50 Jahre Ingenieurbüro Böger + Jäckle - VSVI Schleswig-Holstein
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Modelle für die Wirklichkeit<br />
Vor der grafischen Ermittlung der Stützlinie eines Gewölbes wurde das unbekannte Tragverhalten<br />
durch die Form einer Kette modellhaft erfasst. So war es mit plattenförmigen Tragwerken,<br />
deren Berechnung lange fast unmöglich war, man konnte nur mit Versuchen an kleinen Nachbildungen<br />
die Schnittkräfte ermitteln.<br />
Im Rahmen einer Ausführungsplanung für ein schiefes, zweifeldriges Bauwerk ergab sich bald<br />
nach der Gründung des Büros die Möglichkeit, ja, die Notwendigkeit, die Schnittkräfte mit einem<br />
solchen Modellversuch zu ermitteln. Auf diesem Gebiet lagen, nicht nur aus der Tätigkeit im Büro<br />
Dr. Homberg, reiche Erfahrungen vor. Mit solchen Modellversuchen war es nicht nur möglich,<br />
die Momente einer Platte aus Flächen- und Einzellasten zu bestimmen, sondern es konnten<br />
auch Einflusslinien aufgenommen werden. Die Ingenieure konnten damit eine oft gar nicht vorhandene<br />
Linienlagerung im Modell durch Punktlager ersetzen und ihre Auflagerkräfte bestimmen,<br />
auch der Lastfall Stützensenkung war simulierbar. Bis zu dieser Leistungsfähigkeit der Modellstatik<br />
war es aber ein langer Weg. Anfangs, im Hagener Büro, hatte Fritz Leonhardt noch an<br />
der Durchsenkung einfacher Stabwerke die von Homberg errechneten Querverteilungszahlen<br />
zu überprüfen, doch wegen der großen Verformungen des Modells wurden nur annähernd vergleichbare<br />
Ergebnisse erzielt. Aus dem gleichen Grund waren die Versuche mit Krümmungsmessungen<br />
an Plattenmodellen aus Kunststoff streng genommen nicht exakt, hinzu kamen<br />
Kriecherscheinungen des Werkstoffs. Um die Verformungen des Modells geringer als die Materialstärke<br />
zu halten, wurde kreuzweise gewalztes Aluminium in bis zu drei Millimeter Stärke eingesetzt.<br />
Für die Messungen wurden Taster mit einem Tausendstel Millimeter Genauigkeit mit Basen<br />
von drei, fünf und sieben Zentimeter eingesetzt, um auch die Singularitäten erfassen zu können.<br />
Das Objekt ruhte in den Auflagerlinien in einem stabilen Stahlrahmen auf Schienen, an dem ursprünglich<br />
auch die Belastungsvorrichtung befestigt war. Für den Neustart der Hagener Ingenieure<br />
in Ulzburg wurde die Belastungsapparatur vom Rahmen getrennt, um alle vermeidbaren<br />
Erschütterungen auszuschalten, lag doch die Empfindlichkeit des Tasters bereits im Bereich der<br />
Oberflächenrauigkeit der Aluminiumplatte und die Messung selber in der Nähe derer Ebenflächigkeit.<br />
Beim Zuschnitt wurden dem Material auch Prüfstreifen in Längs- und Querrichtung<br />
entnommen. Während der weiteren Bearbeitung des Models (Auftragen der Mess und Belastungspunkte)<br />
wurden die als Einfeldbalken gelagerten Prüfstreifen in den 1/3-Punkten belastet<br />
und die Krümmung in Streifenmitte gemessen, um so den Bezug des gemessenen Biegemoments<br />
zur Krümmung herzustellen. Der Vollständigkeit halber wurde über die Krümmung in<br />
Querrichtung auch die Querdehnung bestimmt. Durch den Modellversuch waren letztlich für<br />
die verschiedenen Lastfälle in den ausgewählten Punkten die Hauptmomente (respektive die<br />
max. Krümmung) und ihre Richtung zu ermitteln. Nach den bekannten Bedingungen kann aus<br />
den Spannungen, Krümmungen oder Momenten der Maximalwert in drei Richtungen errechnet<br />
werden; mit einem etwas größerem Aufwand wurde aber hier die Krümmung in vier Richtungen<br />
gemessen und mit den jeweils um 90 Grad versetzten Werten bereits beim Messvorgang<br />
eine Kontrolle in sich geschaffen.<br />
Auf dieses anschauliche, plausible und nachvollziehbare Verfahren wurde hier etwas ausführlicher<br />
eingegangen, weil die Leistungsfähigkeit der bald verfügbaren Rechner die Möglichkeit<br />
boten, Platten mit finiten Elementen nachzubilden, theoretisch können jedoch endlich kleine<br />
22 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>