Grundrechte - Marcel Küchler
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Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />
4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />
habe, ... [A]us Sicht des Bundesgerichts [ist] ‚unübersehbar‘, dass die Interessen seines Klienten im<br />
parallelen Verfahren mit den Interessen einer der Parteien im beurteilten Streit gleichgerichtet sind. ...<br />
‚Diese Konstellation ist mit der vom Richter geforderten Unvoreingenommenheit offensichtlich nicht<br />
vereinbar‘, meint das Bundesgericht und bejaht die Befangenheit des Richters. ‚Es wäre sogar realitätsfremd<br />
anzunehmen, es sei jemand in einer solchen Lage befähigt, als Richter von den gleichgerichteten<br />
Interessen der von ihm als Anwalt vertretenen Partei völlig zu abstrahieren.‘“ NZZ vom 12.6.98,<br />
Nr. 133, S. 14.<br />
BGE 124 I 255<br />
„Wo eine staatliche Behörde auf Grund der Regelung im kantonalen Recht als richterliches Organ zu<br />
betrachten ist, muss auch deren Schreiber oder Protokollführer unabhängig und unvoreingenommen im<br />
Sinne der Bundesverfassung (Art. 58) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6) sein. ...<br />
Der Anspruch auf ein unabhängiges Gericht erstreckt sich ... ‚grundsätzlich auch auf die Person des<br />
Gerichtsschreibers bzw. des Protokollführers‘. Dies gilt nach der Praxis des Bundesgerichts und der<br />
Strassburger Menschenrechtsorgane in besonderem Mass, wenn der Protokollführer juristisch ausgebildet<br />
ist und im Rahmen einer teilweise aus Laien bestehenden richterlichen Instanz beratende Stimme<br />
hat: ‚Anders zu entscheiden hiesse, den Anspruch auf ein unabhängiges Gericht zu unterlaufen, zumal<br />
der Protokollführer in den genannten Fällen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Willensbildung<br />
der richterlichen Behörde ausüben kann‘ (vgl. BGE 115 Ia 224 E.7b). ...“ NZZ vom 20.8.98,<br />
Nr. 191, S. 13.<br />
122 I 294<br />
Die Stimmberechtigten der Gemeinde Muri verabschiedeten mit Urnenabstimmung vom<br />
6.6.1993 die zweite Etappe der Ortsplanrevision. Damit wurde das Grundstück der Erben<br />
Marcuard der Bauzone mit der Bezeichnung „Zone mit Planungspflicht Aarwil“ zugeteilt.<br />
Das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung genehmigte diese Zonenordnung. Auf<br />
Beschwerde einer Nachbarin verweigerte die Justiz-, Polizei und Kirchendirektion des Kantons<br />
Bern die Genehmigung. Art. 61a Abs. 3 lit. a des kantonalen Baugesetzes eröffnet die<br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das bernische Verwaltungsgericht für jene Fälle, für welche<br />
Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht verlangt. Das von<br />
den Erben angerufene Verwaltungsgericht trat auf die Beschwerde jedoch nicht ein, da es<br />
sich vorliegend nicht um eine Auseinandersetzung über konkrete Einbussen bestehender Nutzungsrechte<br />
bzw. Rechtsverluste handle und somit kein civil right i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK<br />
betroffen sei.<br />
Der Schutz von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bezieht sich auf alle Strafprozesse und zivilrechtlichen<br />
Ansprüche und Verpflichtungen (engl. civil rights). Umstritten ist, welche Bereiche des Verwaltungsrechts<br />
ebenfalls unter den Schutz von Art. 6 EMRK fallen, weil sie zivilrechtliche<br />
Ansprüche im Sinne der civil rights betreffen.<br />
Zunächst sind dies zweifellos Eingriffe in das Eigentum; unklar hingegen ist die Lage bei<br />
Eingriffen in sonstige Vermögensrechte. (Der Entzug einer Konzession z.B. tangiert die Möglichkeit<br />
der Berufsausübung und insofern die Wirtschaftsfreiheit, weshalb dieser Fall ebenfalls<br />
im Schutzbereich liegt.)<br />
Nicht darunter fallen die klassischen hoheitlichen Tätigkeiten, bei denen der Einzelne dem<br />
Staat in einem Subordinationsverhältnis gegenübersteht (z.B. Steuerrecht, Fremdenpolizeirecht).<br />
Im vorliegenden Fall sah das BGer allein schon die Möglichkeit der Einbusse künftiger Nutzungsrechte<br />
als genügend an, um den Schutz von Art. 6 EMRK zu gewähren.<br />
2.6.3 Prozessuale <strong>Grundrechte</strong> (Art. 29 BV)<br />
MÜLLER, <strong>Grundrechte</strong>, 493 ff. [261 ff.]<br />
Die Verfahrensgarantien aus Art. 29 BV, die für alle Prozesse und Verfahren gelten (früher<br />
abgeleitet aus Art. 4 I der alten BV):<br />
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