Handbuch Um.Welt - Klimawandel, Biodiversität und ... - VNB
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Der Aufbau der <strong>Welt</strong><br />
Die unzähligen Götter <strong>und</strong> Geister bilden zusammen ein hierarchisch aufgebautes System: Die<br />
oberste Klasse bilden die drei Götter, die bei der <strong>Welt</strong>schöpfung mitgewirkt haben; darunter<br />
befinden sich die Gottheiten, die territorial, z.B. an einen Fluss oder Berg, geb<strong>und</strong>en sind; ganz<br />
unten stehen die persönlichen Haus- <strong>und</strong> Familiengeister.<br />
Die drei höchsten Götter leben auf drei verschiedenen <strong>Welt</strong>ebenen. Nach den Vorstellungen der<br />
Chanty <strong>und</strong> Mansi besteht die <strong>Welt</strong> aus drei vertikal aufeinander aufgebauten Ebenen: der Oberen<br />
<strong>Welt</strong> (dem Himmel), der Mittleren <strong>Welt</strong> (der Erde) <strong>und</strong> der Unterwelt. Im Himmel leben nur gute<br />
Wesen, auf der Erde gute <strong>und</strong> böse, die Unterwelt bewohnen nur böse Wesen. Über das himmlische<br />
Pantheon regiert der Gott Torum oder auch Num Torum genannt. „Torum“ bedeutet der „Himmel“,<br />
das „Universum“, das „Wetter“, „Num“ bedeutet der „obere“. „Torum“ ist der Schöpfer der Erde,<br />
der Lichtspender <strong>und</strong> der Bewahrer der <strong>Welt</strong>ordnung. Er sieht für jeden Menschen eine bestimmte<br />
Lebensspanne vor, hilft ihnen bei Ges<strong>und</strong>heitsproblemen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Betätigungen.<br />
Neben Torum gehört auch die Göttin der Erde zu den drei wichtigsten Gottheiten. Ihre Namen sind<br />
Kaltas-anki oder Kaltas-ekva. Kaltas-anki ist für die Fruchtbarkeit der Frauen <strong>und</strong> für Geburten<br />
zuständig, ebenso wirkt sie beschützend gegen Krankheiten.<br />
Außer an die Allgemeingottheiten der drei <strong>Welt</strong>ebenen glaubten die ob-ugrischen Völker auch an die<br />
Götter, die an ein bestimmtes Territorium wie z.B. an eine Flussbiegung, eine Sumpflandschaft oder<br />
einen Hügel geb<strong>und</strong>en waren. Diese Wesen waren nicht nur für die Ordnung ihres Territoriums,<br />
sondern auch für die <strong>Welt</strong>ordnung zuständig. Der Mensch war nicht fähig diese Geister zu bestrafen,<br />
sondern er konnte sie nur um etwas bitten. Diese Götter wurden von aus Holz geschnitzten Figuren<br />
dargestellt, die man in einem kleinen extra für sie gebauten Häuschen aufbewahrte. Wie man diese<br />
Figuren aussehen ließ <strong>und</strong> wie man sie kleidete, wurde individuell gestaltet. Die Chanty <strong>und</strong> Mansi<br />
nahmen an, dass sowohl diese Götter als auch die Menschen Metallschmuck, Perlen, Pelze, Pfeile<br />
<strong>und</strong> Tabakpfeifen mögen, weshalb solche Gegenstände regelmäßig verschenkt wurden.<br />
Die persönlichen Haus- <strong>und</strong> Familiengeister waren Wesen vom niedrigsten Rang. Sie wurden oft<br />
durch eine Holzfigur mit menschlichem Antlitz symbolisiert. Nur die Männer durften sich um diese<br />
Geister kümmern <strong>und</strong> sie aufbewahren. Je mehr man sich um diese Geister kümmerte, desto mehr<br />
kümmerte sich der Geist im Gegenzug um den Wohlstand <strong>und</strong> das Glück der Familie.<br />
Weit verbreitet war bei den Chanty <strong>und</strong> Mansi ebenso der Kult um verschiedene Tiere. Eine<br />
besondere Stellung nahm dabei der Bär ein. Verehrt als heiliges Tier, betrachtete man ihn auch<br />
als Urvater des Menschen, weshalb er als ein dem Menschen verwandtes Wesen angesehen wurde.<br />
Die Heiligkeit des Bären wurde auch in der Sprache zum Ausdruck gebracht; selbst das Wort „Bär“<br />
war tabuisiert: Wenn man ihn erwähnte oder sich an ihn wendete, wurde er umschrieben, z.B. als<br />
„Onkel“, „Alte“ oder „Waldmensch“. Es sind etwa 132 Namen zur Bezeichnung des Bären bekannt.<br />
Eine besondere Stellung neben dem Bären nahm im Tierkult der Elch ein. Der Elch war ein Tier<br />
göttlichen Ursprungs <strong>und</strong> konnte die menschliche Sprache verstehen. Wenn man über einen Elch<br />
sprach, umschrieb man ihn mit verschiedenen Bezeichnungen. Der Elch wurde mit Wohlstand in<br />
Verbindung gebracht. Eine besondere Haltung pflegte man auch gegenüber dem H<strong>und</strong>, der, wie man<br />
annahm, Kontakt zum Reich der Geister <strong>und</strong> der Toten aufnehmen konnte. Der H<strong>und</strong> hatte wie der<br />
Bär einen göttlichen Ursprung <strong>und</strong> hatte früher die Gestalt eines Menschen.<br />
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