MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de
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medizinischen und naturphilosophischen<br />
Schriften <strong>de</strong>s Paracelsus zugrun<strong>de</strong>.<br />
Die Elementargeister, diese Zeugen und<br />
beteiligten Kräfte <strong>de</strong>r Weltentstehung,<br />
welche die Prima Materia <strong>de</strong>r natürlichen<br />
Dinge kennen, sind nach seinem Verständnis<br />
unfähig, d.h. nicht ausgestattet, nicht<br />
mit einer Seele ausgestattet, zur Wahrnehmung<br />
Christi. Doch haben sie eine Ahnung<br />
von diesem zentralen Ereignis, eine<br />
schmerzliche Sehnsucht teilzunehmen, ein<br />
Harren nach Erlösung. Der Mensch,<br />
glaubt Paracelsus, hat eine Aufgabe gegenüber<br />
jenen Wesen, die <strong>de</strong>r Natur und ihm<br />
dienen. Der Mensch ist ihr Bin<strong>de</strong>glied!<br />
Durch <strong>de</strong>n »Bund« mit ihm, nach <strong>de</strong>m sie<br />
verlangen wie <strong>de</strong>r Kranke nach <strong>de</strong>m Arzt,<br />
wie <strong>de</strong>r Christ nach <strong>de</strong>m Erlöser 43 , könnten<br />
sie die Seele erlangen und Christus<br />
folgen. Auf <strong>de</strong>n Bund mit <strong>de</strong>m Menschen<br />
begrün<strong>de</strong>t sich ihre Hoffnung auf Umwandlung<br />
und Auferstehung.<br />
Der Liber <strong>de</strong> Nymphis, so märchenhaft<br />
und poetisch er sich über weite Strecken<br />
liest, ist vom Autor nicht als Märchen gemeint.<br />
Zweifellos hat Paracelsus Verse und<br />
<strong>Ges</strong>chichten über die Leute in <strong>de</strong>n Elementen<br />
gekannt und Volksbücher gelesen. Er<br />
beruft sich im Liber <strong>de</strong> Nymphis ganz überwiegend<br />
auf literarische Überlieferungen.<br />
Im uralten Lied vom Elementarwesen, das<br />
<strong>de</strong>n Menschen liebt, vernimmt er das ängstliche<br />
Harren <strong>de</strong>r Kreatur in <strong>de</strong>n Elementen<br />
und <strong>de</strong>ren Sehnsucht nach <strong>de</strong>r Seele. Er<br />
antwortet in seiner Schrift darauf mit tiefem<br />
Mitgefühl und mit <strong>de</strong>m gründlichsten wissenschaftlichen<br />
und menschlichen Ernst.<br />
Er schlägt eine Bresche. Er eröffnet, in<strong>de</strong>m<br />
er Elementargeister als schaffen<strong>de</strong><br />
und gestalten<strong>de</strong> Kräfte spiritueller Art in<br />
<strong>de</strong>r Natur versteht, Gedankenwege zu<br />
ihrer Erforschung, vielleicht sogar zu ihrer<br />
Wahrnehmung. Er hält es für dringlich,<br />
sowohl für die naturwissenschaftliche Philosophie<br />
wie für die Theologie, die Realität<br />
solcher wesenhafter Kräfte anzuerkennen,<br />
um <strong>de</strong>r Pflicht und <strong>de</strong>r Verantwortung ge-<br />
recht zu wer<strong>de</strong>n, in welcher <strong>de</strong>r Mensch zu<br />
ihnen steht. Der Liber <strong>de</strong> Nymphis ist ein<br />
Appell! Paracelsus beschreibt mit enormer<br />
sprachlicher Plastizität <strong>de</strong>n Geistleib jener<br />
Wesen und setzt über das zweite Kapitel<br />
eine bemerkenswerte Überschrift, die seiner<br />
Denkart entspricht: »Caput secundum.<br />
Spiritus quid et Anima: Item spiritus horum<br />
caro est et caro spiritus: Exemplum resurrectionis«.<br />
Zu Deutsch: Zweites Kapitel. Der Geist<br />
also und die Seele: <strong>de</strong>ren Geist Fleisch ist und<br />
<strong>de</strong>ren Fleisch Geist: ein Beispiel <strong>de</strong>r Auferstehung.<br />
Wie ist das zu verstehen?<br />
In <strong>de</strong>r Natur selbst sieht er die Gedanken<br />
von Metamorphose und Auferstehung<br />
vielfältig angelegt. Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mensch,<br />
glaubt Paracelsus, die Natur in allen ihren<br />
Schichten zu lesen vermögen, gelangte er<br />
zur Wahrnehmung <strong>de</strong>r darin schaffen<strong>de</strong>n<br />
Wesen, <strong>de</strong>r Leute in <strong>de</strong>n Elementen. Der<br />
spirituelle Leib <strong>de</strong>r Naturwesen wür<strong>de</strong><br />
dann – als Zeichen, als Vorbild – zur Menschenseele<br />
von ihrer eigenen Bestimmung<br />
zur Auferstehung sprechen, als wahrhaftes<br />
exemplum resurrectionis!<br />
In diesem Zusammenhang gewinnen die<br />
ebenso befremdlichen wie wun<strong>de</strong>rsamen<br />
Seligpreisungen <strong>de</strong>r Vorre<strong>de</strong> erst die Klarheit<br />
und Bewusstheit, mit <strong>de</strong>r sie von Paracelsus<br />
formuliert wor<strong>de</strong>n sind: »Seliger ist<br />
es, die Nymphen zu beschreiben, als zu beschreiben<br />
die Or<strong>de</strong>n, seliger ist, <strong>de</strong>n Ursprung <strong>de</strong>r Riesen<br />
zu beschreiben, als zu beschreiben höfisches<br />
Ritual, seliger ist, Melusina zu beschreiben, als<br />
zu beschreiben Reiterei o<strong>de</strong>r Artillerie, seliger zu<br />
beschreiben die Bergleutlein unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, als<br />
zu beschreiben Fechtkunst und Frauendienst...«<br />
Mittelalterlich sind diese Seligpreisungen<br />
nicht. Nicht an seine Epoche gebun<strong>de</strong>n ist<br />
Paracelsus’ lebenslange ernste Bestrebung,<br />
als naturforschen<strong>de</strong>r, um Erkenntnis sich<br />
mühen<strong>de</strong>r Mensch <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />
von Wissen und Liebe gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Seine Auffor<strong>de</strong>rung zum Spagat, wie er<br />
ihn uns im Liber <strong>de</strong> Nymphis zumutet,<br />
könnte und kann einen Leser im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
durchaus zu neuen Fragestellungen<br />
führen.<br />
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