Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen
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Krim erlebt hatte, kehrte er 1942 schwer kriegsversehrt zurück<br />
und arbeitete als Kontorist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kaiserslauterer Großdruckerei.<br />
Nicht zuletzt geprägt durch die Kriegserlebnisse und die<br />
Erfahrungen der Diktatur, widmete er sich neben se<strong>in</strong>em Beruf<br />
nach 1945 theologischen Übersetzungen aus dem Griechischen<br />
und Schwedischen, heimatkundlichen Erzählungen und literarischen<br />
Beiträgen wie „Die sieben Kreuze“ sowie kirchengeschichtlichen<br />
Studien unter anderem zu den religiösen Bewegungen seit<br />
der Reichsgründung <strong>in</strong> der Rhe<strong>in</strong>pfalz.<br />
Im Frühjahr 1956 zum ehrenamtlichen Archivpfleger berufen,<br />
wechselte er im Sommer jenes Jahres als Mitarbeiter <strong>in</strong> das<br />
Stadtarchiv Kaiserslautern, das er von 1976 bis zu se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>tritt<br />
<strong>in</strong> den Ruhestand 1984 als Stadtarchivar leitete. In den rund drei<br />
Jahrzehnten se<strong>in</strong>es archivischen Wirkens entfaltete er vielseitige<br />
Aktivitäten. So führte er erstmals e<strong>in</strong>e umfassende Ordnung der<br />
vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart reichenden Bestände<br />
durch, <strong>in</strong>itiierte e<strong>in</strong>e systematische Zeitungsausschnittsammlung<br />
und nahm die Neuordnung der stadtgeschichtlichen Sammlung<br />
vor. In se<strong>in</strong>er außerordentlich <strong>in</strong>tensiven Öffentlichkeitsarbeit<br />
präsentierte er <strong>in</strong> zahllosen Vorträgen und Beiträgen <strong>in</strong> der<br />
regionalen Presse die wechselvolle Geschichte der traditionsreichen,<br />
zweitgrößten pfälzischen Stadt und erarbeitete <strong>in</strong>sgesamt<br />
rund 120 Publikationen. Neben der Darstellung zur lokalen<br />
Industriegeschichte <strong>in</strong> der 1970 mit Ernst Christmann herausgegebenen<br />
Monographie „Kaiserslautern e<strong>in</strong>st und jetzt“ ließ er <strong>in</strong><br />
den fünf Bänden „Zeitgeschichte von Kaiserslautern“ das Jahrhundert<br />
zwischen 1866 und 1966 Revue passieren. Mit se<strong>in</strong>em<br />
Vergleich der Kaiserslauterer Ereignisse mit anderen pfälzischen<br />
Städten legte Friedel wohl auch die erste Darstellung der nationalsozialistischen<br />
Machtübernahme <strong>in</strong> der Pfalz vor und gab<br />
außerdem die Aufzeichnungen se<strong>in</strong>es Vaters aus den Jahren 1940<br />
bis 1948 heraus. Neben mehreren Ortschroniken und „Wanderbüchern<br />
<strong>in</strong> Landschaft und Geschichte“ runden Beiträge zur<br />
Geschichte des Altkatholizismus und zum protestantischen<br />
Kirchenwesen sowie die <strong>in</strong> zwei Bänden 1996 und 1998 erschienene<br />
Gesamtdarstellung zur Geschichte Kaiserslauterns von den<br />
Anfängen bis zur Universitätsgründung se<strong>in</strong> Oeuvre ab. Denn<br />
auch nach se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den Ruhestand 1985 publizierte der<br />
Träger der Theodor-Z<strong>in</strong>k-Medaille des „Historischen Vere<strong>in</strong>s“<br />
und der rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Verfassungsmedaille weiter und<br />
diente bis 2003 se<strong>in</strong>er Vaterstadt als ehrenamtlicher Berater der<br />
Unteren Denkmalschutzbehörde. Se<strong>in</strong> als Bestand V 55 im<br />
Landesarchiv Speyer verwahrter Nachlass umfasst 40 Archivaliene<strong>in</strong>heiten<br />
und enthält unter anderem Materialien zur Kaiserslauterer<br />
Stadtgeschichte und zur Biographie des Straßburger<br />
Juristen und Diplomaten Johann Benedikt von Scherer (1740 –<br />
1828).<br />
Wolfgang Müller, Saarbrücken/Kaiserslautern<br />
INGRID GROHMANN †<br />
Geb. 26.3.1942 Dresden<br />
Gest. 27.6.2009 Dresden<br />
469<br />
Ingrid Grohmann, von deren Tod nach kurzer schwerer Krankheit<br />
wir mit tiefer Bestürzung erfahren haben, wurde am<br />
