Themen, Referenten, Materialien - Netzwerk Recherche
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Stiftung Warentest, den Produktionsbedingungen auf den Grund: Inspektion ausländischer Produktionsstätten,<br />
Arbeiter-Interviews und auch Besuche in den deutschen Firmenzentralen gehören zu den <strong>Recherche</strong>methoden<br />
der Arbeiterschützer.<br />
Menschenunwürdige Zustände tun sich auf, nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch bei Europäischen<br />
Bio-Anbietern. Mit schlechten Testergebnissen und Urgent Actions – wie aktuell gegen die gefährliche Sandstrahlmethode<br />
in der Jeansverarbeitung – zwingen die Arbeiterschützer auch Großkonzerne in die Knie.<br />
Mit: Christiane Schnura, Hans-Peter Brix, Saskia Eversloh<br />
Fragen an Christiane Schnura, Clean Cloth Campaign:<br />
Wie ist die Clean Cloth Campaign entstanden?<br />
Die internationale „Clean Clothes Campaign“ entstand 1990 auf Initiative verschiedener Organisationen in den<br />
Niederlanden und verbreitete sich 1995 weiter in Belgien, Deutschland, Frankreich , Italien, Großbritannien,<br />
Österreich, Schweden, der Schweiz und Spanien. In Deutschland hat sich die Kampagne für „Saubere“ Kleidung<br />
im Sommer 1996 gegründet. Von Anfang an arbeiteten kirchliche Organisationen, Gewerkschaften und<br />
Nichtregierungsorganisationen aus dem entwicklungspolitischen Spektrum eng zusammen.<br />
Welche <strong>Recherche</strong>-Methoden wenden Sie an? Was können Journalisten davon lernen?<br />
21 Organisationen sind im Trägerkreis der Kampagne vertreten. Dadurch haben wir enge Kontakte zu<br />
Organisationen (Partnerkirchengemeinden, Int. Gewerkschaftsbund, etc.) in den Produktionsländern. Diese<br />
Kontakte helfen natürlich enorm bei den <strong>Recherche</strong>n. Wobei der Schutz der Informant/innen höchste Priorität bei<br />
uns hat.<br />
Was sind die Anliegen/Ziele von CCC/Saubere Kleidung? Wie gehen Sie vor?<br />
In enger Kooperation mit Organisationen in südlichen Ländern erarbeitete sie den „Arbeitsverhaltenskodex<br />
für die Bekleidungsindustrie einschließlich Sportkleidung“, der sich auf Konventionen der Internationalen<br />
Arbeitsorganisation (ILO) stützt und folgendes festschreibt: Organisationsfreiheit, Recht auf Tarifverhandlungen,<br />
Verbot von Zwangsarbeit, Mindestalter, Antidiskriminierung, angemessenen Lohn, Arbeitsstundenregelung,<br />
Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Die Kampagne fordert den Bekleidungshandel auf, ihren<br />
Arbeitsverhaltenskodex zu unterzeichnen und die Einhaltung dieser Standards von einer unabhängigen<br />
Institution kontrollieren zu lassen. Konsument/innen haben einen großen Einfluss. In Deutschland etwa werden<br />
pro Jahr und Person rund 870,- Euro für Bekleidung ausgegeben. Damit ist die Bundesrepublik Weltmeisterin im<br />
Kleiderkonsum. Genug Kaufkraft, um mit dem Einkaufskorb Politik zu machen.<br />
Was war Ihre spektakulärste Kampagne?<br />
Wir haben in den letzten Jahren viele Kampagnen gemacht. Zur Fußball-WM, zu den Discountern, zu den<br />
Outdoor-Herstellern, dem Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand. Alle Kampagnen waren mehr oder weniger<br />
spektakulär. Aktuell finde ich persönlich den Kurzfilm von uns auf Youtube ganz toll.<br />
Was hat sie bewirkt?<br />
Seit ihrer Existenz hat die Kampagne einiges erreicht: durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist<br />
das gesellschaftliche Bewusstsein über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der weltweiten<br />
Bekleidungsindustrie enorm gewachsen. Die Beteiligung von Verbraucherern an Unterschriftenkampagnen,<br />
Musterbrief- und Eilaktionen ist beachtlich. Ein Netz von Organisationen und Personen aus Industrie- und<br />
Entwicklungsländern wurde aufgebaut, das im Fall von Arbeitskonflikten eng zusammenarbeitet. In fünf<br />
europäischen Ländern ist die Kampagne an Pilotprojekten beteiligt, in denen sie mit Unternehmen Verfahren der<br />
unabhängigen Kontrolle der Einhaltung von Verhaltenskodizes überprüft. In den Niederlanden wurde 1999 die<br />
„Fair Wear Foundation“ gegründet, eine unabhängige Verifizierungseinrichtung, in der Unternehmensverbände,<br />
Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen vertreten sind. In der Bundesrepublik hat es eine Reihe<br />
von Unternehmensgesprächen gegeben – bisher jedoch ohne ein verbindliches Kooperationsprojekt. Die<br />
Kampagne ist am deutschen Runden Tisch Verhaltenskodizes vertreten, an dem zurzeit ein gemeinsames<br />
Pilotprojekt diskutiert wird. Trotz dieser Fortschritte konnten jedoch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in<br />
der weltweiten Bekleidungsindustrie bisher nur in Einzelfällen erreicht werden. Für einen umfassenden Fortschritt<br />
sind nicht nur weitergehende Kodex-Anstrengungen erforderlich, sondern auch gesetzliche und staatliche<br />
Initiativen im Bereich der Umsetzung von Arbeits- und Sozialrechten. Nicht zuletzt wegen diesen letzten Punkt ist<br />
