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Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

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ARCHIVE UND POLITIK<br />

INTERNATIONALES<br />

ARCHIVSYMPOSION<br />

IN MÜNSTER 2009<br />

Das jährliche Symposion <strong>für</strong> Führungskräfte von <strong>Archive</strong>n aus<br />

Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland (Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

und Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong>) fand 2009 auf E<strong>in</strong>ladung<br />

des Landesarchivs Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong> am 15./16. Juni <strong>in</strong> dessen<br />

Technischem Zentrum <strong>in</strong> Münster-Coerde statt. Das Leitthema<br />

lautete „<strong>Archive</strong> und Politik“.<br />

In se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>führungsvortrag stellte Johannes Kistenich (Landesarchiv<br />

NRW) den Tagungsort vor, der selbst Resultat e<strong>in</strong>er zielgerichteten<br />

Entscheidung der nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen Landesregierung<br />

war. Die auf Sparflamme kochende Bestandserhaltung<br />

der staatlichen <strong>Archive</strong> <strong>in</strong> NRW sollte seit 2003 systematisch<br />

erweitert und große Rückstände abgearbeitet werden. Angesichts<br />

der gestiegenen Bedeutung der Bestandserhaltung <strong>in</strong> der jüngeren<br />

Vergangenheit war die E<strong>in</strong>richtung des Technischen Zentrums<br />

e<strong>in</strong>e wegweisende Entscheidung. Kistenich konnte deshalb e<strong>in</strong>e<br />

selbstbewusste Bilanz der Arbeit <strong>in</strong> Coerde seit der offiziellen<br />

Eröffnung im Januar 2006 ziehen.<br />

Unter der Leitung von Norbert Tiemann, Chefredakteur der<br />

„Westfälischen Nachrichten“ <strong>in</strong> Münster, diskutierten unter dem<br />

Motto „Politik trifft <strong>Archive</strong>“ Vertreter der Politik und der <strong>Archive</strong><br />

aus den vier Ländern die gegenseitigen Ansprüche und Erwartungen.<br />

Thomas Sternberg, kulturpolitischer Sprecher der CDU<br />

im Landtag von NRW, bekannte, dass <strong>Archive</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

nicht im Fokus der Politik und der Kulturpolitik stehen, wenn<br />

man vom Sonderfall Köln absieht. Er betonte, wie notwendig die<br />

Unabhängigkeit der <strong>Archive</strong> <strong>in</strong> Bewertungsfragen sei und sah<br />

e<strong>in</strong>e ihrer Funktionen als Speicher <strong>für</strong> Alternativen zum gängigen<br />

Denken. Der Platz der <strong>Archive</strong> sei nicht <strong>in</strong> der Eventkultur.<br />

Aufmerksamkeit erregte se<strong>in</strong>e Forderung, <strong>Archive</strong> sollten nicht<br />

selbst Forschung treiben. Gerard van den Hengel, Beigeordneter<br />

<strong>für</strong> Kultur der Stadt Barneveld (Niederlande), sah Archivtätigkeit<br />

zwar ebenfalls nicht als „core bus<strong>in</strong>ess“ der Kommunalpolitik,<br />

rief aber dazu auf, diesen Beruf aufzuwerten, dessen Image<br />

verbessert werden müsse. Er sprach als Herausforderung die<br />

offene Frage an, wie im digitalen Zeitalter Unterlagen von Privatpersonen<br />

aufbewahrt werden können. Karl-He<strong>in</strong>z Lambertz,<br />

M<strong>in</strong>isterpräsident der Deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>schaft Eupen,<br />

machte sich als Vertreter Belgiens ke<strong>in</strong>e Illusionen über die<br />

Schnelllebigkeit der Politik. Dagegen trügen die <strong>Archive</strong> entscheidend<br />

zum kollektiven Bewusstse<strong>in</strong> bei. Er belegte dies mit dem<br />

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Beispiel der Deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> Belgien. Für die<br />

<strong>Archive</strong> sei bei den F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterien viel Lobbyarbeit zu leisten,<br />

um das digitale Zeitalter ebenso bewältigen zu können wie die<br />

Beschleunigung der Wissensgesellschaft. Lambertz forderte die<br />

Harmonisierung der Archivarbeit <strong>in</strong> Europa, um <strong>in</strong>ternationale<br />

Standards flächendeckend e<strong>in</strong>führen zu können.<br />

Auf Seiten der <strong>Archive</strong> betonten aus Deutschland Arie Nabr<strong>in</strong>gs,<br />

Leiter des LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums <strong>in</strong><br />

Pulheim, und der Berichterstatter, dass Hilfestellung der Politik<br />

notwendig sei, um elektronische Unterlagen sichern zu können.<br />

Mart<strong>in</strong> Berendse, Direktor des Nationalarchivs der Niederlande,<br />

sah neue <strong>Archive</strong> heraufziehen, <strong>in</strong> denen Informationsbeamte die<br />

Tätigkeit der Regierungen als Dienstleister unterstützen. Vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund der Identitätskrise der Niederlande nach den<br />

Morden an Theo van Gogh und Pim Fortuyn war er skeptisch<br />

gegenüber der Mitwirkung der <strong>Archive</strong> an der nationalen Identitätspolitik.<br />

Karel Velle, belgischer Generalarchivar, wollte die<br />

Hilfe der Politik nicht nur auf f<strong>in</strong>anzielle Aspekte beschränkt<br />

sehen. Zwar betonte auch er, wie wichtig es sei, archivische<br />

Infrastrukturen zu modernisieren. Genau so wertvoll seien aber<br />

formelle und <strong>in</strong>formelle Kontakte zu Politik und Verwaltung. Ihm<br />

stimmte nachdrücklich Josée Kirps, Direktor<strong>in</strong> des Nationalarchivs<br />

von Luxemburg, zu, die selbst aus der M<strong>in</strong>isterialverwaltung<br />

ihres Landes kommt und beide Seiten kennt.<br />

In der Diskussion wünschte sich Thomas Sternberg die stärkere<br />

E<strong>in</strong>beziehung der <strong>Archive</strong> <strong>in</strong> die Kulturpolitik und e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Verankerung <strong>in</strong> der Öffentlichkeit und <strong>in</strong> den Schulen. Gerard<br />

van den Hengel sah die <strong>Archive</strong> mit neuen Funktionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft, die über mehr Freizeit verfüge und folgerichtig<br />

längere Öffnungszeiten wünsche. Angesichts der archivischen<br />

Erwartungen blieb e<strong>in</strong>e Diskrepanz h<strong>in</strong>sichtlich der erwarteten<br />

Investitionen <strong>in</strong> archivische Infrastrukturen, weshalb Karl-He<strong>in</strong>z<br />

Lambertz dazu aufrief, „quick w<strong>in</strong>s“ auf beiden Seiten zu ermöglichen.<br />

Jacques van Rensch (Regionaal Historisch Centrum<br />

Limburg, Maastricht) resümierte, die <strong>Archive</strong> hätten den Politikern<br />

mehr zu sagen gehabt als umgekehrt die Politiker den<br />

<strong>Archive</strong>n. In dem von ihm moderierten zweiten Teil berichteten<br />

Archivar<strong>in</strong>nen und <strong>Archive</strong> über praktische Fälle des Zusammenspiels<br />

von <strong>Archive</strong>n und Politik <strong>in</strong> ihren jeweiligen Ländern.<br />

Urs Diederichs (Historisches Zentrum der Stadt Remscheid) sah<br />

ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009

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