Zeitschrift für Archivwesen - Archive in Nordrhein-Westfalen
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schen Tatsachen“ vorgelegt. Getreu ihrer von Nonkonformismus<br />
geprägten Grundhaltung hat Lieselott Enders auch hier kritische<br />
Maßstäbe angelegt. Nach ihrer Auffassung stellte der Rahmenkatalog<br />
lediglich e<strong>in</strong> Hilfsmittel bei der Bewertung dar, der letztlich<br />
die wissenschaftliche Qualifikation und das Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong><br />
des Archivars nicht ersetzen könne. In diesem S<strong>in</strong>ne<br />
hat sie auch Vorwürfen zu se<strong>in</strong>er „mechanischen Anwendung“ <strong>in</strong><br />
der kontroversen Diskussion nach der „Wende“ <strong>in</strong> den Fachzeitschriften<br />
<strong>in</strong> Ost und West zurückgewiesen.<br />
Als Angehörige der älteren Archivarsgeneration, <strong>für</strong> die als<br />
Historiker-Archivar zur Dienstleistungsfunktion der <strong>Archive</strong> auch<br />
die Auswertung der Bestände durch eigene geschichtswissenschaftliche<br />
Publikationen gehörte, war es <strong>für</strong> Lieselott Enders<br />
e<strong>in</strong>e Verpflichtung, neben der archivpraktischen und -wissenschaftlichen<br />
Arbeit auch auf dem Gebiet der brandenburgischen<br />
Landesgeschichte tätig zu werden. Innerhalb der <strong>für</strong> die Schriftenreihe<br />
des Brandenburgischen Landeshauptarchivs dom<strong>in</strong>ierenden<br />
Thematik – Quelleneditionen, topographisch-statistische<br />
und bibliographische Hilfsmittel – übernahm sie die Federführung<br />
bei der Erarbeitung des Historischen Ortslexikons <strong>für</strong><br />
Brandenburg. In den Jahren von 1962 bis 1997 erschienen dessen<br />
nach den historischen Landschaften der Mark Brandenburg<br />
angelegte zehn E<strong>in</strong>zelbände, zusätzlich e<strong>in</strong>es Registerbandes. Mit<br />
sechs Bänden steuerte Lieselott Enders den größten Anteil zu<br />
diesem im Vergleich mit zahlreichen deutschen Ländern e<strong>in</strong>maligen<br />
Publikationsvorhaben bei.<br />
Die dabei durch e<strong>in</strong>gehendes Quellenstudium erworbenen<br />
Spezialkenntnisse bildeten den Grundstock <strong>für</strong> ihre weiteren<br />
Arbeiten zur brandenburgischen Landesgeschichte. In zahlreichen<br />
Beiträgen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen<br />
Geschichte der Mark Brandenburg hat sie ihre Forschungsergebnisse<br />
<strong>in</strong> den führenden landesgeschichtlichen Periodika wie dem<br />
Jahrbuch <strong>für</strong> die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, den<br />
Blättern <strong>für</strong> deutsche Landesgeschichte und den Forschungen zur<br />
Brandenburgischen und Preußischen Geschichte vorgelegt. Alle<strong>in</strong><br />
im Jahrbuch <strong>für</strong> Brandenburgische Landesgeschichte erschien<br />
mit Regelmäßigkeit jährlich e<strong>in</strong> Beitrag von ihr. Als Gründungsmitglied<br />
der 1996 gebildeten Brandenburgischen Historischen<br />
Kommission hat sie deren Wirksamkeit und Publikationsvorhaben<br />
mitgeprägt.<br />
Ihre landesgeschichtliche Forschungs- und Publikationstätigkeit<br />
erfuhr die Krönung <strong>in</strong> der Zeit nach dem 1987 erfolgten Ausscheiden<br />
aus dem Dienst, den Jahren des „Ruhestandes“. Das<br />
Alterswerk präsentiert sich <strong>in</strong> drei <strong>in</strong>halts- und umfangreichen<br />
monographischen Werken zur kurmärkischen Landesgeschichte.<br />
Sie begannen 1992 mit der Landschaft, zu der die Autor<strong>in</strong> wohl <strong>in</strong><br />
Er<strong>in</strong>nerung an ihre Vorfahren besondere Beziehungen hatte – der<br />
Uckermark. Es folgten 2001 die Geschichte der Prignitz und 2008<br />
die der Altmark. In ihnen f<strong>in</strong>den, gegründet auf <strong>in</strong>tensives Quellenstudium,<br />
die territorialen und lokalen Geme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong><br />
ihren konkreten Lebensverhältnissen umfassende und zugleich<br />
anschauliche Darstellung. An die Stelle der auf Politik, Herrscherpersönlichkeiten<br />
oder Militär- und Kriegswesen gerichteten<br />
älteren Publikationen zur brandenburgischen Landesgeschichte<br />
trat <strong>in</strong> Enders’ Werken das „Land“ gegenüber der „Herrschaft“.<br />
Mit diesen Publikationen, denen <strong>in</strong> der brandenburgischen<br />
