Ein Haus für Alle - Menzeldorf.nbhs.de
Ein Haus für Alle - Menzeldorf.nbhs.de
Ein Haus für Alle - Menzeldorf.nbhs.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Al Nadi — Treffpunkt, Beratung und Kurse <strong>für</strong> arabische Frauen<br />
Lina Ganama, Hannah Drexel<br />
Al Nadi ist eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle<br />
<strong>für</strong> arabische Frauen unterschiedlichster<br />
Nationalitäten aus ganz Berlin. Al Nadi<br />
existiert seit 1979 und wird unterstützt von <strong>de</strong>r<br />
Auslän<strong>de</strong>rbeauftragten <strong>de</strong>s Senats von Berlin.<br />
Wir wollen Fahrrad fahren!<br />
Es fi ng damit an, dass unsere Besucherinnen<br />
– arabische Frauen aus ganz Berlin – immer<br />
wie<strong>de</strong>r die Photos <strong>de</strong>s ersten Fahrradkurses aus<br />
<strong>de</strong>m Jahr 1989 bewun<strong>de</strong>rten, die schön gerahmt<br />
in unseren Räumen hängen. Immer öfter wur<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Wunsch geäußert: Wir wollen auch Fahrrad<br />
fahren lernen! Aber wo und wann? Nach einigem<br />
Hin und Her riefen wir in <strong>de</strong>r Jugendverkehrsschule<br />
Schöneberg an und vereinbarten sechs<br />
Termine. Als es soweit war, kamen elf freudig<br />
aufgeregte Frauen, einige hatten wegen <strong>de</strong>r<br />
Ferien ihre Kin<strong>de</strong>r dabei.<br />
Unabhängigkeit durch’s Fahrrad<br />
Warum viele unserer Besucherinnen nicht<br />
Fahrrad fahren können, liegt an <strong>de</strong>n traditionellen<br />
Vorstellungen, die in <strong>de</strong>n meisten arabischen<br />
Län<strong>de</strong>rn noch weit verbreitet sind. Dort ist es<br />
nicht üblich, dass Mädchen Fahrrad fahren lernen,<br />
weil sie damit angeblich Gefahr laufen, ihre<br />
Jungfräulichkeit zu verlieren, was einer familiären<br />
Katastrophe gleich käme.<br />
Hier erleben die Frauen, dass es völlig normal<br />
ist, als Frau Fahrrad zu fahren und entwickeln <strong>de</strong>n<br />
Wunsch, mit ihren Kin<strong>de</strong>rn gemeinsam fahren zu<br />
können, mit ihnen Ausfl üge zu machen, kleine<br />
<strong>Ein</strong>käufe per Fahrrad zu erledigen und sich insgesamt<br />
unabhängiger bewegen zu können.<br />
Die meisten Teilnehmerinnen am Fahrradkurs<br />
hatten schon zuvor auf eigene Faust Lernversuche<br />
unternommen, meist mit Hilfe ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
auf <strong>de</strong>m Hof. Diese waren allerdings regelmäßig<br />
gescheitert. Die Straße wie<strong>de</strong>rum ist zu gefährlich,<br />
um dort fahren zu lernen, außer<strong>de</strong>m sind<br />
ihnen oft die hiesigen Verkehrszeichen nicht<br />
bekannt.<br />
Als wir zum ersten Termin in die Jugendverkehrsschule<br />
kamen, war es <strong>für</strong> die Frauen eine<br />
sehr große Überraschung, dass dort ein Polizist<br />
in Uniform stand, <strong>de</strong>r sie sehr freundlich begrüßte<br />
und sich als ihr künftiger Fahrradlehrer vorstellte.<br />
Je mehr er re<strong>de</strong>te, <strong>de</strong>sto erstaunter wur<strong>de</strong>n sie.<br />
Für die meisten Frauen war dies das erste Mal<br />
in ihrer Zeit in Deutschland, dass sie die Polizei<br />
im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes als „Freund und<br />
Helfer“ erlebten. Polizei als solche ist bei <strong>de</strong>n<br />
meisten Migrant/innen sehr negativ und mit viel<br />
Angst besetzt. Dies beruht auf oft existentiell<br />
bedrohlichen, negativen persönlichen o<strong>de</strong>r von<br />
An<strong>de</strong>ren gemachten Erfahrungen mit Polizei in<br />
Form von Bun<strong>de</strong>sgrenzschutz, Kripo o<strong>de</strong>r Auslän<strong>de</strong>rbehör<strong>de</strong>.<br />
Die Frauen fragten uns, ob alle<br />
Polizisten so nett seien und als wir diese Frage<br />
an „unseren“ Polizisten weitergaben, war er<br />
seinerseits erstaunt über diese Frage. Er sagte,<br />
er sei Verkehrspolizist und es sei seine Aufgabe,<br />
Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen Fahrradfahren beizubringen<br />
und überhaupt Leuten zu helfen.<br />
Die Frage <strong>de</strong>r Frauen hatte sein Interesse<br />
geweckt und so fragte er im Laufe <strong>de</strong>r Zeit nach<br />
unserem Projekt und unserem Träger, nach<br />
unseren Aktivitäten, woher die Frauen <strong>de</strong>nn<br />
kämen u. s. w. Wir erzählten ihm daraufhin viel<br />
über die Geschichten <strong>de</strong>r einzelnen Frauen, je<strong>de</strong><br />
entwe<strong>de</strong>r Flüchtlingsfrau o<strong>de</strong>r nachgezogene<br />
Ehefrau, aus <strong>de</strong>m Irak, <strong>de</strong>m Libanon, Syrien, aus<br />
Marokko und Israel, die meisten alleinstehend<br />
mit Kin<strong>de</strong>rn, von ihren Männern verlassen, einige<br />
ohne festen Aufenthalt, obwohl schon seit<br />
sechs, zehn o<strong>de</strong>r 13 Jahren in Deutschland. Vor<br />
allem die aufenthaltsrechtliche Problematik war<br />
ihm völlig neu und insgesamt zeigte er sich sehr<br />
berührt von <strong>de</strong>n unterschiedlichen Schicksalen<br />
<strong>de</strong>r Frauen.<br />
Zum ersten Termin kamen in Unkenntnis<br />
<strong>de</strong>r sportlichen Erfor<strong>de</strong>rnisse einige Frauen in<br />
Schuhen mit hohen Absätzen und die Kopftuchträgerinnen<br />
unter ihnen in langen Mänteln. Daraufhin<br />
wur<strong>de</strong> zum nächsten Termin von unserem<br />
Verkehrspolizisten passen<strong>de</strong>s Schuhwerk und<br />
Bekleidung „verordnet“. Nach<strong>de</strong>m die Kin<strong>de</strong>rfahrrä<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Verkehrsschule durch Verstellen<br />
71