Möbel, Pendulen, Bronzen, Spiegel, Tapisserien ... - Koller Auktionen
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<strong>Möbel</strong> & Antiquitäten | <strong>Möbel</strong>, Uhren, <strong>Tapisserien</strong>, <strong>Bronzen</strong><br />
1093 (Detail)<br />
1093*<br />
PRUNK-PENDULE „L’ENLEVEMENT D’EUROPE“, Louis XV, das<br />
Modell von J.J. DE SAINT-GERMAIN (Jean-Joseph de Saint-Germain,<br />
Meister 1750), das Zifferblatt sign. J. LE ROY A PARIS (Julien II Le<br />
Roy, Meister 1713), Paris um 1745/55.<br />
Matt- und glanzvergoldete bzw. teils brünierte Bronze. Stehender Stier,<br />
auf dem Rücken das runde Uhrgehäuse mit Frauenfigur und Putto tragend,<br />
auf durchbrochenem Volutensockel mit 2 seitlichen Putti und<br />
Blumengirlanden. Emailzifferblatt mit römischen Stunden- und arabischen<br />
Minutenzahlen sowie Monatstagen und 3 Zeigern. Feines Messingwerk<br />
mit 1/2-Stundenschlag auf Glocke. Ausserordentlich feine, vergoldete<br />
Bronzebeschläge und -applikationen. 58x34x77 cm.<br />
Hochbedeutende Pendule von bestechender Qualität und Eleganz.<br />
Die hier angebotene Pendule stellt eine Variante des sowohl von J.J. de<br />
Saint-Germain als auch von R. Osmond gefertigten Modells der Europa<br />
auf dem Stier dar und besticht nicht nur durch die qualitativ hochwertige<br />
Ausführung, sondern auch durch ihre Grösse. H. Ottomeyer schreibt:<br />
„Damit steht die Pendule in dem für die Epoche charakteristischen<br />
Wechselspiel von Konkurrenzmodellen verschiedener Bronziers und fügt<br />
sich in den Kontext kunsthandwerklicher Erfindungen der Zeit.“<br />
Europa war die Tochter des Königs Agenor von Phönizien und eines der<br />
schönsten Mädchen ihrer Zeit. Zeus verliebte sich in sie. Er verwandelte<br />
sich in einen prächtigen Stier, verlockte Europa beim Spiel am Strand,<br />
seinen Rücken zu besteigen, und entführte sie nach Kreta, wo er einige<br />
Zeit mit ihr zusammen lebte. Sie gebar ihm drei Söhne, Minos,<br />
Rhadamanthys und Sarpedon.<br />
In Ovids Metamorphosen ist diese Szene wie folgt beschrieben (II, 848-<br />
870): „Nunmehr wird er ein Stier.../ Brüllt und spaziert, ein prächtiges<br />
Tier, auf dem Teppich der Wiese.../...Muskeln strotzen am Nacken, es<br />
hängt bis zum Buge der Wamme. Es staunt die Tochter Agenors,/ Wie er<br />
so prächtig stolziert und ohne mit Angriff zu drohen./ Aber so zahm er<br />
sich zeigt, sie scheut sich ihn zu streicheln;/ Doch bald naht sie und bietet<br />
Blumen dem glänzenden Haupte.“<br />
J.J. de Saint-Germain wurde 1719 in Paris geboren. Sein Vater Joseph war<br />
Ebenist, auf die Herstellung von Uhrgehäusen spezialisiert und im<br />
Faubourg-Saint-Antoine tätig; Angehörige der Verwandtschaft mütterli-<br />
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cherseits arbeiteten in Giesser-Berufen. Jean-Joseph war beides, Giesser<br />
und Uhrenbauer. Erst 1750 erhielt er die Meisterwürde, nachdem er lange<br />
keiner Zunft angehört hatte. Seine Mutter Marie-Thérèse stammte aus<br />
einer berühmten Giesserfamilie, der Gaspard Prieur angehörte und deren<br />
berühmtestes Mitglied Jean-Louis Prieur war. Die hohe Anzahl von<br />
Künstlerateliers im Faubourg-Saint-Antoine, die im Dienst aller Arten und<br />
Prozeduren der Luxusindustrie standen, macht J.J. de Saint-Germains<br />
Wahl seiner Wohnungen verständlich. 1745 wohnte er in der Rue de<br />
Charenton - wahrscheinlich in den Räumen, die er 1747 vom Eigentümer<br />
Pierre II Migeon mietete. Inventare, die 1779 nach dem Tod des Künstlers<br />
von der Witwe aufgenommen wurden, beschrieben das Innere seiner<br />
Wohnung als reicher, grossbürgerlich möblierter Haushalt; die Dokumente<br />
sagen auch etwas über seine Persönlichkeit aus. 1779 grenzte sein Kabinett<br />
an ein Laboratorium und enthielt Zeichnungen und Musikpartituren.<br />
Unter den Büchern seiner Bibliothek fanden sich die Schriften von<br />
Voltaire und Boileau, Geschichts- und Geographiewerke und solche über<br />
Mineralogie und Botanik. J.J. de Saint-Germain besass Sammlungen einheimischer<br />
