22.10.2012 Aufrufe

Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

432<br />

ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009<br />

LITERATURBERICHTE<br />

unterschiedlichen Artefakte der Architekturproduktion gelegt,<br />

zugleich aber – eher unausgesprochen – wieder verstärkt der<br />

Architekt <strong>in</strong> den Mittelpunkt gerückt, nachdem die E<strong>in</strong>leitung<br />

hier auch die breitere Diskussion anderer Akteure des Bauwesens<br />

(und deren Spezifika) erwarten ließ.<br />

Die folgenden zwei Kapitel (von <strong>in</strong>sgesamt acht) gehen dann detaillierter<br />

auf die unterschiedlichen Materialien architekturbezogener<br />

Bestände e<strong>in</strong>. Obwohl die Autoren e<strong>in</strong>gangs auch hier den<br />

Blickw<strong>in</strong>kel weiten und ausdrücklich neben den projektbezogenen<br />

Unterlagen auch diejenigen e<strong>in</strong>beziehen, die etwa mit der Betriebsführung<br />

e<strong>in</strong>es Büros oder dem privaten Netzwerk e<strong>in</strong>es Planers<br />

zu tun haben, geht es hier im Weiteren vorrangig um den Entwurfsprozess<br />

und dessen H<strong>in</strong>terlassenschaften. Im zweiten Kapitel<br />

stellt Lowell die Phasen der Architekturproduktion (wiederum<br />

primär bezogen auf Architekturbüros) und die jeweils dabei entstehenden<br />

Unterlagen vor, im dritten Kapitel schreitet Nelb die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Kategorien ab – vor allem Zeichnungsformen, von der<br />

Präsentationszeichnung bis zum Werkplan. Bei beiden Kapiteln<br />

hätte sich vielleicht e<strong>in</strong>e zusammenfassende Straffung angeboten,<br />

zumal die hier <strong>in</strong>sgesamt etwas an der Oberfläche bleibende Darstellung<br />

eher etwas <strong>für</strong> diejenigen Leser bereithält, die kaum etwas<br />

von Architektur und deren Produktionsweise wissen.<br />

Dichter wird die Darstellung im vierten Kapitel, das mit „Bewertung“<br />

überschrieben ist. Die eigenständige Bewertung der Archivwürdigkeit,<br />

die gerade die u. a. durch e<strong>in</strong>e Ausweitung der Reproduktionstechniken<br />

stark angewachsenen jüngeren Architekturbestände<br />

größerer Architekten- und Ingenieurbüros, Baufirmen und<br />

Verwaltungen bedürfen, ist hier zentrales Thema.<br />

Die oberste Ebene bei der Bewertung stellt, so Lowell, das Sammlungskonzept<br />

des Archivs dar, das idealerweise diejenigen Bestände<br />

def<strong>in</strong>iere, deren Übernahme grundsätzlich angestrebt sei –<br />

auch, um bei unangefragt angebotenen Beständen e<strong>in</strong>e bessere<br />

Handhabe <strong>für</strong> Ablehnungen zu haben. Ausdrücklich enthalten ist<br />

auch der <strong>in</strong>teressante H<strong>in</strong>weis, dass bei der Auswahl auch nach der<br />

Verankerung des jeweiligen Bestandsbildners im professionellen<br />

und sozialen Netzwerk zu fragen sei, um „bedeutendere“ potentielle<br />

Bestandsgeber nicht abzuschrecken (S. 72). Empfohlen werden<br />

die Verknüpfung mit berufsständischen Organisationen und die<br />

Bildung von beratenden Kuratorien, allerd<strong>in</strong>gs ohne dass Auswirkungen<br />

solcher Strukturen auf die flächendeckende Archivpraxis<br />

(etwa durch homogenisierende Tendenzen) diskutiert werden.<br />

Auch <strong>in</strong> diesem Kapitel werden die personenbezogenen Unterlagen<br />

e<strong>in</strong>es Planers nur kurz angerissen, e<strong>in</strong>gehender wird der Umgang<br />

mit projektbezogenen Unterlagen betrachtet. Auswahlprozesse – so<br />

Lowell – seien dabei vor allem <strong>für</strong> materialreiche Projekte notwendig,<br />

wobei der ursprünglichen Planung e<strong>in</strong>es Bauwerks Vorrang<br />

vor späteren Umbauten und Ergänzungen, dem Planorig<strong>in</strong>al<br />

Vorrang vor Kopien e<strong>in</strong>geräumt wird. Hier gilt Lowells besonderes<br />

Augenmerk den Planbeständen, da ihre Lagerung besonders<br />

aufwändig sei; Lowell gibt hier wie auch zu anderen Materialgruppen<br />

H<strong>in</strong>weise <strong>für</strong> Auswahlkriterien. Die schwierige Balance<br />

zwischen allgeme<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weisen zur Archivwürdigkeit, die Bestände<br />

unter Umständen nach e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Muster abmagern<br />

(siehe Liste S. 84-85), und e<strong>in</strong>er Vielfalt der Überlieferung, die<br />

an geeigneter Stelle z. B. (von Lowell im Grundsatz verschmähte)<br />

Installations- und Detailplanungen bewahrt, kann auch Lowell<br />

nicht gänzlich lösen: Gerade <strong>für</strong> existierende Gebäude mit umfangreicheren<br />

