22.10.2012 Aufrufe

Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Restaurierung und Umbau<br />

Wer letztlich den entscheidenden Anstoß gab, die M<strong>in</strong>eralogische<br />

Sammlung der TU Bergakademie Freiberg und das Bergarchiv<br />

geme<strong>in</strong>sam als wesentliche Nutzer im Schloss Freudenste<strong>in</strong><br />

unterzubr<strong>in</strong>gen, ist nicht mehr völlig zweifelsfrei festzustellen.<br />

E<strong>in</strong>en ganz entscheidenden Anteil daran hat mit Sicherheit der<br />

damalige Rektor der Bergakademie, Prof. Georg Unland, dem es<br />

gelang, unterschiedliche Partner aus Politik, Verwaltung,<br />

Wissenschaft und Kultur <strong>für</strong> dieses Vorhaben zu begeistern.<br />

E<strong>in</strong>en Großteil der F<strong>in</strong>anzierung übernahm der „Europäische<br />

Fonds <strong>für</strong> regionale Entwicklung“ (EFRE). Der Baukomplex<br />

wurde im Jahr 2004 von der Stadt Freiberg von e<strong>in</strong>em privaten<br />

Investor zurückgekauft. Die Stadt Freiberg war damit <strong>für</strong> die<br />

bevorstehenden Baumaßnahmen Bauherr und der<br />

Hauptverantwortliche <strong>für</strong> das Gesamtgeschehen. Das Bergarchiv<br />

Freiberg als Teil des Sächsischen Staatsarchivs brachte sich als<br />

e<strong>in</strong>er der zukünftigen Nutzer frühzeitig e<strong>in</strong>, ebenso die<br />

Bergakademie Freiberg. Am Gesamtvorhaben waren die verschiedensten<br />

Institutionen und E<strong>in</strong>richtungen beteiligt. Das<br />

Staatsarchiv ist e<strong>in</strong>e nachgeordnete Landesoberbehörde des<br />

Sächsischen Staatsm<strong>in</strong>isteriums des Innern, die Bergakademie<br />

e<strong>in</strong>e Körperschaft unter der Aufsicht des Sächsischen<br />

Staatsm<strong>in</strong>isteriums <strong>für</strong> Wissenschaft und Kunst. Die vom<br />

Freistaat über die zukünftigen Nutzer <strong>in</strong> das Vorhaben e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>genden<br />

eigenen Geldmittel wurden koord<strong>in</strong>iert durch das<br />

Sächsische F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium, d. h. durch den Staatsbetrieb<br />

Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Im Laufe<br />

des Gesamtvorhabens kam noch e<strong>in</strong> weiterer Partner h<strong>in</strong>zu: das<br />

ausführende Architekturbüro AFF. Diese große Zahl an<br />

Beteiligten und e<strong>in</strong> Investitionsvolumen von rund 34 Mio. €<br />

machten es s<strong>in</strong>nvoll, zur Koord<strong>in</strong>ation aller Akteure und der<br />

E<strong>in</strong>zelvorhaben e<strong>in</strong>en professionellen Projektsteuerer zu beauftragen.<br />

Begleitend koord<strong>in</strong>ierte der Projektsteuerer die Öffentlichkeitsarbeit.<br />

In der Stadt wurde e<strong>in</strong> Infopunkt e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> dem über<br />

den jeweiligen Stand des Bauvorhabens und über die zukünftigen<br />

Nutzer des Schlosses <strong>in</strong>formiert wurde. Der Inhalt des Teils<br />

der Präsentation, der sich mit der „eigenen“ Stelle befasste,<br />

wurde von den Nutzern eigenverantwortlich gestaltet, alle<br />

E<strong>in</strong>zeldarstellungen wurden dann von e<strong>in</strong>em professionellen<br />

Ausstellungsgestalter äußerlich aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt. Der<br />

Info-Punkt war zunächst im Keller des Baukomplexes untergebracht,<br />

im gotischen Gewölbe der ehemaligen Schlossgaststätte.<br />

Mit zunehmendem Fortschritt der Arbeiten musste der<br />

Infopunkt dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Conta<strong>in</strong>er vor dem Schlosshof umziehen,<br />

Teile der Ausstellung wurden <strong>in</strong> der Nikolaikirche gezeigt.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong>itiierte und organisierte der Projektsteuerer<br />

e<strong>in</strong>e Wanderausstellung, welche das Gesamtprojekt <strong>in</strong> Sachsen<br />

und Deutschland vorstellte. Diese Ausstellung war unter anderem<br />

<strong>in</strong> den Dresdener M<strong>in</strong>isterien und auch im Jahr 2007 im „Haus<br />

der Geschichte“ der Freiberger Partnerstadt Darmstadt zu sehen.<br />

Ebenso berichtete das Freiberger Lokalfernsehen „eff3“ <strong>in</strong> regelmäßigen<br />

