MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de
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Gunhild Pörksen<br />
DIE SEHNSUCHT NACH DER SEELE<br />
PARACELSUS UND DIE ELEMENTARGEISTER<br />
»..nichts ist geschaffen, das <strong>de</strong>r Mensch nicht ergrün<strong>de</strong>n<br />
könnte und ist darum geschaffen, auf<br />
dass <strong>de</strong>r Mensch nicht müßiggehe, son<strong>de</strong>rn<br />
wandle in <strong>de</strong>n Wegen Gottes, d.h. in seinen Werken.<br />
Nicht im Laster, nicht in Hurerei, nicht im<br />
Spielen, nicht im Saufen, nicht im Stehlen, nicht<br />
im Güter-Anhäufen o<strong>de</strong>r Schätze-Sammeln für<br />
die Würmer, son<strong>de</strong>rn er soll seinen Geist, sein<br />
Licht, seine Engels-Art auf die Betrachtung <strong>de</strong>r<br />
Dinge richten, die von Gott sind. Seliger ist es,<br />
die Nymphen zu beschreiben, als zu beschreiben<br />
die Or<strong>de</strong>n, seliger ist, <strong>de</strong>n Ursprung <strong>de</strong>r Riesen zu<br />
beschreiben, als zu beschreiben höfisches Ritual,<br />
seliger ist, Melusina zu beschreiben, als zu beschreiben<br />
Reiterei und Artillerie, seliger zu beschreiben<br />
die Bergleutlein unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, als zu<br />
beschreiben Fechtkunst und Frauendienst. Denn<br />
<strong>bei</strong> diesen Dingen wird <strong>de</strong>r Geist dazu gebraucht,<br />
um in Gottes Wegen zu wan<strong>de</strong>ln...« 1<br />
Paracelsus’ Schrift über die Wesen in <strong>de</strong>n<br />
Elementen ist singulär in <strong>de</strong>r Literatur und<br />
<strong>de</strong>r Fachliteratur <strong>de</strong>r Neuzeit. Paracelsus<br />
unternimmt es darin, eine Naturgeschichte<br />
<strong>de</strong>r Elementargeister zu schreiben und sie<br />
als Wun<strong>de</strong>rwerke <strong>de</strong>s Schöpfers in <strong>de</strong>r<br />
Theologie zu verankern. Seine Ausführungen<br />
sind zauberhaft und scharfsinnig.<br />
Doch sie enthalten einen Wi<strong>de</strong>rspruch.<br />
Einerseits führt Paracelsus <strong>de</strong>n Leser in<br />
weite, unerforschte Erkenntnisräume: es<br />
geht ihm um die Wahrnehmung, wissenschaftliche<br />
Erfassung und Darstellung eines<br />
Unsichtbaren, nämlich unsichtbarer Kräfte<br />
und Wirkmächte, die an <strong>de</strong>m, was wir »die<br />
Natur« nennen, mitar<strong>bei</strong>ten. Er begreift die<br />
Natur – er sagt meistens »die natürlichen<br />
Dinge«, die res naturae – nicht in mechanischen<br />
Abläufen, son<strong>de</strong>rn beobachtet das<br />
unablässige Ineinan<strong>de</strong>rwirken mannigfaltiger<br />
Lebensprozesse. Zeit und Umgestaltung<br />
spielen eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle in seinem<br />
Denken. Insofern gehört Paracelsus <strong>de</strong>r<br />
Epoche <strong>de</strong>r Neuzeit, wenn nicht sogar eigentlich<br />
<strong>de</strong>r Zukunft an.<br />
Gleichzeitig zwingt er uns zu einem Spagat.<br />
Paracelsus ist nämlich von <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rwelt<br />
<strong>de</strong>r Volksüberlieferung geprägt und<br />
argumentiert mit <strong>de</strong>ren Begriffen und Historien.<br />
Das mutet oft lieblich und naiv,<br />
aber für einen Menschen <strong>de</strong>r Gegenwart im<br />
Grun<strong>de</strong> mittelalterlich an. In dieser Spannung<br />
steht man, wenn man das Thema<br />
»Elementargeister« <strong>bei</strong> Paracelsus aufgreift.<br />
Zum Inhalt<br />
Paracelsus’ Liber <strong>de</strong> Nymphis, Sylphis, Pygmaeis<br />
et Salamandris et <strong>de</strong> caeteris Spiritibus, das<br />
Buch von <strong>de</strong>n Nymphen, Sylphen, Pygmäen<br />
und Salaman<strong>de</strong>rn und von <strong>de</strong>n übrigen<br />
Geistern ist in <strong>de</strong>utscher Sprache, <strong>de</strong>m<br />
frühen Neuhoch<strong>de</strong>utsch geschrieben. Es ist,<br />
in Relation zu <strong>de</strong>n Lebensdaten <strong>de</strong>s Autors,<br />
eine relativ späte Schrift, um 1537 verfasst.<br />
Der Liber <strong>de</strong> Nymphis ist zu<strong>de</strong>m eine relativ<br />
kurze Schrift: im gedrängten Druck <strong>de</strong>r<br />
Ausgabe aus <strong>de</strong>m 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>r<br />
Huserschen Ausgabe, hat sie einen Umfang<br />
von 33 Seiten, in <strong>de</strong>r Ausgabe von Sudhoff<br />
nimmt sie 36 Seiten ein. Die Schrift ist als<br />
Ganzes konzipiert und ausgeführt, sie ist<br />
genau und durchgehend geglie<strong>de</strong>rt und<br />
wenn nicht in einem Zug, so doch in einem<br />
Geist zu En<strong>de</strong> gebracht und abgeschlossen.<br />
Der Text besteht aus einer Vorre<strong>de</strong> und<br />
6 Traktaten, wo<strong>bei</strong> <strong>de</strong>r erste Traktat, und<br />
nur dieser, 2 Kapitel enthält.<br />
Unter <strong>de</strong>n Tausen<strong>de</strong>n von Druckseiten,<br />
die uns von Paracelsus heute vorliegen, hat<br />
diese Ar<strong>bei</strong>t über die Elementargeister <strong>de</strong>n<br />
stärksten Wi<strong>de</strong>rhall gehabt. Das gilt bis in<br />
die Gegenwart. Sie ist voller Poesie, auch<br />
sprachlich, und hat auf Künstler aller Gattungen,<br />
voran auf die Dichter gewirkt. Shakespeare<br />
<strong>bei</strong>spielsweise hat sie gekannt und<br />
verar<strong>bei</strong>tet, Grimmelshausens »Simplicius<br />
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