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Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

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386<br />

GENERALIA<br />

ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009<br />

ARCHIVTHEORIE<br />

UND PRAXIS<br />

ARCHIVÜBERGREIFENDE<br />

INVENTARE<br />

BETRACHTUNGEN ÜBER<br />

INFORMATIONELLE<br />

VERNETZUNGEN:<br />

LITERARISCHES LEBEN<br />

AM RHEIN<br />

„Gute Inventare“, so äußerte mir gegenüber e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> alt<br />

gedienter Staatsarchivar, „s<strong>in</strong>d das Salz <strong>in</strong> der Suppe.“ Vielleicht<br />

s<strong>in</strong>d sie nicht das Salz <strong>für</strong> jede Suppe, aber der Vorteil wissenschaftlicher<br />

Inventare liegt auf der Hand: Sie führen zahlreiche<br />

Bestands<strong>in</strong>formationen zusammen, erlauben so e<strong>in</strong>en schnellen<br />

Überblick, etwa über die Inhalte e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Archivs. Seltener,<br />

komplexer, aber mitunter noch ertragsreicher mögen jedoch<br />

archivübergreifende Inventare se<strong>in</strong>, die unter der Perspektive<br />

e<strong>in</strong>er spezifischen sachthematischen Fragestellung die Bestände<br />

zahlreicher Institutionen <strong>in</strong> den Blick nehmen und auswerten.<br />

Denn sie können damit e<strong>in</strong>e Brücken-, ja Scharnierfunktion<br />

e<strong>in</strong>nehmen – zwischen den <strong>Archive</strong>n und der Wissenschaft.<br />

Denn nur wenige Wissenschaftler machen sich auf den Weg, die<br />

mühsame Identifikation sachdienlicher Quellen über verschiedene<br />

<strong>Archive</strong> h<strong>in</strong>aus zu betreiben. Sie beschränken sich – und<br />

können das zeitlich vermutlich auch gar nicht anders leisten –<br />

auf das nächstgelegene Archiv und auf dessen Bestände. Ihnen<br />

entgeht so die umfassende Vergleichsperspektive, die manches<br />

Mal den Befund verändern würde.<br />

Will man e<strong>in</strong> solches archivübergreifendes Instrument erarbeiten,<br />

steht man vor zahlreichen Schwierigkeiten. Denn zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal bef<strong>in</strong>det man sich <strong>in</strong> derselben Situation wie der erwähnte<br />

Wissenschaftler, man steht vor e<strong>in</strong>er Vielzahl räumlich weit<br />

entfernter Institutionen, die nur schwer alle e<strong>in</strong>zeln abzufahren<br />

s<strong>in</strong>d, um vor Ort <strong>in</strong> den Bestandsverzeichnissen zu recherchieren<br />

(falls diese nicht schon im Netz greifbar s<strong>in</strong>d, was die Aufgabe<br />

natürlich erheblich erleichtert). Man ist dann auf die Mitarbeit<br />

der Archivare selbst angewiesen, wodurch <strong>in</strong>dividuelle Aspekte<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen können (besondere Überlastung oder aber<br />

auch: mangelnde Transparenz e<strong>in</strong>es Archivs), was die Objektivität<br />

der Untersuchung natürlich bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

Auch jene <strong>Archive</strong>, die man selber aufsucht, bauen, je nachdem,<br />

gewisse Schwellen auf, bergen Stolperfallen. Denn – und das ist<br />

e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senweisheit – selbstverständlich ist jedes Archiv anders,<br />

<strong>in</strong> Organisation und Aufbau ebenso wie <strong>in</strong> Anbetracht der<br />

existierenden F<strong>in</strong>dmittel: das können handschriftliche Repertorien<br />

<strong>in</strong> – je nach Schreiberhand – schwer zu entzifferndem Korrent<br />

ebenso se<strong>in</strong> wie benutzerfreundliche F<strong>in</strong>dbücher; die Verzeichnung<br />

kann über Datenbanken und moderne Onl<strong>in</strong>e-Auftritte mit<br />

mehr oder weniger Vorzügen genauso präsentiert werden wie<br />

über uralte Zettelkästen, <strong>in</strong> die seit hundert Jahren niemand<br />

mehr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geschaut hat.<br />

Die Qualität der Erschließung ist von zentraler Bedeutung, denn<br />

selbstverständlich kann der Bearbeiter e<strong>in</strong>es solchen Inventars<br />

nur auf jene Informationen zurückgreifen, die die <strong>Archive</strong> selbst<br />

hervorgebracht haben. Man ist also auf die Richtigkeit dieser<br />

Angaben, die sich im Rahmen e<strong>in</strong>es solches Projektes nicht<br />

kontrollieren lassen, angewiesen.<br />

E<strong>in</strong>e eigene Schwierigkeit besteht dar<strong>in</strong>, die jeweilige Archivsystematik<br />

zu erfassen: Erst wenn man e<strong>in</strong>en Überblick über die spezifische<br />

Tektonik e<strong>in</strong>es Archivs gewonnen hat, kann man e<strong>in</strong>schätzen,<br />

wie die Recherche <strong>in</strong> diesem Archiv methodisch aufgebaut<br />

werden muss, <strong>in</strong> welchen Abteilungen und Beständen <strong>für</strong> die<br />

eigene Frage relevante Daten ermittelt werden könnten. Gerade<br />

bei großen Staatsarchiven ist das nicht leicht. Erschwert wird<br />

dieses Grundverständnis e<strong>in</strong>er bestimmten Institution, wenn es<br />

dort zu Umgruppierungen gekommen ist, <strong>in</strong> näherer oder fernerer<br />

Vergangenheit, oder noch gravierender: im Augenblick. Der<br />

größtanzunehmende Unfall wäre, wenn der tektonische Umbau<br />

erfolgt, nachdem der Bearbeiter e<strong>in</strong>es Inventars <strong>in</strong> dieser Institution<br />

vorstellig war und somit se<strong>in</strong>e gesamte Systematik womöglich<br />

h<strong>in</strong>fällig wäre. Zum Glück s<strong>in</strong>d gerade bei den großen <strong>Archive</strong>n<br />

solche Umstrukturierungsprozesse vergleichsweise selten, weil sie<br />

<strong>für</strong> das Haus selbst e<strong>in</strong>en großen Arbeitsaufwand bedeuten.

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