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Grundrechte - Marcel Küchler

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Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />

4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />

bisherigen restriktiven Praxis abzurücken. 6 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen<br />

sich deshalb auf die Willkürbeschwerde wie sie auch unter der alten Verfassung betrachtet<br />

wurde:<br />

Das Willkürverbot ist subsidiärer Auffangtatbestand bei staatlichen Eingriffen, gegen<br />

die kein anderes Grundrecht angerufen werden kann. Wer von einem staatlichen Eingriff<br />

ausserhalb des Schutzbereichs besonderer <strong>Grundrechte</strong> oder des allgemeinen<br />

Gleichheitssatzes betroffen wird, hat jedenfalls Anspruch darauf, nicht willkürlich behandelt<br />

zu werden. Für die Willkürbeschwerde gelten andere Regeln (ein anderes Prüfschema)<br />

als bei den Freiheitsrechten, es bedarf keiner Abwägung zwischen<br />

verschiedenen Interessen – ein Eingriff ist entweder willkürlich, oder er ist es nicht. Die<br />

Frage, ob Willkür vorliegt, wird immer auf den Einzelfall bezogen.<br />

Zudem hebt das Bundesgericht einen staatlichen Akt grundsätzlich nur auf, wenn sein<br />

Ergebnis gegen das Willkürverbot verstösst; eine unhaltbare Begründung hingegen<br />

reicht noch nicht aus, wenn sich dieses Ergebnis auch vernünftig begründen liesse.<br />

Man unterscheidet Willkür in der Rechtsetzung (inhaltlich willkürliches Gesetz) und in der<br />

Rechtsanwendung (willkürliche Auslegung eines Gesetzes):<br />

B) Willkür in der Rechtsanwendung:<br />

Gemäss bundesgerichtlicher Praxis ist nicht jede falsche Auslegung und Anwendung<br />

von Rechtsnormen willkürlich, sondern nur jene, welche „offensichtlich unhaltbar ist,<br />

mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen<br />

Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken<br />

zuwiderläuft.“ (BGE 112 Ia 122)<br />

Im Gegensatz zur Rüge der Verletzung anderer <strong>Grundrechte</strong> fordert die Praxis des<br />

Bundesgerichts bei der Willkürbeschwerde im Bereich der Rechtsanwendung (nicht<br />

aber bei der Rechtsetzung), der Beschwerdeführer müsse zunächst dartun, dass die Behörde<br />

einen Rechtssatz verletzt habe, der gerade den Schutz des Beschwerdeführers bezwecke;<br />

nur unter dieser Beschränkung ist die Rüge zulässig, dieser Rechtssatz sei<br />

geradezu willkürlich angewendet worden.<br />

Willkür wird bejaht bei<br />

• offensichtlich schwerer Verletzung einer Norm (z.B. Abweichen vom klaren Wortlaut ohne<br />

triftige Gründe);<br />

• sachlich unhaltbarer Ermessensausübung, Ermessensmissbrauch;<br />

• offensichtlicher Verletzung eines klaren, unumstrittenen Rechtsgrundsatzes;<br />

• schweren Verstössen gegen den Gerechtigkeitsgedanken;<br />

• klarer Tatsachenwidrigkeit (z.B. im Widerspruch zu anerkannten Beweismitteln);<br />

• tiefgreifender Widersprüchlichkeit.<br />

Die Prüfung eines Akts der Rechtsanwendung unter dem Gesichtspunkt eines spezifischen<br />

Grundrechts umfasst stets auch Aspekte des Willkürverbots: Bei leichten Grundrechtseingriffen<br />

wird die Auslegung kantonalen Rechts auf ihre Vereinbarkeit mit dem<br />

6 Vgl. NZZ Nr. 83 vom 07.04.2000, S. 13.<br />

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