20.07.2013 Aufrufe

Grundrechte - Marcel Küchler

Grundrechte - Marcel Küchler

Grundrechte - Marcel Küchler

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />

4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />

BGE 101 Ia 384 (Doppelbesteuerung)<br />

X. verlegte auf den 1. Mai 1971 seinen Wohnsitz vom Kanton Thurgau in den Kanton St.<br />

Gallen. Im Verlaufe des Jahres 1971 kaufte X. zwei Liegenschaften im Kanton Thurgau. Der<br />

Kanton St. Gallen besteuert X. nach Massgabe der Verhältnisse, wie sie bei seinem Zuzug in<br />

den Kanton St. Gallen am 1. Mai 1971 gegeben waren. Der Kanton Thurgau besteuert das in<br />

die Liegenschaften im Kanton Thurgau investierte Vermögen und seinen Ertrag.<br />

Das Verbot der Doppelbesteuerung hat das BGer aus dem Art. 127 III [46 II] BV abgeleitet.<br />

Wahrscheinlich vor allem deshalb, weil der Gesetzgeber dem Gesetzgebungsauftrag auch<br />

nach fast 100 Jahre nicht nachzukommen geruhte. (Dabei handelt es sich nicht nur um Interpretation<br />

der Verfassung, das BGer war hier wohl auch rechtschöpferisch tätig.)<br />

B) Kantonsverfassungen<br />

Da Art. 189 I lit. a [113 I Ziff. 3] BV das BGer nicht auf die <strong>Grundrechte</strong> der Bundesverfassung<br />

beschränkt, prüft es auch die Verletzung verfassungsmässiger Rechte der<br />

Kantonsverfassungen (MÜLLER, Einleitung, 4).<br />

Zunächst prüft das BGer, welches die verfassungsmässigen Rechte der jeweiligen KV<br />

sind. Diese müssen von den rein technischen oder organisatorischen Verfassungsbestimmungen<br />

abgegrenzt werden können. Das Kriterium hierfür ist der Schutz, den eine<br />

Bestimmung für private Individuen vorsieht (MÜLLER, Einleitung, 7).<br />

BGE vom 14. Feb. 1990, in: ZBl. 1991, S. 260 ff. (Minderheitenschutz LU)<br />

Bei der Volkswahl der 170 Mitglieder des Grossen Rates im Mai 1987 beteiligte sich das<br />

Grüne Bündnis Luzern erstmals an den kantonalen Parlamentswahlen und erzielte auf Anhieb<br />

11 Sitze. Im April 1989 fanden im Grossen Rat die Gesamterneuerungswahlen der kantonalen<br />

Gerichte, der Schätzungskommission, der Staatsanwälte und des Bankrats der Luzerner<br />

Kantonalbank statt. Dabei waren insgesamt 111 Ämter zu besetzen. Das Grüne Bündnis stellte<br />

für verschiedene Posten insgesamt 10 Kandidaten auf, davon wurde einer als nebenamtlicher<br />

Verwaltungsrichter gewählt. In einer Ergänzungswahl vom Mai 1989 wurde ferner ein<br />

Kandidat des Grünen Bündnisses zum Ersatzverwaltungsrichter gewählt.<br />

Das Grüne Bündnis wehrt sich wegen Verletzung von Art. 96 KV Luzern beim Bundesgericht.<br />

Art. 96 KV Luzern (Berücksichtigung der politischen Minderheiten):<br />

Bei der Bestellung des Regierungsrates, des Erziehungsrates, der Gerichte und der<br />

Kommissionen des Grossen Rates ist auf die Vertretung der politischen Parteien angemessen<br />

Rücksicht zu nehmen, ebenso bei der Bestellung der Gemeinderäte und der<br />

Gemeindeausschüsse der Einwohner- und Bürgergemeinden, in denen diese Behörden<br />

nicht nach dem Verhältniswahlverfahren gewählt werden.<br />

Im Falle der „klassischen“ <strong>Grundrechte</strong> sind die Bestimmungen in Kantonsverfassungen<br />

nur insoweit von selbständiger Bedeutung als sie über die Rechte der Bundesverfassung<br />

hinausgehen (vgl. z.B. Art. 13 II KV-BE, der auch eheähnliche Formen des Zusammenlebens<br />

schützt und damit über Art. 14 [54] BV hinaus geht; ebenso geht Art. 29 KV-BE über das vom<br />

BGer geschaffene Recht auf Existenzsicherung [jetzt Art. 12 BV] hinaus).<br />

Die Kantone spielten und spielen oft eine Vorreiterrolle bezüglich neuer <strong>Grundrechte</strong>.<br />

C) Völkerrecht (Anhang: Staatsverträge / Völkerrecht)<br />

Menschenrechtsgarantien des Völkerrechts behandelt das BGer wie verfassungsmässige<br />

(Grund-) Rechte. Soziale Menschenrechte (z.B. das Recht auf unentgeltlichen Universitätsausbildung,<br />

vgl. unten zu BGE 120 Ia 1) sind nur soweit durchsetzbar als sie direkt anwendbares<br />

Recht bilden und nicht nur einen Auftrag zur Gesetzgebung enthalten.<br />

5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!