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Grundrechte - Marcel Küchler

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Prof. Dr. Walter Kälin SS 1998<br />

4., überarbeitete Version 2001 <strong>Grundrechte</strong><br />

Willkürverbot überprüft; bei schweren Eingriffen erfolgt eine „freie Prüfung“, wodurch<br />

dem Willkürverbot in jedem Fall Genüge getan wird.<br />

BGE 104 Ia 187<br />

Der im Jahr 1955 geborene X. leistete einem Aufgebot für den am 10.1.1977 beginnenden<br />

Wiederholungskurs keine Folge und wurde deshalb am 3.5.1977 vom Divisionsgericht 12 der<br />

Dienstverweigerung i.S. von Art. 81 Ziff. 2 MStG schuldig gesprochen und zu drei Monaten<br />

Gefängnis, vollziehbar in den Formen der Haftstafe, verurteilt, unter Gewährung des bedingten<br />

Strafvollzuges; ferner wurde er aus dem Heer ausgeschlossen. Ihm wurde ein Handeln<br />

aus einer religiös-ethischen Überzeugung und aus Gewissensnot zugebilligt.<br />

X. hattte eine Lehre beim Grundbuchamt Landquart absolviert und vom 1.5.1974 bis zum<br />

31.3.1977 beim Grundbuchinspektorat des Kantons Graubünden als Bereinigungsbeamter<br />

gearbeitet. Das Angestelltenverhältnis wurde mit Rücksicht auf die Verweigerung des Militärdienstes<br />

aufgelöst.<br />

X. meldete sich zu der für den Mai 1978 vorgesehenen Prüfung zur Erlangung des Fähigkeitsausweises<br />

der Grundbuchverwalter (Patentprüfung) an. Die Regierung des Kantons<br />

Graubünden entschied am 12.6.1978, X. sei zur Prüfung nicht zuzulassen, da X. wegen seiner<br />

Verurteilung nicht über den erforderlichen guten Leumund verfüge.<br />

Nach kantonalem Gesetz braucht es einen guten Leumund, über den der Betroffene aber<br />

nicht verfüge. Als Auffanggrundrecht bleibt in einem solchen Fall nur das Willkürverbot. Das<br />

BGer bejahte Willkür aufgrund von Tatsachenwidrigkeit (wer einer staatsbürgerlichen<br />

Pflicht nicht nachkommt, belegt damit nicht, dass er das grundsätzlich nicht tut) und schwerer<br />

Verletzung einer Norm (bei der Auslegung wurde zu stark auf die Art der Pflichtverletzung<br />

abgestellt; die Praxis des Kantons betrachtete nur bestimmte Verletzungen als leumundschädigend).<br />

BGE 115 Ia 120<br />

Der Werbeverantwortliche einer Walliser Warenhauskette liess in einer Tageszeitung ein Inserat<br />

erscheinen, dessen Titel folgendermassen lautete: Die neuen Geräte sind angekommen.<br />

Sensationelle Preise auf den alten Modellen!<br />

Das Inserat zeigte vier Geräte und enthielt einen Bon im Wert von Fr. 20, der beim Kauf eines<br />

dieser Auslaufmodelle eingelöst werden konnte. Der Werbeverantwortliche wurde daraufhin<br />

wegen Verstoss gegen Art. 3 Abs. 2 des Gewerbepolizeigesetzes gebüsst. Diese<br />

Bestimmung lautet:<br />

Des unlauteren Geschäftsgebahrens (...) macht sich schuldig:<br />

(...)<br />

wer sich, um den Absatz einer Ware oder eines Produktes zu begünstigen, des<br />

„Schneeball-, Ketten- oder Lawinen-Systems“ oder anderer ähnlicher Lockmittel<br />

bedient oder wer Personen, die einen Kauf getätigt oder irgendeine Leistung erbracht<br />

haben, zufällige Vorteile (Prämien, Gutscheine, Lose usw.) gewährt; (...)<br />

Eine gegen diese Verurteilung gerichtete Beschwerde an den Walliser Staatsrat wurde abgewiesen.<br />

Der Werbeverantwortliche führte gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde.<br />

Ein Bon in einer Zeitung ist kein „zufälliger Vorteil“. Es handelt sich um eine klare Abweichung<br />

vom Wortlaut der Norm (Art. 3 GPG). Die Norm wurde in ihrer Zielsetzung verletzt:<br />

sie will nicht Rabatte sondern Glücksspiele verhindern.<br />

BGE 113 Ia 12<br />

Der Sozialhilfeempfänger E. wurde in Basel wegen gewerbsmässigen Diebstahls und wiederholten<br />

und fortgesetzten Konsums von Betäubungsmitteln in Strafuntersuchung gezogen.<br />

Die Staatsanwaltschaft beantragte, ihn mit zehn Monaten Gefängnis zu bestrafen. Am 29.<br />

August 1986 ersuchte E. um Bewilligung der Offizialverteidigung. Der Strafgerichtspräsident<br />

lehnte das Gesuch mit Verfügung vom 1. September 1986 ab. Eine dagegen erhobene Be-<br />

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