Unterlagen wird letztlich die eher klassische Reduktion<br />

auf e<strong>in</strong>en Kernbestand um die ausgeführte Planung<br />

herum empfohlen. H<strong>in</strong>tergrund <strong>für</strong> diese Unterscheidung zwi-<br />

schen gebauter/vorhandener und ungebauter Architektur ist<br />

dabei erkennbar e<strong>in</strong>e (zukünftige) Nutzung der Archivalien auch<br />

als Quellen <strong>für</strong> den Umgang mit den Bauten selbst (von Lowell<br />

exemplarisch ausgeführt an Fundamentplänen) – e<strong>in</strong>er von<br />

sieben vorgeschlagenen Faktoren <strong>für</strong> die Planauslese.<br />

Das folgende fünfte Kapitel ist der Archivpraxis <strong>für</strong> architekturbezogene<br />

Bestände nach dem Provenienzpr<strong>in</strong>zip, den unterschiedlichen<br />

Formaten und Objektgruppen gewidmet. Für die persönlichen<br />

wie auch die betrieblichen Unterlagen wird e<strong>in</strong>mal mehr auf<br />

die Pr<strong>in</strong>zipien verwiesen, die <strong>für</strong> solche Bestände erarbeitet seien.<br />

Für die projektbezogenen Archivalien h<strong>in</strong>gegen wird e<strong>in</strong>e Beschreibungshierarchie<br />

skizziert, wobei Lowell e<strong>in</strong>e – arbeitsextensive –<br />

Beschreibung auf Projektebene favorisiert; e<strong>in</strong>e Verzeichnung etwa<br />

auf Planebene wird mit dem H<strong>in</strong>weis verworfen, dass der Nutzer<br />

zumeist ohneh<strong>in</strong> alle Pläne zu e<strong>in</strong>em Projekt sehen wolle. Entsprechend<br />

knapp fällt die Diskussion zu Datenbanken und deren<br />

Nutzung aus.<br />

Auch im sechsten Kapitel von Nelb zu schädigenden E<strong>in</strong>flüssen<br />

auf architekturbezogene Archivalien, deren Konservierung und<br />

Restaurierung, f<strong>in</strong>den sich eher e<strong>in</strong>führende Erläuterungen als<br />

vertiefte fachliche H<strong>in</strong>weise, wobei konsequenterweise auf die<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Fachrestauratoren verwiesen wird. Abermals<br />

steht der Plan im Mittelpunkt, es werden H<strong>in</strong>weise zur liegenden<br />

Aufbewahrung wie zur Rollenlagerung gegeben, und abschließend<br />

wird kurz – unter eher technischen Gesichtspunkten – auf die<br />

Reproduktion mittels Fotografie, Mikrofilm und Digitalisierung<br />

e<strong>in</strong>gegangen. Daran knüpft das siebte Kapitel an, das nun e<strong>in</strong>zelne<br />

Planträgermaterialien (sowohl <strong>für</strong> Zeichnungsorig<strong>in</strong>ale als<br />

auch <strong>für</strong> Kopien) mit Angaben zur Beständigkeit und zu Restaurierungstechniken<br />

vorstellt. Gerade hier offenbart sich der<br />

Handbuchcharakter mit kompakten Informationen. E<strong>in</strong>gebettet<br />

ist e<strong>in</strong> ausführlicher Abschnitt, der sich mit der Konservierung<br />

digitaler Daten, <strong>in</strong>sbesondere CAD, und den unterschiedlichen<br />

US-amerikanischen Initiativen <strong>in</strong> diesem Feld beschäftigt. Der<br />

Bezug zu den Nachlassgebern zeigt sich hier <strong>in</strong> Ratschlägen, wie<br />

e<strong>in</strong>e dauerhaftere Archivierung durch e<strong>in</strong> entsprechendes Archivierungsverhalten<br />

der Bestandsbildner unterstützt werden könne<br />

– etwa durch e<strong>in</strong> Speichern von bedeutsamen Projektphasen <strong>in</strong><br />

potentiell langlebigeren Formaten wie TIFF oder PDF. Im letzten,<br />

achten Kapitel schließlich werden – teilweise wiederum eher<br />

allgeme<strong>in</strong>e – H<strong>in</strong>weise zur allgeme<strong>in</strong>en Archivpraxis gerade unter<br />

den Bed<strong>in</strong>gungen „unhandlicher“ Archivalien gegeben. Drei<br />

Anhänge – darunter e<strong>in</strong>e Kategorisierung architekturbezogener<br />

Materialien – und e<strong>in</strong>e Bibliographie neuerer US-amerikanischer<br />

Literatur zum Thema schließen das Buch ab.<br />

Den <strong>in</strong>tendierten Charakter e<strong>in</strong>es Handbuchs erfüllt diese Publikation<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en stärkeren Kapiteln ganz sicher; erkennbar vor<br />

allem auf e<strong>in</strong>e mit dem Bauwesen und dem Entwurfsprozess e<strong>in</strong>es<br />

Bauwerks unerfahrene Leserschaft ausgerichtet, verengt sich die<br />

Darstellung jedoch immer wieder – entgegen e<strong>in</strong>leitend formulierter<br />

Intentionen – auf das Architekturbüro und auf die unterschiedlichen<br />

Planmaterialien. Hier könnte die solide, gute E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong> die Thematik stärker se<strong>in</strong>: Gerade <strong>für</strong> die Bestandsbildung<br />

wichtige Aspekte wie e<strong>in</strong>e Verbreiterung architekturbezogener Forschung,<br />

die nicht mehr nur den Architekten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Selbststilisierung<br />

als Künstler wahrnimmt und den repräsentativen Plan als<br />

wesentlichen Untersuchungs- und Überlieferungsgegenstand annimmt,<br />

s<strong>in</strong>d nur begrenzt angesprochen. E<strong>in</strong>em beratenden Handbuch<br />

<strong>für</strong> den Architekturarchivar hätte es vermutlich nicht geschadet,<br />

mögliche Sammlungsstrategien (und damit auch Bewer-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!