und exotischer Pflanzensamen in mehr als dreitausend<br />
Glasgefässen, in der Orangerie und im Treibhaus befanden sich unzählige<br />
Topfpflanzen. Er sammelte auch Mineralien, Muscheln, Versteinerungen<br />
und präparierte Insekten. Die Bedeutung von de Saint-Germains<br />
Uhrgehäuse-Produktion erklärt die grosse Anzahl von Uhrmachern in seiner<br />
Kundschaft - von mehr als 70, aus Paris und aus der Provinz, hat man<br />
die Namen ausfindig machen können; darunter sind die wichtigsten<br />
Uhrmacher des 18. Jahrhunderts: J. Gudin, J.B. Dutertre, F. Viger, J.B.<br />
Baillon, M. Stollenwerck, J. und P. Leroy, J. Martin, J. Moisy, F.<br />
Berthoud, J.P. Manière, J. Roques, F. Ageron und viele andere.<br />
Zu J.J. de Saint-Germains Kunden gehörten die Duchesse d’Orléans, der Duc<br />
de Praislin, Marquis de Pange und Marquis d’Eaubonne, Monseigneurs de<br />
Billy und de Boulogne und Amelot de Gagny - ein reicher Financier, dessen<br />
Sammlungen zu den berühmtesten des 18. Jahrhunderts gehören. Der französische<br />
Königshof kaufte diverse <strong>Pendulen</strong>, von denen drei dank der Inventare<br />
des „Garde-Meuble“ und des „Mobilier des Princes“ mit Sicherheit zu identifizieren<br />
sind. Die erste ist eine „pendule de cheminée en bronze doré d’or<br />
moulu, sur une terrasse représentant l’enlèvement d’Europe, le taureau coleur<br />
de bronze antique, une nymphe et un amour“. Die zweite ist eine „pendule à<br />
carillon représentant Rinocéros portant la pendule et posé sur un coffre<br />
d’ébénisterie plaqué garni de bronze doré d’or moulu“-wahrscheinlich handelt<br />
es sich hierbei um jene Pendule, die der Duchesse d’Orléans gehörte und von<br />
ihrem Sohn mit dem Schloss Saint-Cloud 1785 dem König verkauft wurde.<br />
Die dritte Pendule war persönlicher Besitz der Königin Marie-Antoinette und<br />
ist durch das von Robin im Jahr II angelegten Inventar bekannt. Es handelt<br />
sich um eine „pendule portée par un Rinocéros, posé sur terrasse doré en<br />
ormoulu, l’animal noir de fumé portant sur son dos un tambour dans lequel est<br />
le mouvement à sonnerie du nom de J.B. Baillon“.<br />
J. Le Roy stammte aus einer wichtigen Dynastie „d’horlogers“ und gehörte zu<br />
den bedeutendsten Uhrmachern des 18. Jahrhunderts. Durch neue mechanische<br />
Erfindungen wurden die Uhrwerke von ihm perfektioniert und weiterentwickelt.<br />
Seine Zeitgenossen, wie z.B. G. Graham, P.P. Gudin und P. Gaudron,<br />
lobten die Erfindungsgabe dieses Meisters. Louis XV gab ein Cartel und zwei<br />
Uhren „à répétition“ in Auftrag, „qui sont les premières qui aient été faites avec<br />
cette propriété: c’est que Sa Majesté peut elle-même en démonter les quadrans<br />
pour voir les machines à découvert“. Das Atelier Le Roy machte nicht nur<br />
viele Erfindungen wie z.B. „la bâte levée“ und astronomische Werke, sondern<br />
fertigte auch eine Vielzahl sogenannt „klassischer“ <strong>Pendulen</strong>, die allesamt mit<br />
Uhrwerken von hoher Qualität versehen waren. Die heutige Forschung geht<br />
davon aus, dass sich die Anzahl solcher <strong>Pendulen</strong> auf etwa 300 belief. Le Roy<br />
arbeitete mit A.C. Boulle, J. Caffiéri, C. Cressent, H. Le Coq, N.J.<br />
Marchand, J.P. Latz, A. Dubois, A. Foullet, A. Gosselin, B. Lieutaud, J.J. de<br />
Saint-Germain und R. Osmond zusammen. Zu seiner illustren Kundschaft<br />
gehörten unter anderem die Königsfamilie, der Duc d’Orléans, die „Princes et<br />
Princesses de la Cour“ und der Kardinal de Fleury.<br />
Lit.: H. Ottomeyer / P. Pröschel, Vergoldete <strong>Bronzen</strong> - Die<br />
Bronzearbeiten des Spätbarock und Klassizismus, München 1986; I, S.<br />
122-125 (mit Abb. verschiedener analoger <strong>Pendulen</strong>) und II, S. 521-535<br />
(biogr. Angaben zu Saint-Germain). J.D. Augarde, Les ouvriers du temps,<br />
Genf 1996; S. 356f. (biogr. Angaben zu Le Roy). H.L. Tardy, Dictionnaire<br />
des horlogers français, Paris; S. 394f. (biogr. Angaben zu Le Roy).<br />
CHF 85 000.- / 125 000.-<br />
(€ 63 430.- / 93 280.-)