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MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de

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Kanon <strong>de</strong>r Werke Valentin Weigels aufgestellt,<br />

die <strong>bei</strong> Frommann-Holzboog (Stuttgart<br />

– Bad Cannstatt) in 15 Bän<strong>de</strong>n erscheinen<br />

sollen, drei davon hat H. Pfefferl<br />

bereits herausgebracht. 17<br />

Dieses Editionskonzept »berücksichtigt<br />

neben <strong>de</strong>n authentischen Texten auch alle<br />

Schriften, <strong>de</strong>ren Zuweisung an Weigel als<br />

unsicher o<strong>de</strong>r nur in Teilen als möglich anzusehen<br />

ist. Damit trägt die Ausgabe <strong>de</strong>n<br />

Gegebenheiten <strong>de</strong>r Wirkungsgeschichte<br />

und zugleich <strong>de</strong>r jüngsten Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Weigel-Kritik Rechnung.« 18 Die noch<br />

weitgehend fehlen<strong>de</strong> Untersuchung <strong>de</strong>r<br />

Pseudoweigeliana ist ein wissenschaftliches<br />

Desi<strong>de</strong>rat. Sie wür<strong>de</strong> uns helfen, <strong>de</strong>n geistigen<br />

Einfluss Weigels auf seine Mit- und<br />

Nachwelt näher bestimmen zu können.<br />

Schon die Tatsache, dass es eine so umfangreiche<br />

Pseudo-Weigelliteratur gibt, ist<br />

Zeugnis für Weigels Wirken. Denken wir<br />

an <strong>de</strong>n Parallelfall Paracelsus (1493/4-1541).<br />

Auch <strong>bei</strong> V. Weigel konnte mancher heterodoxe<br />

Denker seine oppositionellen Auffassungen<br />

<strong>de</strong>m bekanntermaßen längst toten<br />

ehemaligen Zschopauer Geistlichen »unterschieben«.<br />

Zu<strong>de</strong>m stellt Winfried Zeller<br />

(1911-1982) hinsichtlich <strong>de</strong>r Pseudoweigeliana<br />

m.E. zu Recht fest, es wäre einseitig,<br />

»diese Literatur nur unter <strong>de</strong>m <strong>Ges</strong>ichtspunkt<br />

<strong>de</strong>r sekundären Abhängigkeit und<br />

einer verflachen<strong>de</strong>n Sammlertätigkeit o<strong>de</strong>r<br />

gar <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Fälschung zu betrachten …<br />

Eine beträchtliche Zahl <strong>de</strong>r weigelianischen<br />

Schriften gehört zeitlich sicher noch<br />

in das ausgehen<strong>de</strong> 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt, ja<br />

dürfte zum Teil bereits zu Weigels Lebzeiten<br />

entstan<strong>de</strong>n sein«. 19 Das wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten:<br />

Weigels Manuskripte waren zu seinen<br />

Lebzeiten bereits einem größeren Kreis<br />

von Anhängern bekannt. Selbst <strong>de</strong>m von<br />

Orthodoxen wie Häretikern geschätzten<br />

Johann Arndt (1555-1621) sind schon vor<br />

1609 Weigelsche Manuskripte bekannt; er<br />

übernahm in sein 1605 erschienenes<br />

»Buch vom wahren Christentum« in das<br />

34. Kapitel <strong>de</strong>s 2. Buches »größtenteils bear<strong>bei</strong>tet<br />

und gekürzt« die Kapitel 1-9 und<br />

11-13 aus Weigels »Gebetbuch (Büchlein<br />

vom Gebet)«. <strong>20</strong> Damit wird aber die These<br />

von <strong>de</strong>m nach außen hin orthodoxen, nur<br />

»für die Schubla<strong>de</strong>« schreiben<strong>de</strong>n Zschopauer<br />

Geistlichen hinfällig.<br />

Man kritisiert, was wirkt. Wenn sich die<br />

orthodoxe Kritik mit wahrem Ingrimm auf<br />

Weigels Schriften stürzte, <strong>de</strong>n Autor postum<br />

mit allen er<strong>de</strong>nklichen Beschimpfungen<br />

bedachte, so muß V. Weigel gewirkt<br />

haben. Für fast ein halbes Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

wur<strong>de</strong> er zum Inbegriff <strong>de</strong>r Kirchenfeindlichkeit,<br />

innerhalb <strong>de</strong>r protestantischen<br />

Theologie, für das ganze 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

gera<strong>de</strong>zu Sammelbezeichnung für unterschiedliche<br />

Arten von Ketzerei und Sektiererei.<br />

Da<strong>bei</strong> geht es nicht allein um die<br />

Kirche, es han<strong>de</strong>lt sich hier um philosophische<br />

und i<strong>de</strong>ologische Probleme. Dass<br />

sie <strong>bei</strong> V. Weigel wie <strong>bei</strong> seinen Gegnern<br />

theologisch verbrämt sind, dass Weigel wie<br />

seine Gegner subjektiv gläubig sind, ist<br />

da<strong>bei</strong> sekundär. Es geht um <strong>de</strong>n objektiven<br />

Hintergrund. Johannes Gottlob Reichel<br />

(1698-1742) führt 1721 neunundzwanzig<br />

Schriften gegen Weigel aus <strong>de</strong>m Lager <strong>de</strong>r<br />

Lutheraner und sieben aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Reformierten<br />

an. 21<br />

Eine <strong>de</strong>r ältesten »Wi<strong>de</strong>rlegungen« V. Weigels<br />

liefert <strong>de</strong>r damalige Hamburger Hauptpastor<br />

Johannes Schelhammer (1540-16<strong>20</strong>),<br />

<strong>de</strong>r sich fast ausschließlich mit Weigels<br />

»Kirchen- o<strong>de</strong>r Hauspostill« beschäftigte.<br />

Schelhammers, mit <strong>de</strong>n Empfehlungen<br />

<strong>de</strong>r theologischen Fakultäten zu Wittenberg<br />

und Leipzig bedachte Schrift umfasst<br />

– außer <strong>de</strong>n Vorre<strong>de</strong>n – genau 650 Quartseiten.<br />

Ungeachtet ihrer wissenschaftlichen<br />

Wertlosigkeit legt sie davon Zeugnis ab,<br />

welchen Hass die Orthodoxie gegen Weigel<br />

hegte und welche seiner Lehrpunkte sie<br />

für beson<strong>de</strong>rs ver<strong>de</strong>rblich und unchristlich<br />

erachtete.<br />

Schelhammer beginnt seine Angriffe<br />

gegen Weigel mit Luthers Autorität. Schon<br />

Martin Luther (1483-1546) habe solche<br />

»vollbäckige Sprühhamster«, wie Weigel<br />

einer sei, gerochen, »… da er also schrei-<br />

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