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Handbuch Um.Welt - Klimawandel, Biodiversität und ... - VNB

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Die Verantwortlichen der Sommercamps bestehen aus mehreren Generationen im Alter von 15 bis<br />

70 Jahren. Die älteste Generation (die von allen Mitarbeitern in den Sommercamps als die wichtigste<br />

Gruppe angesehen wird) sind die über 70-jährigen, die als Träger der authentischen ethnischen<br />

Folklore <strong>und</strong> der Muttersprache gelten. Das sind vor allem Frauen, die in traditionellen Dörfern<br />

aufgewachsen sind <strong>und</strong> früher in traditionellen Wirtschaftszweigen arbeiteten. Sie verfügen über<br />

besondere Fähigkeiten im traditionellen lokalen Handwerk, wie zum Beispiel dem Nähen oder<br />

Sticken. Die jüngeren Generationen der Ethno-PädagogInnen bringen dieses Wissen nicht mit. So<br />

mussten viele der indigenen Intellektuellen <strong>und</strong> Wissenschaftler, die die Sommercamps ins Leben<br />

gerufen haben <strong>und</strong> die heute 50 bis 60 Jahre alt sind, zunächst ihre eigene Identität als Chanty oder<br />

Mansi wieder gewinnen, bevor sie den Kindern diese Identität vermitteln konnten. Eine weitere<br />

Altersgruppe, die an den Sommercamps beteiligt ist, ist die der Männer <strong>und</strong> Frauen zwischen<br />

30 <strong>und</strong> 40. Manche von ihnen sind – zumindest bis zum Schulbesuch – in traditionellen Dörfern<br />

oder Rentierlagern aufgewachsen, in denen die Weitergabe von Wissen von einer Generation zur<br />

nächsten nicht unterbrochen wurde <strong>und</strong> auch noch in der Muttersprache stattfand. Manche lebten<br />

zwar in den Siedlungen, verbrachten aber ihre Ferien mit ihren Großeltern in den traditionellen<br />

Dörfern. Ein Pädagoge, Nikolai Tas’manov aus dem Sommercamp ‚Numsang Iokh’, erzählt:<br />

„Ich erinnere mich an die Zeit, die ich mit meinem Großvater verbracht habe. [ …] Ich habe diese<br />

Zeit nicht wirklich zu schätzen gewusst, als ich jung war; ich habe ihn nicht genug gefragt. Aber<br />

heute ist diese Erinnerung die wichtigste für mich <strong>und</strong> für meine Arbeit mit den Kindern.“ 67<br />

Andere indigene PädagogInnen im selben Alter sind vollständig in den Siedlungen aufgewachsen,<br />

oft in „gemischten“ Familien, in denen ein Elternteil russisch <strong>und</strong> ein Elternteil indigen ist oder<br />

beide unterschiedlichen Ethnien angehören, <strong>und</strong> haben die Weitergabe indigenen Wissens durch<br />

die ältere Generation nie oder nur oberflächlich erlebt <strong>und</strong> bezeichnen sich nicht als „Indigene“. Sie<br />

„entdeckten“ ihre Indigenität erst während der Arbeit in den Sommercamps.<br />

Und schließlich gibt es einige jugendliche ErzieherInnen, die der jüngsten Generation zwischen 16<br />

<strong>und</strong> 25 angehören <strong>und</strong> die von Kind auf an den Sommercamps teilgenommen haben. 68<br />

Für die meisten Teilnehmenden sind die Sommercamps die einzige Möglichkeit, mehr über ihren<br />

kulturellen Hintergr<strong>und</strong> zu erfahren. Das ist insbesondere für diejenigen sehr wichtig, die in<br />

städtischen Gegenden leben, wie im Fall dieser jungen Mansi, die in der Ölstadt Surgut lebt:<br />

„Das Sommercamp ‘Man’ Uskve’ ist meine einzige Möglichkeit [um mehr über meine Kultur<br />

zu lernen]. Ohne das Camp wüsste ich nicht, dass ich so starke <strong>und</strong> mächtige Wurzeln habe.<br />

Ich glaube auch, dass man zwar viel aus Büchern lernen kann, aber die Bücher können die<br />

direkte Weitergabe nicht ersetzen. Ein Gespräch, besonders mit alten Menschen, deren Köpfe<br />

wie Schatzruhen sind, gibt mir mehr, als ein Buch zu lesen.“ 69<br />

67 Schröder, Ina (2008): Interview mit Nikolai Tas’manov, S. 79f.<br />

68 Ebd. S. 81.<br />

69 Ebd. Interview mit Yulia Sachenko, S. 89.

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