MTI-Heft 20 1003 - bei Bombastus-Ges.de
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8<br />
1.<br />
Der Florentiner Arzt und Philosoph Marsilio<br />
Ficino (1433-1499) vertrat die Ansicht,<br />
dass es nur eine Wahrheit gäbe, die<br />
sich in mannigfachen Formen zu erkennen<br />
gibt, weil – so Ficino – sich das gesamte<br />
Sein in verschie<strong>de</strong>nen Stufen äußere. Die<br />
unterste Stufe <strong>de</strong>s Seins entspricht <strong>de</strong>r<br />
Vielheit <strong>de</strong>r Dinge und ihrer Verän<strong>de</strong>rlichkeit.<br />
Die oberste Stufe sei das Eine und<br />
Unverän<strong>de</strong>rliche, sei Gott. Zwischen diesen<br />
<strong>bei</strong><strong>de</strong>n Polen existierten Wechselbeziehungen.<br />
Paracelsus (1493-1541) griff diesen Gedanken<br />
auf und sprach von <strong>de</strong>n Wechselbeziehungen<br />
(<strong>de</strong>r Begriff »Dialektik« wird<br />
von ihm nicht verwen<strong>de</strong>t) zwischen Makrokosmos<br />
und Mikrokosmos. Seine diesbezüglichen<br />
Gedanken wirkten auf Jakob<br />
Böhme und Angelus Silesius, auf Friedrich<br />
Wilhelm Schelling und Friedrich Wilhelm<br />
Hegel.<br />
Wir Menschen <strong>de</strong>s <strong>20</strong>. Jahrhun<strong>de</strong>rts sind<br />
geprägt von <strong>de</strong>m Begriff »Naturwissenschaft«,<br />
<strong>de</strong>r »Natur« gleichsetzt mit einem<br />
Lebensraum bzw. <strong>de</strong>r organischen und anorganischen<br />
Welt. »Natur« ist <strong>bei</strong> Paracelsus<br />
ein einziges großes Ganzes; sie ist <strong>de</strong>r<br />
Makrokosmos, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Mikrokosmos,<br />
<strong>de</strong>m Menschen, eins ist; »Natur« ist »ein<br />
Prinzip, eine Wirkmacht« 6 . »Was wir heute<br />
›Natur‹ nennen, heißt vorwissenschaftlich<br />
›Schöpfung‹, ›Universum‹ und ›Kosmos‹.<br />
Damit ist unübersehbar die Beziehung zur<br />
Religion gegeben. Denn ›Natur‹ ist hier<br />
eine relative Größe, keine selbständige, die<br />
sich als ein Gegenüber zu Gott o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Menschen aufrichten ließe; sie ist im Ge-<br />
Günter Ickert<br />
EINIGE ASPEKTE ZUR DIALEKTIK VON MAKROKOSMOS UND<br />
MIKROKOSMOS IN PHILOSOPHIE UND ETHIK DES PARACELSUS<br />
- Paracelsisches Magieverständnis. Deutungsversuche -<br />
genteil <strong>de</strong>r Raum <strong>de</strong>r Schöpfung, in <strong>de</strong>m<br />
sich die ›Fußspuren‹ Gottes allenthalben<br />
fin<strong>de</strong>n und ... auf ihren Schöpfer hin aus<strong>de</strong>uten<br />
lassen" 7 .<br />
Unter <strong>de</strong>m Mikrokosmos versteht Paracelsus<br />
<strong>de</strong>n Menschen, <strong>de</strong>r in sich alle Weltkräfte<br />
vereinigt, ein getreues Spiegelbild <strong>de</strong>s<br />
Makrokosmos und daher eine Welt für sich<br />
sei. Der Mensch entstammt <strong>de</strong>m Makrokosmos,<br />
hat aber seine eigene Individualität.<br />
Makrokosmos und Mikrokosmos sind<br />
ihrem Wesen nach gleich, weil sie <strong>bei</strong><strong>de</strong><br />
aus einem Hauch Gottes entstan<strong>de</strong>n.<br />
Prof. Dr. Lucien Braun (Straßburg) hält<br />
die Entsprechung von Makrokosmos und<br />
Mikrokosmos für ein wirkliches, <strong>de</strong>n Menschen<br />
mit seinem Schöpfer – und umgekehrt<br />
– verbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Band. Bei aller Individualität<br />
bedarf <strong>de</strong>r Mensch zu seiner<br />
Erhaltung <strong>de</strong>r Nahrung, die er aus Er<strong>de</strong><br />
und Himmel saugt. Paracelsus sagte: Der<br />
Mensch ernährt sich nicht allein von Brot<br />
(siehe Luk.4,4), son<strong>de</strong>rn auch von Bil<strong>de</strong>rn,<br />
Gedanken, von Gabe und Gna<strong>de</strong>. Für Paracelsus<br />
wird <strong>de</strong>r Mensch als Mikrokosmos<br />
durch die Wechselbeziehungen mit <strong>de</strong>m<br />
Makrokosmos zu einem Wesen mit kreativem<br />
Vermögen, das im Licht seines Schöpfers<br />
Sichtbares wie Unsichtbares vereinigt<br />
und zur IMAGINATION führt, zum bil<strong>de</strong>rlosen<br />
Sehen und <strong>de</strong>m davon abgeleiteten<br />
Wirken. Nur so könne <strong>de</strong>r Mensch mit<br />
seinem Schöpfer und im Sinne <strong>de</strong>s Schöpfers<br />
wirken. Dieses Wirken nennt Paracelsus<br />
MAGIE: »Die Magie ist die geheimste<br />
aller Künste und die größte Weisheit <strong>de</strong>r<br />
übernatürlichen Dinge auf Er<strong>de</strong>n... Daß<br />
Gott die Magie zuließ, ist ein Zeichen<br />
dafür, daß wir imstan<strong>de</strong> sind, sie zu ge-