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Grundrechte - Marcel Küchler

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Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />

4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />

• Verfahren (in den Verfahren ist allen Beteiligten eine Stimme zu geben und in die Güterabwägung<br />

einzubeziehen);<br />

• Kindeswohl (Schutz vor Gefährdung der physischen und psychischen Integrität);<br />

• „Ausstieg“ (Ist der freiwillige Ausstieg aus der betreffenden religiösen Gruppierung möglich?).<br />

BGE 113 Ia 304 (Islamischer Gottesdienst)<br />

Der Häftling Ahmed S. stellte 1987 an die Direktion der Strafanstalt Regensdorf das Gesuch,<br />

es sei 19 Gefangenen islamischer Religion zu gestatten, jeweils am Freitag einen gemeinsamen<br />

Gottesdienst abzuhalten. Die Gefängnisdirektion lehnte das Gesuch ab; der Rekurs an<br />

die kantonale Justizdirektion blieb ebenfalls erfolglos. Ahmed S. wendete sich an das Bundesgericht.<br />

Die Insassen der Strafanstalt Regensdorf setzten sich 1986 gegliedert nach Konfessionen wie<br />

folgt zusammen:<br />

Reformierte 53<br />

Katholiken 119<br />

Griechisch-Orthodoxe 7<br />

Moslem 40<br />

Juden 2<br />

Hindus 8<br />

Konfessionslose 22<br />

Die Gefängnisdirektion argumentierte, den beiden christlichen Religionen habe sie die Ausübung<br />

ihrer Gottesdienste deshalb erlaubt, weil diese anerkannte Religionen seien.<br />

• Für die Einschränkung der Kultusfreiheit besteht kein oder nur ein geringes öffentliches<br />

Interesse. Der Eingriff wäre zudem Unverhältnismässig.<br />

• Das besondere Rechtsverhältnis ist kein Grund jegliche <strong>Grundrechte</strong> einzuschränken.<br />

2.3 Politische <strong>Grundrechte</strong><br />

2.3.1 Petitionsrecht (Art. 33 [57] BV)<br />

MÜLLER, <strong>Grundrechte</strong>, 384 ff. [179 ff.]; Art. 20 KV-BE.<br />

Die Petitionsfreiheit beinhaltet das Recht, sich individuell oder kollektiv mit Bitten,<br />

Vorschlägen, Kritiken oder Beschwerden an eine Behörde zu wenden und von ihr gehört<br />

zu werden (Pflicht zur Kenntnisnahme durch die Behörde), ohne deswegen Nachteile befürchten<br />

zu müssen (unzulässig sind sowohl präventive wie repressive Massnahmen).<br />

Das Petitionsrecht (auf Bundesebene auch das individuelle, wobei es hierfür keinen denkbaren Anwendungsfall<br />

gibt) ist einschränkbar, insbesondere soweit es um das Sammeln von Unterschriften<br />

auf öffentlichem Grund geht (gesteigerter Gemeingebrauch, vgl. oben 2.1.2). Der<br />

Kerngehalt umfasst jedenfalls das Recht, individuelle Petitionen in schriftlicher Form<br />

an die zuständige Behörde zu richten.<br />

BGE 109 Ia 208 (Petition Champ-Dollon)<br />

Die „Groupe Action Prison Genève“ (GAP) verlangte vom Genfer Justiz- und Polizeidepartement<br />

die Bewilligung für die Sammlung von Unterschriften. Die GAP wollte damit eine<br />

Petition an die zuständige Aufsichtsbehörde unterstützen, mit der die Insassen von Champ-<br />

Dollon eine Verbesserung der Haftbedingungen im Gefängnis verlangten. Die Unterschriften<br />

sollten bei Besuchern der Häftlinge während einer Woche auf dem Besucherparkplatz vor<br />

dem Gefängniseingang gesammelt werden. Das Gesuch der GAP wurde vom Genfer Justiz-<br />

und Polizeidepartement und dann auf Beschwerde hin auch vom Genfer Regierungsrat abgewiesen.<br />

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