Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen
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NACHRUFE<br />
(ab März 1968) war er dann ab November 1968 zweie<strong>in</strong>halb Jahre<br />
lang am Staatsarchiv Sigmar<strong>in</strong>gen tätig. In diese Zeit fiel auch die<br />
Eheschließung mit se<strong>in</strong>er Frau Magda geb. Stemmler, e<strong>in</strong>er<br />
ausgebildeten Bibliothekar<strong>in</strong> und Tochter des damaligen Leiters<br />
des Staatsarchivs Sigmar<strong>in</strong>gen, Eugen Stemmler. Wer das Ehepaar<br />
Fischer etwas näher kennt, weiß, wie sehr es fachliche und<br />
wissenschaftliche Interessen geteilt hat, wie sehr die beiderseitige<br />
Liebe zum Beruf auch <strong>in</strong> das Privatleben der bald vierköpfigen<br />
Familie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gewirkt hat.<br />
Zum 1. Februar 1971 wechselte das Ehepaar nach Stuttgart. Im<br />
dortigen Hauptstaatsarchiv, dessen Entwicklung Joachim Fischer<br />
dann 17 Jahre lang maßgeblich mitgestaltet hat, wurde ihm bald<br />
die Leitung des Militärarchivs und 1979 mit der Ernennung zum<br />
Archivdirektor die der Historischen Abteilung übertragen.<br />
Übergreifende Aufgaben erfüllte Joachim Fischer vor allem im<br />
Archivbau, <strong>in</strong> der Archivbenutzung, <strong>in</strong> der Adelsarchivpflege und<br />
<strong>in</strong> der Ausbildung. 1986 wurde er Stellvertretender Dienststellenleiter.<br />
Joachim Fischer liebte beide Seiten se<strong>in</strong>es Berufs, sowohl<br />
die wissenschaftliche Arbeit an den historischen Beständen als<br />
auch die praktischen Verwaltungsaufgaben, die Dienstleistungen<br />
<strong>für</strong> den Nutzer, die Öffentlichkeit und die Verwaltung.<br />
Durch se<strong>in</strong>e gediegene Arbeit und se<strong>in</strong> großes Fachwissen, aber<br />
auch mit se<strong>in</strong>er ganzen Persönlichkeit bestens da<strong>für</strong> qualifiziert,<br />
übernahm er zum 1. November 1988 die Leitung des<br />
zwischenzeitlich selbständigen Staatsarchivs Freiburg, das er<br />
dann 12 Jahre lang geführt und maßgeblich weiter entwickelt,<br />
modernisiert und vorangebracht hat.<br />
Im <strong>Archivwesen</strong> des Landes Baden-Württemberg hat Joachim<br />
Fischer an allen Orten se<strong>in</strong>es langen Wirkens deutliche Spuren<br />
h<strong>in</strong>terlassen, ja Fundamente gesetzt. Dazu gehören vor allem<br />
se<strong>in</strong>e zahlreichen Erschließungsarbeiten an den Beständen und<br />
ganz besonders se<strong>in</strong>e bahnbrechenden Leistungen bei den<br />
Beständeübersichten, so <strong>in</strong> Stuttgart zum Militärarchiv und dann<br />
<strong>in</strong> Freiburg zu allen Beständen.<br />
Dem Staatsarchiv Freiburg e<strong>in</strong>e Tektonik und damit e<strong>in</strong> dauerhaftes<br />
Gerüst <strong>für</strong> die Beständeverwaltung gegeben zu haben, sah<br />
er zu Recht im Rückblick als zentrale Leistung se<strong>in</strong>er Amtszeit<br />
an. Die gedruckte Kurzübersicht über die Bestände, die er 1994<br />
vorlegte, war und ist e<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Geschichte des<br />
Hauses. Dasselbe gilt <strong>für</strong> den Beständeausgleich mit dem Generallandesarchiv<br />
<strong>in</strong> Karlsruhe, der unter se<strong>in</strong>er Leitung <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
mit e<strong>in</strong>er klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten beschlossen<br />
und umgesetzt wurde. Damit war e<strong>in</strong> schwieriges Feld bere<strong>in</strong>igt<br />
– e<strong>in</strong> <strong>für</strong> das Freiburger Archiv ganz elementarer Schritt.<br />
In all se<strong>in</strong>en Arbeiten, und das ist besonders <strong>in</strong> den Beständeübersichten<br />
zu greifen, kamen drei Eigenschaften Joachim Fischers<br />
zum Tragen: zum e<strong>in</strong>en das sehr systematische, konsequent<br />
str<strong>in</strong>gente Denken auf den Grundlagen der Archivwissenschaft<br />
und des Provenienzpr<strong>in</strong>zips, zum anderen die zuverlässige Sorgfalt,<br />
auch im Detail, und zum dritten e<strong>in</strong>e ergebnisorientierte<br />
Beharrlichkeit, die zu dauerhaften Resultaten führt, zu (um diese<br />
Begriffe wieder aufzugreifen) Meilenste<strong>in</strong>en und Fundamenten,<br />
zu e<strong>in</strong>er durchdachten Tektonik oder e<strong>in</strong>em gediegenen F<strong>in</strong>dbuch.<br />
