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Grundrechte - Marcel Küchler

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Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />

4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />

besteht. Z.B. BGE 119 Ia 445 („Circus Gasser I“, vgl. S. 18) würde wohl immer noch gleich<br />

entschieden.<br />

BGE 120 Ia 236<br />

Das Gesetz der Gemeinde V. über die öffentlichen Ruhetage vom 7. Dezember 1986 (Ruhetagsgesetz,<br />

RG) schreibt vor, dass die Läden an öffentlichen Ruhetagen (d.h. an Sonn- und<br />

Feiertagen) geschlossen zu halten sind (Art. 3 Abs. 2 RG). Eine Ausnahme gilt nach Art. 5<br />

Abs. 2 RG für Bäckereien und Konditoreien, welche an öffentlichen Ruhetagen bis 12.00 Uhr<br />

geöffnet sein dürfen. Sonderregelungen sind in Art. 5 Abs. 3-5 RG auch für Apotheken, Kioske,<br />

Blumengeschäfte und Sportgeschäfte vorgesehen. Nach Art. 6 RG kann der Gemeindevorstand<br />

in Ausnahmefällen auf ein speziell begründetes Gesuch einer Berufsgruppe hin<br />

weitergehende Sonderbewilligungen erteilen.<br />

Eine vom Gemeindevorstand vorgeschlagene Teilrevision des Ruhetagsgesetzes, wonach unter<br />

anderem Bäckereien und Konditoreien an öffentlichen Ruhetagen die Offenhaltung von<br />

06.00 bis 18.00 Uhr gestattet sein sollte, wurde von den Stimmbürgern am 27. September<br />

1992 abgelehnt.<br />

S. führt in der Gemeinde V. eine Bäckerei /Konditorei. Weil er sein Verkaufsgeschäft in den<br />

Monaten Januar bis März 1993 unerlaubterweise jeweils auch am Sonntagnachmittag geöffnet<br />

hatte, wurde er vom Gemeindevorstand am 26. März 1993 wegen wiederholter vorsätzlicher<br />

Verletzung des Ruhetagsgesetzes mit Fr. 600.-- gebüsst. S. rekurrierte an das<br />

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und brachte vor, das Tea Room des Dorfes,<br />

dem eine Bäckerei angegliedert sei, unterläge nicht der Beschränkungen und verkaufe bis<br />

18.00 Uhr Backwaren über die Gasse.<br />

Das Verwaltungsgericht wies den Rekurs am 7. September 1993 ab, worauf S. das Urteil an<br />

das Bundesgericht weiterzog.<br />

Der Bäcker rügte eine Ungleichbehandlung von direkten Konkurrenten. Zwar erscheine diese<br />

sachlich gerechtfertigt, denn es sei betriebswirtschaftlich wenig sinnvoll, dem Tea Room<br />

den Verkauf über die Gasse ab 12.00 zu verbieten, wenn die zugehörige Backstube sowieso<br />

für den Tea Room-Betrieb am Laufen gehalten werden müsse.<br />

Das BGer befand allerdings, dass hier, weil es sich um die gleiche Branche, das gleiche Angebot<br />

und das gleiche Publikum handle, die Bevorzugung (das Tea Room kann mehr Profit<br />

erzielen) bzw. die Benachteiligung nicht gerechtfertigt sei. Es müsste ausser dem sachlichen<br />

zusätzlich ein der Notwendigkeit entspringender Grund vorliegen, was nicht gegeben sei.<br />

Die Frage, ob das Tea Room allenfalls ohne den Nachmittagsverkauf nicht überleben könne,<br />

dürfen die Behörden nicht stellen, gerade dies, die Bevorzugung eines Betriebes zulasten eines<br />

andern, wäre unzulässige Wirtschaftspolitik.<br />

2.8.4 Koalitionsfreiheit (Art. 28 BV)<br />

MÜLLER, <strong>Grundrechte</strong>, 349 ff.<br />

Die Koalitionsfreiheit schützt die ungehindert Bildung und Tätigkeit von Vereinigungen<br />

der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dem Ziel, die Arbeitsbeziehungen kollektiv<br />

zu regeln.<br />

Die Koalitionsfreiheit stellt sicher, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer so kollektiv<br />

organisieren können, dass sie zu gemeinsamer Aushandlung und vertraglicher Festsetzung<br />

von Arbeitsbedingungen fähig sind.<br />

A) Individuelle Koalitionsfreiheit<br />

Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst das Recht jeder Person, eine Arbeitnehmer-<br />

oder Arbeitgeberorganisation zu gründen, ihr beizutreten, ihr fernzubleiben, aus ihr<br />

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