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zwischen Journalisten und PR-Profis?<br />
Vorurteile, Respekt, offene Ablehnung, notwendiges Übel, hilfreiche Vorarbeiter, gute Quellen – die ganze<br />
Bandbreite eben. Eine leicht (selbst?)ironische Gelassenheit bei professioneller Zusammenarbeit – das sollten<br />
wir anstreben.<br />
Wie hat sich das Verhältnis beider Professionen aus Ihrer Wahrnehmung in den vergangenen Jahren entwickelt<br />
bzw. verändert?<br />
„Früher war alles besser“ ist natürlich Unsinn. Im Gegenteil, nie war es so spannend Kommunikation zu<br />
„machen“. PR hat sich emanzipiert, kann eigene Kanäle eröffnen, braucht den Journalisten nach wie vor, aber<br />
eben nicht mehr so sehr wie vor Facebook und Co. Nicht alle Journalisten freut dies. Auf der anderen Seite hat<br />
auch PR an Gestaltungsmöglichkeit verloren, die Öffentlichkeit 2.0 zeigt eine ganz eigene Realität, nur noch<br />
extreme Steuerungsoptimisten können glauben, dass PR Wahrnehmung gestaltet/beeinflusst.<br />
Das Klischee: Journalisten kommen ohne Vorbereitung zu Pressekonferenzen, hinterfragen die Sprechblasen der<br />
Pressesprecher nicht, wollen lieber Kugelschreiber als Antworten auf kritische Fragen. Wie viel Wahrheit steckt in<br />
diesem Klischee vom bequemen Informationsempfänger?<br />
Die Wahrheit ist noch viel schlimmer: Journalisten antworten nicht auf Einladungen, dürfen/können nicht mehr<br />
reisen (oder lassen sich eben solche Reisen bezahlen) und begeistern sich nicht einmal mehr für liebevoll<br />
gestaltete Kugelschreiber und Blöcke – keine gute Zeiten für Pressekonferenzen. Im Ernst: Viele Journalisten<br />
sind sehr gut informiert. Wissen, worum es geht, sind für das Ressort schon lange zuständig. Und ich denke,<br />
Journalisten sind weiterhin sehr interessiert an Antworten: Viel zu oft ist es jedoch notwendig erst einmal die<br />
Grundlagen einer Branche oder einer Entwicklung zu erklären und längst wiederlegte Mythen ad acta zu legen.<br />
Insofern führt immer noch kein Weg an einem offenen Vier-Augen-Gespräch vorbei. Eine Pressekonferenz bietet<br />
für beide Seiten nur begrenzte Möglichkeiten, seinen Job zu machen. Mit welchen Beispielen lassen sich –<br />
Ihrer Erfahrung nach – professionelle Schwächen der Journalisten veranschaulichen?<br />
Ressourcenknappheit: Ein Experte in der Redaktion für den Nahen Osten, Terrorismus, Militär, Öl und Gas.<br />
Wettbewerbsdruck und Beschäftigung der Medien mit sich selbst: Jeden Tag eine Sau durchs Dorf treiben –<br />
aber auch wirklich nur die Eine. Sobald ein Top-Thema läuft, wird der Fokus so eng, dass für alles andere keine<br />
Aufmerksamkeit mehr da ist. Permanenter Skandalisierungsdruck: Manchmal ist aber eine Maus auch einfach nur<br />
eine Maus …<br />
Inwiefern lassen sich auch auf der Seite der Public Relations Fehlentwicklungen beobachten – und welche<br />
Gründe sehen Sie dafür?<br />
Internetjournalismus, Blogger, Leserreporter – in dem Maße, in dem professionelle Medien die Grenzen<br />
verwischen (müssen), wird dies auch auf Seiten der PR getan. Im Netz herrscht oft Wildwuchs, die<br />
Qualitätsunterschiede sind gigantisch und die Überprüfbarkeit vermeintlich gering. Dabei muss für die PR gelten:<br />
Keine Standards, aber ein fester Wertekodex. Nicht akzeptabel ist beispielsweise der Versuch, den Auftraggeber<br />