auch das Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand in unseren Fokus gerückt.<br />
--<br />
Fragen an Hans-Peter Brix, CSR-Testleiter Stiftung Warentest:<br />
Wie kam es dazu, dass die Stiftung Warentest CSR-Tests eingeführt hat? Wie nehmen Verbraucher und<br />
Produzenten die Tests an?<br />
Im zunehmenden Maße sind die Verbraucher nicht nur an Qualität und Preis eines Produktes interessiert,<br />
sondern fragen auch, unter welchen Umständen dessen Herstellung erfolgte. Kinderarbeit, Vernichtung<br />
natürlicher Ressourcen und unzumutbare Bedingungen in Produktionsstätten in Niedriglohnländern möchten<br />
viele Konsumenten nicht durch ihre Kaufentscheidungen unterstützen. Natürlich ist das längst noch nicht die<br />
Mehrheit der deutschen Verbraucherschaft, aber ein Anteil, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Stiftung<br />
Warentest hat deshalb seit 2004 begonnen, den Lesern unserer Zeitschrift „test“ bei ausgewählten Produkten<br />
über Preis und Qualität hinaus auch Informationen zum sozialen und ökologischen Kontext von deren Herstellung<br />
zu geben. Auch bei den Anbietern und Herstellern findet hierzu ein Prozess der Verantwortungsübernahme statt.<br />
Was war seitdem Ihr spannendster Test bzw. die überraschendsten Ergebnisse – und warum?<br />
Beim Test T-Shirts waren wir überrascht über die Anbieter von Biobaumwolle. Üblicherweise kennen Bioanbieter<br />
die Produktionskette besonders gut. Doch was bei Biolebensmitteln klappt, ist bei Biomode noch nicht<br />
selbstverständlich. CSR-Pionier Otto konnte nicht lückenlos beweisen, dass sein T-Shirt aus Biobaumwolle<br />
besteht. Und das, obwohl für jede Stufe – vom Anbau bis zum Händler – Zertifikate vorliegen müssten. Auch<br />
bei den T-Shirts von armedangels, panda und trigema – alle drei aus Biobaumwolle – blieb unklar, ob beim<br />
Anbau Biokriterien eingehalten wurden. In manchen Betrieben ist zudem die Vermischung mit konventioneller<br />
Baumwolle nicht auszuschließen: Anders als vorgeschrieben lagerten biologisch und konventionell angebaute<br />
Baumwolle nicht getrennt voneinander. Auch die Verarbeitung erfolgte nicht separat. Somit bleiben Zweifel, ob<br />
die T-Shirts wirklich aus 100 Prozent Biobaumwolle bestanden. Kontrolle und Transparenz müssen hier noch<br />
verbessert werden.<br />
Was haben Ihre Tests bislang bei den Anbietern bewirkt? Und beim Konsumenten?<br />
Einige Unternehmen, die die Auskunft verweigert hatten, würden bei einer neuerlichen Untersuchung auf jedem<br />
Fall mitmachen, andere haben eine zusätzliche Abteilung oder zumindest einen Verantwortlichen ins Leben<br />
berufen, der sich um die Unternehmensverantwortung und die Zulieferer kümmert. Leserbefragungen haben<br />
ergeben, dass sowohl die positiven als auch die negativen Ergebnisse („Anbieter verweigert Auskunft“) bei den<br />
Befragten in Erinnerung bleiben und ein Drittel schon heute CSR-Aspekte beim Einkauf berücksichtigen. Leider<br />
liegen uns keine Erkenntnisse darüber vor, ob sich die Produktionsbedingungen verbessert haben.<br />
Mit welchen Methoden sind Sie vorgegangen?<br />
Für die Durchführung wird ein dreistufiger Ansatz gewählt: Entwicklung von Kriterien und Befragung der Anbieter<br />
zu diesen Kriterien, „Sekundär-Research“ zu Informationen in Medien und bei Nichtregierungsorganisationen,<br />
Besuch der Unternehmen und relevanter Zuliefererbetriebe durch von uns beauftragte Sachverständige zur<br />
Überprüfung der gegebenen Antworten.<br />
An welchen Standards orientieren Sie sich? Welche rechtlichen und formalen Grenzen gibt es?<br />
Wir haben bei der Entwicklung unserer Kriterien internationale Standards und Leitlinien ausgewertet,<br />
wie den Global Compact der Vereinten Nationen, die Leitsätze für multinationale Unternehmen der<br />
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Kernarbeitsnormen der<br />
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), den Standard SA8000 von Social Accountability International<br />
(SAI), einer amerikanischen privaten Non-Profit-Organisation, die Verhaltenskodices (Code of Conduct) vieler<br />
international agierender Unternehmen sowie deren Umwelt-, Sozial- und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die<br />
Schwerpunktsetzung variiert naturgemäß in einigen Fragestellungen von Branche zu Branche, gleichwohl hat sich<br />
eine hohe Übereinstimmung der adressierten Fragen und Problembereiche ergeben.<br />
Nach welchen Kriterien haben Sie persönlich Ihr letztes T-Shirt gekauft?<br />
Neben der Informationsverwertung ist das für mich eine Frage des Vertrauens in den Anbieter und seine<br />
Glaubwürdigkeit!<br />
K7<br />
Freitag, 1. Juli, 15:00<br />
<strong>Recherche</strong>berufe V – Informationsbeschaffung bei Nachrichtendiensten<br />
Wie funktioniert die Erfassung und Auswertung des Telekommunikationsverkehrs?<br />
Mit: Andy Müller-Maguhn, Manfred Ladwig<br />
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