30.01.2013 Aufrufe

MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de

MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de

MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Ges</strong>amtausgabe repräsentieren zwei biographisch<br />

wie weltanschaulich und literarisch<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r relativ unabhängig<br />

voneinan<strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong> Bereiche, die<br />

1. Abteilung genießt die Weihe philosophie-,<br />

naturwissenschafts- und medizinhistorischer<br />

Aufmerksamkeit, die zweite gehört<br />

dagegen unter das Seziermesser <strong>de</strong>r Theologen<br />

und Kirchenhistoriker." 126<br />

Rudolphs Einschätzung erfährt eine gewisse<br />

Bestätigung durch <strong>de</strong>n in jüngster<br />

Zeit in <strong>de</strong>r Reihe <strong>de</strong>r Nova Acta Paracelsica<br />

erschienenen, <strong>de</strong>r paracelsischen Sozialethik<br />

gewidmeten Aufsatzband. 127<br />

Hierin wer<strong>de</strong>n zentrale Begriffe seiner Sozialethik<br />

– Ar<strong>bei</strong>t, Gerechtigkeit, Armutsi<strong>de</strong>al,<br />

christliche Nächstenliebe, seliges<br />

Leben – <strong>de</strong>tailliert dargestellt und analysiert.<br />

Eine historische Einordnung erfolgt<br />

vor <strong>de</strong>m zeitgenössischen Hintergrund<br />

<strong>de</strong>r Bauernkriege, Reformation und Täuferbewegungen.<br />

Die Autoren schließen<br />

damit methodisch an <strong>de</strong>n von Kurt<br />

Goldammer schon 1952 in <strong>de</strong>r von ihm<br />

herausgegebenen Auswahl sozialethischer<br />

und -politischer Paracelsus-Schriften gewählten<br />

historischen Ansatz an. 128 Sie stützen<br />

sich ausschließlich auf die Texte <strong>de</strong>r<br />

2. Abteilung und suggerieren damit –<br />

womöglich unabsichtlich – die Inkohärenzthese.<br />

Da die ethischen Texte Hohenheims<br />

weitgehend auf <strong>de</strong>m Neuen Testament<br />

beruhen und ohne offenkundige<br />

Berufung auf Naturphilosophisches auskommen,<br />

erscheint ein solcher Zugang naheliegend<br />

und plausibel. Er liefert ohne<br />

Zweifel einen zum Verständnis <strong>de</strong>r Sozialethik<br />

Hohenheims wertvollen Beitrag, ist<br />

jedoch aus Grün<strong>de</strong>n, die im Folgen<strong>de</strong>n erläutert<br />

wer<strong>de</strong>n sollen, um Studien zu <strong>de</strong>n<br />

Beziehungen zwischen Naturwissenschaft/-philosophie<br />

einerseits und Theologie/Ethik<br />

an<strong>de</strong>rerseits zu ergänzen.<br />

Eine solche Studie, die im beson<strong>de</strong>ren die<br />

Beziehungen zwischen Naturphilosophie<br />

und Sozialethik in <strong>de</strong>n Blick nimmt, soll<br />

daher Gegenstand <strong>de</strong>s dritten Kapitels<br />

sein.<br />

1. Hohenheims Denken wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

frühen Neuzeit größtenteils über die von<br />

Huser edierten medizinischen, naturwissenschaftlichen<br />

und -philosophischen<br />

Werke rezipiert. Auf Paracelsus rekurrieren<strong>de</strong><br />

Gruppen wie die Rosenkreuzer, die<br />

nicht organisierten Weigelianer und an<strong>de</strong>re<br />

for<strong>de</strong>rten Reformen sowohl <strong>de</strong>r kirchlichen<br />

und staatlichen Institutionen als<br />

auch <strong>de</strong>r traditionellen Stän<strong>de</strong>ordnung.<br />

Ihre sozialpolitische Kritik verban<strong>de</strong>n sie<br />

mit einer oft von mystischer Religiosität<br />

geprägten Erwartung eines neuen Zeitalters<br />

<strong>de</strong>s Geistes, <strong>de</strong>s brü<strong>de</strong>rlichen Zusammenlebens<br />

und theosophischer Naturerkenntnis.<br />

129 Eine Historiographie wie die oben<br />

beschriebene berücksichtigt nicht <strong>de</strong>n Umstand,<br />

dass es die naturphilosophische Abteilung<br />

war, die <strong>de</strong>n Paracelsisten auch die<br />

Quellen für Religionskritik und sozialethische<br />

For<strong>de</strong>rungen zur Verfügung stellte.<br />

Sie bietet keinen Zugang zum Verständnis<br />

<strong>de</strong>r Paracelsus-Rezeption und lässt damit<br />

eine historische Dimension außer Acht,<br />

die die intellektuelle Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit Paracelsus in entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Weise begrün<strong>de</strong>t.<br />

Folgerichtig lassen Vertreter dieses<br />

Ansatzes rezeptionsgeschichtliche Fragestellungen<br />

<strong>de</strong>nn auch außer Acht.<br />

2. Die Mannigfaltigkeit <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />

paracelsischen Schriften ausgehen<strong>de</strong>n<br />

Anregungen für die nachfolgen<strong>de</strong>n Generationen<br />

hat ihre Wurzel in einem Wissenschaftsverständnis,<br />

das – wie Kurt Goldammer<br />

schrieb – »Kosmologie und<br />

Anthropologie eng verknüpft«. 130 So ist es<br />

vom heutigen Standpunkt aus fremdartig,<br />

im paracelsischen Denken jedoch folgerichtig,<br />

dass etwa auch Schriften kosmographischen<br />

o<strong>de</strong>r geologischen Inhalts <strong>de</strong>n<br />

Bezug zum Menschen nie vermissen lassen.<br />

Im Liber Meteororum <strong>bei</strong>spielsweise<br />

schlussfolgert Paracelsus, nach<strong>de</strong>m er je<strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>r vier Elemente mit einer bestimmten<br />

Art verstan<strong>de</strong>sbegabten Lebewesens bevölkert<br />

hat: »Und vom menschen sollen wir wissen,<br />

das er keines elements ist, son<strong>de</strong>r er ist frei...<br />

alle ding seind von seinetwegen geschaffen, und<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!