MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de
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Schriften <strong>de</strong>s Hohenheimers lässt sich ableiten,<br />
dass die weiße und die schwarze<br />
Seite <strong>de</strong>s Glaubensweges die weiße und<br />
die schwarze Magie sind. Ebenso unschwer<br />
ist zu erkennen, dass <strong>de</strong>r glaubensstarke,<br />
<strong>de</strong>mütige Christ Paracelsus in <strong>de</strong>r Nächstenliebe<br />
das Motiv allen Denkens, Sprechens<br />
und Han<strong>de</strong>lns sah – und hier liegen<br />
die Wurzeln paracelsischer Ethik, nach<br />
meiner Überzeugung die Wurzeln <strong>de</strong>r<br />
Ethik überhaupt. In <strong>de</strong>r Liebe zum Schöpfer<br />
liegt die höchste Magie, die natürlicherweise<br />
nur <strong>de</strong>m Guten dienen kann, weil<br />
sie <strong>de</strong>m Bösen nicht zugänglich ist. Paracelsische<br />
Magie ist Magie <strong>de</strong>s Glaubens,<br />
die keinen Zweifel mehr aufkommen lässt<br />
an <strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>s Wortes Gottes. Leben<br />
und Wirken <strong>de</strong>s <strong>Bombastus</strong> Paracelsus wi<strong>de</strong>rspiegeln,<br />
wie <strong>de</strong>r Glaube <strong>de</strong>m Willen<br />
Kraft gibt und <strong>de</strong>r Wille die Kraft <strong>de</strong>m<br />
Glauben gibt. Das ist das Geheimnis <strong>de</strong>r<br />
Magie. »Wenn <strong>de</strong>r Mensch das Gebot <strong>de</strong>r<br />
Nächstenliebe befolgt«, schrieb Paracelsus,<br />
»ist er vollkommen« 27 . Auf diesem Wege zur<br />
Vollkommenheit mögen Gebetserhörungen<br />
o<strong>de</strong>r Heilungen geschehen, die sich<br />
rationalem Denken verschließen, <strong>de</strong>m<br />
Glauben jedoch absolut verständlich sind.<br />
Je stärker <strong>de</strong>r Glaube, umso reicher das Innenleben<br />
einer Persönlichkeit, das, von <strong>de</strong>r<br />
Verwirklichung <strong>de</strong>r Nächstenliebe erfüllt,<br />
immer vollkommener, d. h. reicher und<br />
stärker wird. Nicht <strong>de</strong>r Schwätzer, nicht<br />
<strong>de</strong>r Unruhige, nicht <strong>de</strong>r Zweifler wird <strong>de</strong>r<br />
Starke sein, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r zur rechten Zeit<br />
Schweigen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Ruhe Ausstrahlen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />
im tiefsten Grun<strong>de</strong> seines Herzens Gläubige.<br />
So ist Magie die Kraftwirkung einer<br />
starken Persönlichkeit.<br />
Paracelsus war eine starke Persönlichkeit,<br />
ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r, erfolgreicher Arzt und<br />
ein bewun<strong>de</strong>rnswerter Magier. Paracelsus<br />
hat <strong>de</strong>n Begriff »Einbildungskraft« geprägt<br />
und in die <strong>de</strong>utsche Sprache eingeführt.<br />
Damit – so <strong>de</strong>r Paracelsus-Forscher Lucien<br />
Braun 28 – benennt er die immanente Kraft,<br />
die von innen her die Dinge festlegt, be-<br />
14<br />
grün<strong>de</strong>t und hervorruft und die als solche<br />
einer Vorstellung nicht zugänglich ist.<br />
Die Einbildungskraft (Imagination) ist die<br />
Macht, die von innen die Wesen aufrichtet<br />
und in Kenntnis setzt. Die vielfältige Kraft<br />
strömt durch alle Dinge, durch die ganze<br />
große Welt; sie ist so vielfältig wie das Seien<strong>de</strong>,<br />
ja wie die Eigenschaften <strong>de</strong>s Seien<strong>de</strong>n,<br />
so vielfältig wie die Verwandtschaften<br />
zwischen <strong>de</strong>m Makrokosmos und <strong>de</strong>m Mikrokosmos.<br />
Da <strong>de</strong>r Mensch Natur ist, ist er<br />
<strong>de</strong>r Natur nicht gegenübergesetzt, son<strong>de</strong>rn<br />
in sie eingebettet. Weil die Natur göttliche<br />
Kraft atmet, nimmt <strong>de</strong>r Mensch an ihr teil<br />
– Ausdruck <strong>de</strong>r Dialektik von Makrokosmos<br />
und Mikrokosmos! Ist er sich dieser<br />
Kraft und ihrer Be<strong>de</strong>utung bewusst, nimmt<br />
<strong>de</strong>r Mensch auch an dieser Imagination<br />
teil 28 . »Die Imagination ent<strong>de</strong>ckt ... <strong>de</strong>n<br />
Chor <strong>de</strong>r Einzelkräfte, die die Große und<br />
die Kleine Welt durchklingen« 29 . Imagination<br />
und Magie stehen für Paracelsus in<br />
nächster Verwandtschaft. »Wenn die Imagination<br />
nur stark genug wäre, bliebe nichts<br />
unmöglich, da sie <strong>de</strong>r Ursprung aller<br />
Magie ist, aller Tätigkeit also, durch die das<br />
Unsichtbare in irgen<strong>de</strong>iner Weise im Sichtbaren<br />
seine Spuren hinterläßt« 30 . Abstraktes,<br />
rein intellektuelles Wünschen ist kraftlos<br />
und unfähig, irgen<strong>de</strong>twas in Bewegung<br />
zu setzen. »Wenn <strong>de</strong>r Gedanke sich nicht<br />
durch Imagination verkörpert, wird keinerlei<br />
Wirkung zustan<strong>de</strong> kommen« 30 .<br />
Was Paracelsus mit Magie ereichen wollte,<br />
formulierte er so: »Denn <strong>de</strong>r Mensch ist<br />
mehr <strong>de</strong>nn die Natur. Er ist die Natur, er ist<br />
auch ein Geist, er ist auch ein Engel, <strong>de</strong>ren aller<br />
dreien Eigenschaft hat er. Wan<strong>de</strong>lt er in <strong>de</strong>r<br />
Natur, so dient er <strong>de</strong>r Natur; wan<strong>de</strong>lt er im<br />
Geist, er dient <strong>de</strong>m Geist; wan<strong>de</strong>lt er im Engel,<br />
er dient als ein Engel. Das erst ist <strong>de</strong>m Leib<br />
geben, die an<strong>de</strong>rn sind <strong>de</strong>r Seel geben und sind<br />
ihr Kleinod. Darum nun, daß <strong>de</strong>r Mensch ein<br />
Seel hat, und die zwei da<strong>bei</strong>, drum steigt er über<br />
die Natur, zu ergrün<strong>de</strong>n auch was nit in <strong>de</strong>r<br />
Natur ist, son<strong>de</strong>rn zu erfahren und zu ergrün<strong>de</strong>n<br />
... <strong>de</strong>n Himmel und sein Wesen, nämlich<br />
Gott und sein Reich« 31 .