Grundrechte - Marcel Küchler
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Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />
4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />
Behördenmitgliedern kann die öffentliche Äusserung privater Meinungen zu Abstimmungsthemen<br />
nicht untersagt werden. Sie dürfen der Meinungsäusserung allerdings keinen<br />
behördlichen „Anstrich“ geben, damit nicht der Eindruck entsteht, es handle sich um<br />
eine offizielle Verlautbarung der Behörde (TSCHANNEN, Eidgenössisches Organisationsrecht,<br />
Bern 1997, 345 f. [zit. TSCHANNEN, Organisationsrecht]).<br />
• in einem kurz vor dem Abstimmungstag in der Wochenzeitung veröffentlichten Artikel<br />
unsachliche und übertriebene Behauptungen erhoben worden sind;<br />
Abstimmungspropaganda Privater ist nur dann unzulässig, wenn sachlich unbegründete<br />
bzw. falsche Argumente unmittelbar vor der Abstimmung verbreitet werden, sodass keine<br />
Gegendarstellung mehr möglich ist (TSCHANNEN, Organisationsrecht, 347 f.).<br />
• im Fernsehen DRS ebenfalls kurz vor dem Termin eine Sendung ausgestrahlt wurde,<br />
die sich praktisch ausschliesslich mit den Argumenten der Befürworter befasste. Der<br />
Kantonsrat weis die Beschwerde ab, worauf die Beschwerdeführer mit staatsrechtlicher<br />
Beschwerde ans Bundesgericht gelangten.<br />
Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben eine gewisse Zurückhaltung und Ausgewogenheit<br />
zu beachten (Art. 93 [55 bis ] BV; TSCHANNEN, Organisationsrecht, 349 f.).<br />
2.4 Privatsphäre, Familie, Sexualität<br />
2.4.1 Recht auf Leben (Art. 10 I BV)<br />
MÜLLER, <strong>Grundrechte</strong>, 12 ff. [32 ff.]<br />
Das Grundrecht verbietet dem Staat, den Tod eines Menschen gegen dessen Willen gezielt<br />
oder in absehbarer Weise herbeizuführen. Der Tod eines Menschen darf nie das<br />
primäre Ziel einer staatlichen Handlung sein. Insofern ist jeder absichtliche Eingriff in<br />
das Recht auf Leben eine Verletzung des Kerngehalts diese Grundrechts; eine Abwägung<br />
findet nicht statt.<br />
Dagegen kann es zulässig sein, zum Schutz des Lebens eines Menschen, der von einem<br />
Dritten mit dem Tod bedroht wird, das Risiko einzugehen, den Dritten zu töten. Diese<br />
Risiko darf umso grösser sein, je mittelbarer die Todesgefahr des Bedrohten ist.<br />
Wunderheiler<br />
X., ein siebenjähriges Mädchen, leidet an einem bösartigen Tumor. Eine Chemotherapie ist in<br />
solchen Fällen in immerhin 50% der Fälle erfolgreich (d.h. der Patient/die Patientin überlebt);<br />
allerdings ist die Belastung während der Behandlung äusserst gross. Die Eltern von X. entschliessen<br />
sich daher, den Tumor mit Hilfe eines „Wunderheilers“ zu bekämpfen, und weigern<br />
sich, X. einer Chemotherapie zu unterziehen. Die Behörden intervenieren und<br />
erzwingen die Behandlung des Kindes.<br />
Art. 2 EMRK garantiert das Recht auf Leben. Vorsätzliche Tötung durch den Staat ist (ausser<br />
bei Todesstrafe) verboten. Art. 2 EMRK ist jedoch nicht Teilgehalt der persönlichen Freiheit<br />
[vgl. jetzt aber Art. 10 I BV].<br />
2.4.2 Persönliche Freiheit (Art. 10 II/13 II BV)<br />
MÜLLER, <strong>Grundrechte</strong>, 7 ff. [6 ff.]<br />
A) Schutz der physischen Integrität<br />
• Recht auf Leben (Art. 10 I BV);<br />
• Verbot von Folter, Körperstrafen und unmenschlicher Behandlung (Art. 10 III<br />
BV);<br />
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