Abständen über den Baufortschritt und fertigte zum<br />

Abschluss e<strong>in</strong>e filmische Gesamtdokumentation an.<br />

Der Architektenwettbewerb<br />

353<br />

Der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs g<strong>in</strong>gen umfangreiche<br />

konzeptionelle Arbeiten voraus. Als glücklich erwies sich<br />

der Umstand, dass bereits im Zuge des Anderson-Gutachtens<br />

von 2001 <strong>für</strong> sämtliche Standorte des Staatsarchivs e<strong>in</strong>e<br />

Nutzerforderung erarbeitet worden war, auf die nun zurückgegriffen<br />

werden konnte. Damit waren die Größenordnungen,<br />

Standards, Anzahl und Funktionalität der Räume sowie ihre<br />

Zuordnungen zue<strong>in</strong>ander schon sehr früh festgeschrieben. Die<br />

europaweite Ausschreibung startete im August 2004 und schloss<br />

im Januar 2005 ab. Die Wertungskommission bestand aus fünf<br />

Fachpreisrichtern (Architekten), vier Sachpreisrichtern und sechs<br />

Sachverständigen unter dem Vorsitz von Frau Prof. Hilde Léon,<br />

Berl<strong>in</strong>. In langen und teilweise auch kontrovers geführten<br />

Diskussionen e<strong>in</strong>igte man sich auf e<strong>in</strong>en Entwurf des<br />

Architekturbüros AFF der Brüder Mart<strong>in</strong> und Sven Fröhlich aus<br />

Berl<strong>in</strong>. Dieser Entwurf stellte aus Sicht des Bergarchivs e<strong>in</strong>en<br />

Glücksfall dar. Zwar schreckte er nicht vor radikalen<br />

E<strong>in</strong>schnitten <strong>in</strong> die historische Bausubstanz zurück. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

löste er alle funktionalen Probleme, die e<strong>in</strong> historischer Bau <strong>für</strong><br />

e<strong>in</strong> Archiv mit sich br<strong>in</strong>gt, auf elegante Weise. Der Siegerentwurf<br />

schlug e<strong>in</strong>en Neubau vor, der lediglich die Außenhülle des<br />

Schlosses weiter nutzte. Auf diese Weise konnten alle technischen<br />

Vorgaben erreicht werden, was Klimawerte im Magaz<strong>in</strong>,<br />

Geschosshöhen, Deckentragfähigkeit und Raumgrößen ang<strong>in</strong>g.<br />

Nur <strong>in</strong> wenigen Ausnahmefällen wurden die historischen<br />

Innene<strong>in</strong>bauten (Holz-Speicherkonstruktion) beibehalten. Der<br />

Entwurf überzeugte alle Beteiligten, so dass das Büro AFF mit<br />

der Ausführungsplanung und gleichzeitig auch mit der<br />

Bauleitung beauftragt wurde.<br />

Insgesamt nutzt das Bergarchiv gut 50 % der vorhandenen<br />

Nutzfläche, welche das Schloss Freudenste<strong>in</strong> bietet. Die anderen<br />

50 % werden von der „Terra M<strong>in</strong>eralia“ sowie e<strong>in</strong>em<br />

Gastronomiebetrieb belegt. Vor Beg<strong>in</strong>n der Bauarbeiten wurden<br />

durch das Landesamt <strong>für</strong> Denkmalpflege umfangreiche<br />

Erkundungs- und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. So<br />

konnten beispielsweise im Neuen Schlosshof Grundmauern der<br />

Freiberger Burg und des Bergfrieds nachgewiesen und gesichert<br />

werden. Insgesamt erwies sich die Denkmalpflege als e<strong>in</strong> verlässlicher<br />

Partner, der nicht nur von allen Beteiligten Zugeständnisse<br />

abforderte, sondern auch se<strong>in</strong>erseits im Interesse der<br />

Durchführung des Gesamtprojektes zu Kompromissen bereit<br />

war. Auch <strong>in</strong> der Öffentlichkeit sorgte der Umgang mit der historischen<br />

Bausubstanz <strong>für</strong> Diskussionen. Kritisch gesehen wurde<br />

und wird beispielsweise, dass Teile der spätgotischen Kelleranlage<br />

bei der E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung der statischen Stützkonstruktion <strong>für</strong> den<br />

Archivkörper zerstört und letzte Pfeilerreste der ehemaligen<br />

Schlosskapelle entfernt wurden. Andererseits muss den Kritikern<br />

entgegengehalten werden, dass Teile der historischen<br />

Bausubstanz durchaus <strong>in</strong> den Neubau <strong>in</strong>tegriert wurden<br />

(Mauerwerk, Holze<strong>in</strong>bauten der Speicherkonstruktion) und nur<br />

auf diese Weise die Errichtung e<strong>in</strong>es Baukörpers möglich wurde,<br />

der allen Anforderungen an e<strong>in</strong>en modernen Archivbau entspricht.<br />

ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!