MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de
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und gänzlich verfrem<strong>de</strong>t. Der Autor entwirft<br />
ein Körperbild, das unseren Begriffen<br />
krass entgegensteht: Paracelsus setzt das<br />
Wort »Fleisch«, für uns <strong>de</strong>r Inbegriff von<br />
Stofflichkeit, für ein nicht sichtbares Gebil<strong>de</strong>,<br />
für etwas, was man we<strong>de</strong>r anfassen,<br />
noch berühren, noch halten kann. Er bezeichnet<br />
mit <strong>de</strong>m Wort »Leib« eine nichtmaterielle<br />
<strong>Ges</strong>talt. Die Leute in <strong>de</strong>n Elementen<br />
seien menschgestaltig, steht da zu<br />
lesen, hätten einen Körper aus Fleisch, Blut<br />
und Ge<strong>bei</strong>n und allem, was dazugehöre,<br />
aber dieser Körper sei »subtil«. Subtilis ist<br />
ursprünglich ein Ausdruck aus <strong>de</strong>r Weberei.<br />
Paracelsus spricht hier von Wesen, <strong>de</strong>ren<br />
Körper – Fleisch, Blut, Ge<strong>bei</strong>n! – aus feinstem<br />
Gewebe ist, nämlich aus Geist. Sie<br />
seien Kreaturen <strong>de</strong>s Schöpfers, <strong>de</strong>m Menschen<br />
aufs nächste verwandt, ja ein an<strong>de</strong>res<br />
Menschengeschlecht, doch – und das ist <strong>de</strong>r<br />
gravieren<strong>de</strong> Unterschied – diese Menschen<br />
seien nicht mit einer Seele begabt! Und<br />
Christus sei für diejenigen gestorben und<br />
geboren wor<strong>de</strong>n, die eine Seele hätten.<br />
Der Tractatus II han<strong>de</strong>lt von <strong>de</strong>r Wohnung<br />
<strong>de</strong>r Geistmenschen, <strong>de</strong>ren Lebensräume<br />
in <strong>de</strong>n vier Elementen liegen: im<br />
Wasser leben die Wasserleute o<strong>de</strong>r Undinen,<br />
in <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n Bergen die Erdleute<br />
o<strong>de</strong>r Gnomen, in <strong>de</strong>r Luft die Luftleute<br />
o<strong>de</strong>r Sylphen, im Feuerelement die<br />
Feuerleute o<strong>de</strong>r Salaman<strong>de</strong>r. Ihr jeweiliges<br />
Element sei ihre Lebensluft, die sie atmen,<br />
die sie durchschreiten, so wie wir Luft<br />
atmen und <strong>de</strong>n Luftraum durchschreiten.<br />
Paracelsus formuliert als <strong>Ges</strong>etz, dass sich<br />
Körper und Lebenselement umgekehrt<br />
aufeinan<strong>de</strong>r beziehen: je kompakter <strong>de</strong>r<br />
Leib, <strong>de</strong>sto subtiler sei das Lebenselement,<br />
je kompakter das Lebenselement, <strong>de</strong>sto<br />
subtiler sei <strong>de</strong>r Leib! Der Mensch mit seinem<br />
festen stofflichen Körper braucht das<br />
subtile Lebenselement, die Gnomen dagegen<br />
mit ihrem subtilem Leib bewegen sich<br />
durch Felsen und <strong>Ges</strong>tein und »atmen«<br />
darin und sehen die Sonne durch die Er<strong>de</strong><br />
hindurch wie wir durch die Luft.<br />
Der Tractatus III berichtet, dass diese<br />
Unsichtbaren bisweilen, wenn auch selten,<br />
menschliche <strong>Ges</strong>ellschaft suchen und<br />
einem Menschen »erscheinen«. Also: Sich<br />
sehen lassen, sich in Sichtbarkeit verfassen,<br />
die Augen eines Menschen auftun, sodass<br />
dieser sie sieht. – Die Art und Weise <strong>de</strong>s<br />
»Erscheinens« von Elementargeistern wird<br />
mit <strong>de</strong>m Erscheinen von Engeln verglichen,<br />
scheint aber häufiger vorzukommen. Paracelsus<br />
macht kenntlich, dass es sich um eine<br />
mit einem »Verzucken« einsetzen<strong>de</strong> erweiterte<br />
Wahrnehmung han<strong>de</strong>lt, die es ermöglicht,<br />
Wesen mit immateriellem Leib zu<br />
sehen. Verzucken o<strong>de</strong>r entzücken sind Begriffe<br />
mystischer Erfahrung. Das heißt: im<br />
Beobachter ereignet sich etwas, sein Erlebnis,<br />
sein Eindruck rücken ihn aus <strong>de</strong>m<br />
Geleise <strong>de</strong>r gewöhnlichen Wahrnehmung<br />
heraus und entrücken ihn.<br />
Kaum hat <strong>de</strong>r Autor einen Zugang zu<br />
solchen eher mystischen Wirklichkeits- o<strong>de</strong>r<br />
Erlebnisschichten geschaffen, springt er mit<br />
einem Riesenspagat in die Bil<strong>de</strong>rwelt <strong>de</strong>r<br />
mittelalterlichen Volksüberlieferungen und<br />
<strong>de</strong>s Märchens hinein. Alles, was sich auf<br />
<strong>de</strong>r Erlebnisebene spiritueller Bil<strong>de</strong>r abzuspielen<br />
schien, versetzt er in die Realität <strong>de</strong>r<br />
Lebenswelt und <strong>de</strong>s alltäglichen Bewusstseins:<br />
Paracelsus berichtet, dass Elementargeister,<br />
insbeson<strong>de</strong>re die Wasserleute, die<br />
Wasserfrauen, <strong>de</strong>n geselligen Umgang mit<br />
Menschen pflegen, er hält Beischlaf und<br />
Eheschließung zwischen Nymphen und<br />
Menschenmännern für möglich und reflektiert<br />
und beantwortet, wem die Kin<strong>de</strong>r aus<br />
dieser Verbindung nachschlagen.<br />
Da<strong>bei</strong> versteht er die erotische Aktivität<br />
<strong>de</strong>r Wasserfrauen, von <strong>de</strong>nen vor allem die<br />
Re<strong>de</strong> ist, als <strong>de</strong>ren Verlangen nach einer<br />
Seele. Sie stellen <strong>de</strong>n Männern in Liebe<br />
nach, sie buhlen um die Menschen – heißt<br />
es im Text. Ein von Menschenmann und<br />
Nymphenfrau treulich gehaltenes »Bündnis«<br />
wür<strong>de</strong> ihr zur Seele verhelfen, nach <strong>de</strong>r sie<br />
sich sehnt.<br />
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