Landesgeschichte nichts Vergleichbares an die Seite gestellt<br />
werden kann, hat Lieselott Enders ihren Platz neben den Nestoren<br />
der Landesgeschichtsschreibung, Johannes Schultze und<br />
Rudolf Lehmann, gefunden. Mit der Festschrift „Archivwissen-<br />
JOACHIM FISCHER †<br />
Geb. 27.12.1936 Ravensburg<br />
Gest. 21.7.2009 Stuttgart<br />
467<br />
schaft und Landesgeschichte“ haben Berufskollegen und Landeshistoriker<br />
ihre Leistungen <strong>in</strong> beiden Diszipl<strong>in</strong>en gewürdigt. Nach<br />
ihrem jähen H<strong>in</strong>scheiden werden das Brandenburgische Landeshauptarchiv<br />
und die Landesgeschichtsforschung auch <strong>in</strong> Zukunft<br />
ihren Namen <strong>in</strong> Ehren zu halten wissen.<br />
Friedrich Beck, Potsdam<br />
Am 21. Juli 2009 verstarb nach langjähriger Krankheit <strong>in</strong> Stuttgart<br />
Archivdirektor a. D. Dr. Joachim Fischer. Beim Requiem <strong>in</strong><br />
der Mariä-Himmelfahrtskirche und zur Trauerfeier und Beerdigung<br />
auf dem Neuen Friedhof <strong>in</strong> Stuttgart-Degerloch fanden sich<br />
am 28. Juli zahlreiche Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen e<strong>in</strong>, um von ihm<br />
Abschied zu nehmen.<br />
Joachim Fischer war Archivar mit Leib und Seele. Was <strong>in</strong> der Welt<br />
der <strong>Archive</strong> geschieht, daran hat er bis zuletzt regen Anteil<br />
genommen. Trotz der sichtbaren körperlichen Bee<strong>in</strong>trächtigungen,<br />
die ihm das Leben schwer gemacht haben, und dies im<br />
Ruhestand zunehmend, hat er weiterh<strong>in</strong> an Veranstaltungen des<br />
Landesarchivs Baden-Württemberg, der Kommission <strong>für</strong> Geschichtliche<br />
Landeskunde <strong>in</strong> Baden-Württemberg und des<br />
Württembergischen Geschichts- und Altertumsvere<strong>in</strong>s teilgenommen,<br />
<strong>in</strong>teressiert und liebenswert, wie wir ihn kannten und<br />
schätzten. Joachim Fischer war präsent im archivarischen Kulturleben.<br />
Der Ruhestand, der im Jahr 2000 e<strong>in</strong>en neuen Lebensabschnitt<br />
<strong>für</strong> den Leiter des Staatsarchivs Freiburg und die Rückkehr<br />
an se<strong>in</strong>en früheren Dienst- und Wohnort Stuttgart bedeutete,<br />
war <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht ke<strong>in</strong>e Zäsur.<br />
In die Archivverwaltung Baden-Württemberg war Joachim<br />
Fischer 1964 e<strong>in</strong>getreten, zunächst als wissenschaftlicher Angestellter<br />
bei der Abteilung Landesbeschreibung <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen, bevor<br />
er von 1965 bis 1967 am Hauptstaatsarchiv Stuttgart und an der<br />
Archivschule Marburg als Teilnehmer des 8. Wissenschaftlichen<br />
Kurses die Ausbildung <strong>für</strong> den Höheren Archivdienst absolvierte.<br />
Geboren <strong>in</strong> Ravensburg als Sohn des im Krieg gefallenen Vermessungsrates<br />
Eugen Fischer und se<strong>in</strong>er Ehefrau Reg<strong>in</strong>a geb. Utz und<br />
aufgewachsen im nahe gelegenen Waldsee, hatte er 1956 am<br />
Gymnasium <strong>in</strong> Wangen im Allgäu das Abitur abgelegt, um<br />
unnmittelbar danach <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen und Poitiers die Fächer Französisch<br />
und Geschichte zu studieren. Das Studium schloss er mit<br />
dem Staatsexamen (1961) und der Promotion <strong>in</strong> mittelalterlicher<br />
Geschichte an der philosophischen Fakultät der Universität<br />
Tüb<strong>in</strong>gen (1964) ab.<br />
Nach der Übernahme <strong>in</strong> den Archivdienst des Landes war Joachim<br />
Fischer dann zunächst jeweils kurzfristig verschiedenen<br />
Staatsarchiven des Landes zugewiesen. Er selbst hat es immer als<br />
prägend angesehen, dass er <strong>in</strong> jungen Jahren diesen breiten<br />
Erfahrungshorizont und e<strong>in</strong>e persönliche Beziehung zu allen<br />
Regionen <strong>in</strong> der Archiv- und Kulturlandschaft des Landes aufbauen<br />
konnte. Dadurch war er auch <strong>in</strong> allen <strong>Archive</strong>n bekannt<br />
und mit ihnen vertraut. Nach Stationen am Staatsarchiv Ludwigsburg<br />
(ab April 1967), am Generallandesarchiv Karlsruhe (ab<br />
August 1968) und an dessen damaliger Außenstelle <strong>in</strong> Freiburg<br />
ARCHIVAR 62. Jahrgang Heft 04 November 2009