zu verschleiern. Hier ist Transparenz absolut notwendig. Und ob jedes Unternehmen twittern muss, weil die PR-<br />
Agentur jetzt auch social media entdeckt hat, wage ich zu bezweifeln.<br />
Wenn es nach Ihnen ginge: Welche drei Regeln für das Mit- und Gegeneinander würden Sie aufstellen bzw.<br />
wünschen Sie sich?<br />
1.) Professionelle Zusammenarbeit: Keine Fraternisierung, keine Ablehnung. 2.) Gelassenheit statt ideologischer<br />
Grabenkämpfe: Bei allem Verständnis für Kritik und der öffentlichen Kontrollfunktion von Medien – es ist<br />
durchaus der Fall, dass in Unternehmen Entscheidungen auf der Grundlage ethischer Standards getroffen<br />
werden und nicht immer das Bild von „gewissenloser Profitgier“ zutrifft. 3.) Respekt und fairer Umgang:<br />
Absprachen einhalten und, ergänzend ein Vorschlag: Wir verzichten auf anonyme Massenemails, Cold Calls und<br />
Marketinggewäsch und ihr versucht nicht jede Aussage zu skandalisieren oder als „PR-Sprech“ zu beklagen.<br />
--<br />
DR. TOBIAS KORENKE, Lehrbeauftragter Öffentlichkeitsarbeit an der IfKW Jena<br />
Frei nach dem Motto „Schön Euch zu haben“ – Welche Charakteristika prägen Ihrem Erleben nach die Beziehung<br />
zwischen Journalisten und PR-Profis?<br />
Gegenseitige Abhängigkeit, mehr Gemeinsamkeiten als beiden Seiten bewusst (und häufig auch lieb) ist,<br />
wohliges Grausen<br />
Wie hat sich das Verhältnis beider Professionen aus Ihrer Wahrnehmung in den vergangenen Jahren entwickelt<br />
bzw. verändert?<br />
So viel hat sich nicht verändert. Ob Bonner „Champagner-PR“ oder Berliner „Hinterzimmer-PR“– die Nähe<br />
zwischen Journalisten und Politik/Wirtschaft war immer groß. Die Annahme, dass Journalisten aufgrund der<br />
Einsparung von Redakteursstellen heute stärker unter Druck stehen als früher, weniger Zeit für <strong>Recherche</strong> hätten<br />
und deshalb auf die „Zuarbeit“ von PR-Leuten angewiesen sind, halte ich für falsch.<br />
Das Klischee: Journalisten kommen ohne Vorbereitung zu Pressekonferenzen, hinterfragen die Sprechblasen der<br />
Pressesprecher nicht, wollen lieber Kugelschreiber als Antworten auf kritische Fragen. Wie viel Wahrheit steckt in<br />
diesem Klischee vom bequemen Informationsempfänger?<br />
Es gibt natürlich alles: Engagierte kritische Geister, denk- und schreibfaule Kopfnicker und alle Schattierungen<br />
dazwischen. Auffallend ist aber schon, wie viele glatte Journalisten vor allem in den Wirtschaftsressorts<br />
anzutreffen sind, die sich letztlich nur für eines zu interessieren scheinen: ihr eigenes Fortkommen.<br />
Mit welchen Beispielen lassen sich – Ihrer Erfahrung nach – professionelle Schwächen der Journalisten<br />
veranschaulichen?<br />
Verlängerung der AKW-Restlaufzeiten, Guttenberg, Finanzkrise, Hochtief.<br />
Ein wichtiger Punkt: Die Sensibilität für die Gefahren einer Durchlässigkeit zwischen Journalismus und PR<br />
sinkt. Dass Journalisten Kommunikationschef von Unternehmen oder Sprecher von Ministerien werden,<br />
hat es immer schon gegeben; dass das problematisch sein kann, wird kaum reflektiert. Mit großer<br />
Selbstverständlichkeit lassen sich gar nicht so wenige Journalisten z.B. auch als Moderatoren oder Berater<br />
für Unternehmen oder Verbände verpflichten. Heute kommentiere ich die Börsenkurse im TV und morgen<br />