Was Joachim Fischer ang<strong>in</strong>g, das machte er richtig und<br />
brachte es fertig. Dies zeichnet se<strong>in</strong>e Arbeit als Archivar aus.<br />
Es zeichnet auch se<strong>in</strong>e Arbeit als Historiker aus. Joachim Fischer,<br />
der gelernte Mediävist, der über „Königtum, Adel und Kirche im<br />
Königreich Italien 774 bis 875“ promoviert hatte, hat zahlreiche<br />
grundlegende Publikationen, Aufsätze und Lexikonartikel veröffentlicht,<br />
die fast immer e<strong>in</strong>en Bezug zu se<strong>in</strong>en dienstlichen<br />
ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009<br />
Aufgaben hatten, die meist – wie zum Beispiel se<strong>in</strong> Aufsatz zum<br />
kaiserlichen Landgericht <strong>in</strong> Schwaben – aus Ordnungs- und<br />
Erschließungsarbeiten erwachsen waren. Bis heute geradezu als<br />
Nachschlagewerk überaus zu schätzen, ist der Katalog zu der<br />
Ausstellung „Württemberg im Spätmittelalter“, die er 1985 im<br />
Hauptstaatsarchiv Stuttgart gestaltet hat. Auch <strong>in</strong> der historischen<br />
Bildungsarbeit und <strong>in</strong> der Forschung achtete Joachim<br />
Fischer auf hohe Qualität, lege er hohe Maßstäbe an sich an,<br />
schuf er Bleibendes.<br />
Sehr gelitten hat er darunter, dass er se<strong>in</strong> Vorhaben, im Ruhestand<br />
die Geschichte des Stifts Waldsee aufzuarbeiten, aus<br />
gesundheitlichen Gründen und vor allem wegen der Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />
beim Sehen nicht abschließen konnte. Das Projekt selbst<br />
zeugt noch e<strong>in</strong>mal von der tiefen Verankerung Joachim Fischers<br />
<strong>in</strong> der Wissenschaft.<br />
Als ausgewiesener Historiker und Archivar wurde er so auch 1979<br />
<strong>in</strong> die Kommission <strong>für</strong> Geschichtliche Landeskunde Baden-<br />
Württemberg und 1983 <strong>in</strong> den Beirat des Württembergischen<br />
Geschichts- und Altertumsvere<strong>in</strong>s berufen. Für die Kommission<br />
hat er am Historischen Atlas mitgearbeitet und geme<strong>in</strong>sam mit<br />
se<strong>in</strong>em Kurskollegen Gerhard Taddey die Lebensbilder aus<br />
Baden-Württemberg herausgegeben. Für den Geschichtsvere<strong>in</strong><br />
hat er <strong>in</strong> Stuttgart lange Zeit den „Arbeitskreis <strong>für</strong> Landes- und<br />
Ortsgeschichte“ geleitet. All dies zeugt von se<strong>in</strong>em starken außerdienstlichen<br />
Engagement. Die historischen Vere<strong>in</strong>igungen haben<br />
e<strong>in</strong> treues und verdienstvolles Mitglied verloren.<br />
Als Kollege, wie auch als Vorgesetzter und Mitarbeiter war Joachim<br />
Fischer hoch geschätzt. Ich denke sehr gerne an unsere<br />
Zusammenarbeit zurück, wo immer sie sich ergab, an se<strong>in</strong>e<br />
sachliche, argumentative, besonnene, stets lösungsorientierte Art.<br />
Bewundernswert war bei den vielen Begegnungen der letzten<br />
Jahre die tapfere Haltung, mit der er se<strong>in</strong>e Krankheit trug, mit<br />
der er völlig undramatisch davon sprach, um dann gleich wieder<br />
zum fachlichen Austausch oder auch ganz anderen Themen zu<br />
kommen. Wir alle werden ihn und die Gespräche mit ihm sehr<br />
vermissen. Und ihn und se<strong>in</strong> archivarisches Lebenswerk dankbar<br />
<strong>in</strong> guter Er<strong>in</strong>nerung halten.<br />
Robert Kretzschmar, Stuttgart<br />
HEINZ FRIEDEL †<br />
Geb. 16.8.1919 Kaiserslautern<br />
Gest. 27.5.2009 Kaiserslautern<br />
Wenige Wochen vor se<strong>in</strong>em 90. Geburtstag verstarb der<br />
langjährige Kaiserslauterer Stadtarchivar He<strong>in</strong>z Friedel, der durch<br />
se<strong>in</strong>e vielfältigen regionalgeschichtlichen Publikationen über die<br />
Grenzen se<strong>in</strong>er Heimatstadt bekannt wurde und mit dessen<br />
Wirken die Neuordnung des Stadtarchivs verbunden ist. Als<br />
Sohn des Stadtamtmanns und Heimatforschers Franz Friedel<br />
geboren, besuchte er die Volksschule und das Humanistische<br />
Gymnasium <strong>in</strong> Kaiserslautern sowie die Wirtschaftsaufbauschule<br />
<strong>in</strong> Landau. Wie <strong>für</strong> fast alle Angehörigen dieser Jahrgänge folgten<br />
auch <strong>für</strong> ihn Arbeits- und Wehrdienst, wobei er wegen se<strong>in</strong>er<br />
religiösen Überzeugung vom NS-Regime verfolgt wurde. Nachdem<br />
er den Zweiten Weltkrieg als Gefreiter an der Front <strong>in</strong><br />
Frankreich, auf dem Balkan und bis zum Oktober 1941 auf der