Katastrophen-PR von Hilfsorganisationen soll jedoch häufig überzogen sein. Ist das wahr?<br />
Das stimmt, weil die Journalisten das so wollen. Erklären Sie mal den Unterschied zwischen einer<br />
Nahrungsmittelkrise und einer Hungersnot. Welches Zitat landet am Ende in den Medien – das differenzierte oder<br />
das dramatische?<br />
Was müssen Journalisten tun, um solchen Übertreibungen nicht auf den Leim zu gehen?<br />
Ihr gelerntes Handwerk ausüben.<br />
Journalisten wie Maybrit Illner, Ulli Wickert oder Anne Will und viele andere engagieren sich für<br />
Hilfsorganisationen. Lassen sich Journalisten gern humanitär embedden? Gehen davon Gefahren aus? Und wenn<br />
ja, welche?<br />
Jedes Embedding ist mit Gefahren verbunden, wenn der Journalist damit nicht umzugehen weiß. Aber man<br />
vergleiche mal die Berichterstattung zu Afghanistan: Welche Wirkung hatte das militärische Embedding und<br />
welche das humanitäre? Wir lasen und sahen: Deutsche Bundeswehrsoldaten befrieden Afghanistan, indem sie<br />
Brunnen graben und Schulkinder tätscheln. Bis die Realität das Bild eingeholt hat.<br />
Frau Polman hat ihr Buch „Die Mitleidsindustrie“ genannt. Sie zeigt darin, dass Hilfsorganisationen mehr als nur<br />
barmherzigen Motiven folgen. In Afghanistan seien sie bspw. strategischer Teil der Kriegsführung des Westens.<br />
Warum kommen solche Dinge in den Medien kaum zur Sprache?<br />
Das zeigt, dass auch Frau Polman verkürzt statt zu differenzieren. Wer es wissen wollte, konnte sich ausführlich<br />
etwa mit der Position des Verbandes der Nichtregierungsorganisationen in Deutschland (Venro) beschäftigen, der<br />
gerade diese euphemistisch genannte „zivil-militärische Zusammenarbeit“ ablehnt.<br />
R1<br />
Freitag, 1. Juli, 15:00<br />
Glücklich, aber arm? – Die Zukunft von freien Auslandsjournalisten<br />
In Kooperation mit Freischreiber e.V.<br />
Frei im Ausland arbeiten – schöne Idee, aber man will ja auch davon leben. Und wird der deutsche Auslandsjournalismus<br />
nicht eh gerade zwischen Verlagsökonomen und deutscher Selbstbeschau zerrieben? Was Freie im<br />
Ausland erfolgreich macht, welche Entwicklungen sie gerne stoppen würden und wie durch neue Technik neue<br />
Formen entstehen. Ein Zukunftspodium von Freischreiber e.V.<br />
Mit: Angelika Ohland, Charlotte Noblet, Klaus Bardenhagen, Markus Böhnisch, Simone Schlindwein<br />
Leitfragen:<br />
MARKUS BÖHNISCH, Video- und TV-Journalist, Schwerpunkt Spanien<br />
Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?<br />
Egal ob im In- oder Ausland. Journalismus muss das Geld bringen, das man zum Leben braucht. Wenn das nicht<br />
funktioniert, muss man etwas grundlegend ändern. Arbeit im Ausland hat daher nichts mit Romantik zu tun,<br />
sondern mit Vorlieben, Herausforderungen und der Fähigkeit zu rechnen.<br />
Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?<br />
Was ist angemessen? Ich bin Dienstleister. Entweder die Bezahlung für einen Einsatz stimmt, rechnet sich im<br />
Durchschnitt oder ich lehne ab.<br />
Tageszeitung und Hörfunk – funktioniert das alte Modell der Mehrfachverwertung noch?<br />
Ich habe bei meinen Kollegen festgestellt, dass es in den vergangenen Jahren entweder auf das eine oder das<br />
andere hinauslief.<br />
Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?<br />
Oder Chinesisch oder Portugiesisch oder Russisch. Ich denke, man muss auf der einen Seite eine Standortanalyse<br />
machen (wie viele Kollegen sind schon vor Ort, finde ich eine Lücke?) und sich auf der anderen Seite von der<br />
Leidenschaft leiten lassen.<br />
Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?<br />
Wer länger bleiben will, sollte auf jeden Fall die Sprache lernen. Man muss sein Handwerk schon vorher<br />
beherrschen und man sollte sich erst einmal treiben lassen und beobachten. Dabei hilft es ungemein, die<br />
deutsche Brille nicht aufzusetzen. Sonst sieht vieles gleich wieder so schlimm und unterentwickelt aus.<br />
--<br />
KLAUS BARDENHAGEN, taiwanreporter.de, Mitglied von Weltreporter.net<br />
Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?<br />
Ergeht es Freien im Inland denn besser? In jedem Fall genießen sie maximale Freiheit und wissen über ihr<br />
Berichtsgebiet Bescheid.<br />
Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?<br />
Öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender. Meistens jedenfalls.<br />
Tageszeitung und Hörfunk – funktioniert das alte Modell der Mehrfachverwertung noch?<br />
Oft ja, weil es noch immer viele Verlage und Sender gibt.<br />
Welchen neuen Formaten gehört die Zukunft?<br />
Markenbildung im Netz, direkter Kontakt mit der Zielgruppe. Was es dafür braucht: Ein funktionierendes,<br />
flächendeckend akzeptiertes Bezahlmodell.<br />
Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?<br />
Ja, wenn sie aus der arabischen Welt berichten wollen. Ohne Kenntnis der Landessprache kratzt man überall nur<br />
an der Oberfläche.<br />
Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?<br />
Zunächst in Deutschland bereits Kontakte knüpfen, dann in ein Land mit niedrigerem Preisniveau als Deutschland<br />
gehen, dort radio- und möglichst auch videotauglich sein und sich von ausbleibenden Rückmeldungen nicht<br />
entmutigen lassen.<br />
--<br />
CHARLOTTE NOBLET, Journalistin und Bloggerin<br />
Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?<br />
Die Zeit der festangestellten Auslandskorrespondenten ist vorbei: Journalisten werden nicht mehr als Belohnung<br />
ins Ausland geschickt. Dafür sind flexible Auslandsfreie Legion. Mit dem Job werden zwar keine Luftschlösser<br />
gebaut, dafür sind aber prekäre Finanzen verboten: Damit verschwindet nämlich die Motivation. Also lieber über<br />
die Arbeitsrechte romantisieren!<br />
Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?<br />
Ein Mindestlohn wäre für Journalisten in Deutschland längst notwendig. So läuft es in Frankreich, wo die<br />
Redaktionen sogar die Sozialbeiträge des Arbeitsgebers für ihre freien Mitarbeiter/innen leisten.<br />
Welchen neuen Formaten gehört die Zukunft?<br />
Die neuen Formate werden wahrscheinlich eine Brücke zwischen technischer Gestaltung und redaktionellem<br />
Inhalt sowie zwischen aktiven Bürgern und professionellen Journalisten ermöglichen. Zukünftig sollen sich die<br />
Medien mehr profilieren und in der Gesellschaft vernetzen, da sie nur noch eine Stimme der Community zwischen<br />
vielen anderen sind.<br />
Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?<br />
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