moderiere ich eine FK-Veranstaltung in einem DAX-Konzern. Dass die Unabhängigkeit der Berichterstattung<br />
gefährdet sein könnte – wen interessiert’s? Ein weiteres Indiz für diese These: Viele Hochschulen bieten seit<br />
einiger Zeit kommunikationswissenschaftliche/Publizistik-/Journalistik-/PR-Studiengänge mit gemeinsamen<br />
Lehrveranstaltungen und sich überschneidenden Curricula an.<br />
Inwiefern lassen sich auch auf der Seite der Public Relations Fehlentwicklungen beobachten – und welche<br />
Gründe sehen Sie dafür?<br />
Zunehmende Verwischung der Grenzen zwischen PR und Lobbyismus<br />
Journalisten prägen (immer noch und immer wieder) mit ihren häufig eindimensionalen<br />
Kommunikationsverständnis die Kommunikationsarbeit von Unternehmen<br />
Pseudo-Professionalisierung der PR-Branche durch eigene Studiengänge, Akademien, Hochschule (Quadriga)<br />
Essing und Konsorten ...<br />
Wenn es nach Ihnen ginge: Welche drei Regeln für das Mit- und Gegeneinander würden Sie aufstellen bzw.<br />
wünschen Sie sich?<br />
1.) Wir trennen die Ausbildung von Journalisten und PR-Profis an den Hochschulen. 2.) Wir halten uns strikt<br />
an Ethik-Standards und sanktionieren einen Verstoß dagegen spürbar. 3.) Wir kennen unsere Rollen und<br />
Interessenlagen und begegnen uns in professioneller Distanz.<br />
K3<br />
Samstag, 2. Juli, 10:15<br />
Dramatische Ereignisse, überraschte Reporter – Die arabische Revolution in den deutschen Medien<br />
Erst die Anfänge der Revolution in Tunesien verpasst, dann einen Umsturz in Ägypten für unmöglich gehalten.<br />
Nun überschattet der Krieg in Libyen die Entwicklungen aus der ganzen Region. Warum zeigen sich deutsche Medien<br />
bei ihrer Berichterstattung aus arabischen Staaten so anhaltend überrascht?<br />
Mit: Andreas Cichowicz, Golineh Atai, Michael Lüders, Stefan Buchen, Ulrich Kienzle<br />
Leitfragen:<br />
GOLINEH ATAI, ARD-Expertin für die Arabische Welt<br />
Reporter/-innen können mit Satellitentechnik aus jeder Region der Welt berichten, aber in einer ländlichen<br />
Region Tunesiens beginnt unbemerkt eine Revolution. Welche Konsequenzen müssen Auslandsjournalist/-innen<br />
daraus für ihre eigene Arbeit ziehen?<br />
Jeder kulturell versierte Auslandskorrespondent erkennt lange vor dem „Ausbruch des Vulkans“, lange<br />
vor demokratischen Umwälzungen und Aufständen, „Risse im Gesellschaftssystem“ bzw. Anzeichen für<br />
Unruhen. Er/Sie muss solche Anzeichen mit den Heimat-Redaktionen besprechen und Gelegenheit zur<br />
Hintergrundberichterstattung bekommen. Auslandskorrespondenten, die in einem Land leben aber zahlreiche<br />
andere Länder abdecken (in meinem Fall waren das 13 Länder), müssen über Producer und Internet ständig<br />
den Kontakt in andere Länder halten, vor allem die Heimat-Redaktionen sind gefragt: Sie müssen Raum für<br />
Hintergrundberichterstattung bieten – und zwar VOR dem „Vulkanausbruch“<br />
Welche generellen Defizite der deutschen Auslandsberichterstattung sind in den letzten Monaten deutlich<br />
geworden? Welche Probleme betreffen speziell die arabischen Staaten?<br />
Fehlende kontinuierliche Hintergrundberichterstattung, besonders zu <strong>Themen</strong> der Zivilgesellschaft und<br />
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