26. März 1942 <strong>in</strong> Dresden geboren. Nach dem Besuch der Grundschule<br />
<strong>in</strong> Dresden-Plauen von 1948 bis 1956 und der Oberschule<br />
<strong>in</strong> Dresden-Reick von 1956-1960, die sie mit dem Abitur abschloss,<br />
absolvierte sie – als Voraussetzung <strong>für</strong> die Zulassung<br />
zum Studium – 1960/1961 e<strong>in</strong> Praktisches Jahr <strong>in</strong> der Produktion<br />
beim VEB Tabak- und Industriemasch<strong>in</strong>en (TABAKUNI) Dresden.<br />
Ihre beruflichen Ziele wurden von der Arbeit ihres Vaters<br />
Hellmut Koch, der lange Jahre im Hauptstaatsarchiv Dresden als<br />
Restaurator wirkte, bee<strong>in</strong>flusst. Als Diplom-Historiker<strong>in</strong> schloss<br />
sie 1965 ihr Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig ab;<br />
ihm folgte das Studium mit dem Abschluss Diplom-Archivar<strong>in</strong><br />
an der Humboldt-Universität Berl<strong>in</strong> bis zum Jahresende 1966.<br />
Zum 1. März 1967 wurde Ingrid Grohmann als Wissenschaftliche<br />
Archivar<strong>in</strong> beim Historischen Staatsarchiv Bautzen e<strong>in</strong>gestellt.<br />
Abgesehen von drei Unterbrechungen aus familiärem Anlass<br />
arbeitete sie <strong>in</strong> gleicher Funktion bis zur Friedlichen Revolution<br />
im Staatsarchiv Dresden. Dort zählten zu ihren Aufgaben die<br />
Führung des Zentralen Bestandsnachweises, die Erschließung<br />
von Beständen aus der kapitalistischen Epoche wie beispielsweise<br />
das Sächsische Innenm<strong>in</strong>isterium 1831-1945 oder das Oberappellationsgericht<br />
1835-1879, aber auch die Mitarbeit an zahlreichen<br />
Ordnungsmodellen und Bewertungen, über die sie <strong>in</strong> den „Archivmitteilungen“<br />
der Jahre 1978 bis 1989 mehrfach berichtete.<br />
Dabei stand <strong>in</strong>sbesondere der Bestandstyp Kreistag/Kreisrat der<br />
Nachkriegszeit im Mittelpunkt. Zum 1. September 1990 übernahm<br />
sie das Amt e<strong>in</strong>er Abteilungsleiter<strong>in</strong>. Im Herbst 1993 wurde<br />
ihr die Leitung des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig übertragen.<br />
Ihre dortige Tätigkeit war geprägt vom Umzug des Staatsarchivs<br />
aus dem Reichsgerichtsgebäude <strong>in</strong> das Behördenzentrum Leipzig-Paunsdorf<br />
im Sommer 1995, von der E<strong>in</strong>gliederung der<br />
Deutschen Zentralstelle <strong>für</strong> Genealogie als Abteilung durch<br />
Kab<strong>in</strong>ettsbeschluss zum 1. Juli 1995 und der E<strong>in</strong>richtung des<br />
Bereichs AV-Medien am 24. Oktober 1997. Zur aufwändigen<br />
<strong>in</strong>ternen Umstrukturierung der Abteilungen im Staatsarchiv im<br />
Jahr 2000, die sie zu vertreten hatte, trat die Zuweisung von<br />
zentralen Aufgaben der Schutzverfilmung ab 2001. Zum 1. Januar<br />
2005 wurde im Zuge der Neustrukturierung der staatlichen<br />
Archivverwaltung die <strong>für</strong> den Regierungsbezirk Leipzig zuständige<br />
Behörde als örtliche Dienststelle <strong>in</strong> das Sächsische Staatsarchiv<br />
e<strong>in</strong>gegliedert. Ingrid Grohmann trat, nachdem sie am 1. März<br />
2007 ihr 40-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, mit Ablauf<br />
des Monats <strong>in</strong> den Ruhestand.<br />
Nach der Friedlichen Revolution hat sie die Umformung des<br />
staatlichen <strong>Archivwesen</strong>s <strong>in</strong> Sachsen zur Behörde im demokratischen<br />
Rechtsstaat maßgeblich mitgestaltet. Der organisatorische<br />
Ausbau des Staatsarchivs <strong>in</strong> Leipzig-Paunsdorf und die Wahrnehmung<br />
des Staatsarchivs und se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />
waren eng mit der Arbeit von Frau Grohmann verbunden. E<strong>in</strong><br />
besonderes Anliegen waren ihr die Historisch-Politische Bildungsarbeit<br />
und die Öffentlichkeitsarbeit, um die vielgestaltige<br />
archivfachliche Arbeit und die gesetzlichen Fachaufgaben e<strong>in</strong>em<br />
breiten Publikum näher zu br<strong>in</strong>gen. Diesem Ziel diente die<br />
ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009