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Handbuch Um.Welt - Klimawandel, Biodiversität und ... - VNB

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Die Herstellung jedes Gegenstandes ähnelt einem Ritual. Nur dann kann eine Sache seinem<br />

Besitzer gut dienen, wenn dieser sie mit viel Mühe <strong>und</strong> Sorgsamkeit hergestellt hat. Der Prozess<br />

der Herstellung hängt unmittelbar mit der <strong>Welt</strong>anschauung der Menschen zusammen. Noch be-<br />

vor eine Sache hergestellt wird, tritt der Mensch in eine Beziehung zu ihr: So wird manchmal<br />

tagelang der richtige Baum zum Bootsbau ausgesucht. Das Material sollte nicht nur praktische,<br />

sondern auch symbolische Anforderungen erfüllen: Särge werden beispielsweise aus Zedernholz<br />

hergestellt, da dieser Baum einen Teil der dunklen Unterwelt darstellt. Kinderwiegen dagegen sind<br />

aus Birkenholz gefertigt, da dieser Baum einen Teil der hellen, oberen <strong>Welt</strong> symbolisiert, in der<br />

es keine Krankheiten gibt. Die Herstellung eines Gegenstandes ist vollendet, nachdem dieser mit<br />

traditionellen Ornamenten versehen ist.<br />

Die Männer bearbeiten hauptsächlich Holz, Metall <strong>und</strong> Knochen. Die Frauen nähen aus Fellen <strong>und</strong><br />

anderen Materialien Kleidung <strong>und</strong> Schuhe, stricken <strong>und</strong> basteln Haushaltsgeschirr aus Birkenrinde.<br />

Materialien <strong>und</strong> Artefakte<br />

Im Folgenden werden verschiedene Materialien, ihre Bearbeitungsweise <strong>und</strong> (Kunst-)<br />

Handwerksgegenstände der Chanty beschrieben, die sich zum großen Teil in der im<br />

Rahmen des Projekts erstellten Schatzkiste befinden.<br />

Die Birkenrinde<br />

Birkenrinde war in der Vergangenheit eines der am weitesten verbreiteten Materialien in der<br />

Taiga. Am häufigsten benutzte man Birkenrinde für die Herstellung von Haushaltsgeschirr, da sie<br />

antiseptisch wirkt. Wegen ihrer Wasser<strong>und</strong>urchlässigkeit diente sie als Tschumplane (im Sommer)<br />

<strong>und</strong> als Schlittenbedeckung. Die Birkenrinde sammelte <strong>und</strong> sammelt man heute noch drei Mal pro<br />

Jahr in Mischwäldern ein: im Mai, im Juni/Juli <strong>und</strong> im Herbst.<br />

Die Nutzung der Birkenrinde hatte nicht nur eine materielle, sondern auch eine symbolische Bedeutung.<br />

Da die weiße Birke immer hohe <strong>und</strong> helle Orte bevorzugt, dachte man, sie diene als Vermittler<br />

zwischen der mittleren <strong>Welt</strong> (der Erde) <strong>und</strong> der oberen <strong>Welt</strong>. Die weiße Farbe der Birke galt <strong>und</strong> gilt<br />

als Symbol für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlstand, da es in der oberen <strong>Welt</strong> keine Krankheiten gab (siehe:<br />

2.2.3 Mythologische <strong>Welt</strong>anschauung).<br />

Das Fell<br />

Zu einem häufig benutzten Material in den nördlichen Breiten der Jugra gehört das Fell. Am<br />

häufigsten werden Felle von einem Rentier, Hasen, Eichhörnchen oder Fuchs verarbeitet. Daraus<br />

nähen Frauen Kleidung, Mäntel, Schuhe <strong>und</strong> Mützen. Weit verbreitet sind Säckchen <strong>und</strong> Taschen aus<br />

Fell zur Lagerung von Kleidung <strong>und</strong> kleinen Gegenständen. Die Sachen werden durch traditionelle<br />

Ornamente ausgeschmückt, indem man zum Beispiel helle <strong>und</strong> dunkle Fellstreifen zusammennäht<br />

<strong>und</strong> dadurch Kontraste schafft.<br />

Die Bearbeitung der Felle ist sehr aufwendig <strong>und</strong> erfordert viel Mühe. Die Chanty <strong>und</strong> Mansi<br />

bearbeiten die Felle mit Hilfe von Fischinnereien bestimmter Fische. Die Fischinnereien werden<br />

dafür zu einer Masse gekocht <strong>und</strong> auf das Fell aufgetragen. Diese Prozedur wird mehrmals<br />

wiederholt, dazwischen lässt man das Fell 2-3 St<strong>und</strong>en unter Druck liegen <strong>und</strong> knittert es mit der<br />

Kehrseite einer Axt. Dadurch wird ein Fell weich, elastisch <strong>und</strong> fest.<br />

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