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Handbuch Um.Welt - Klimawandel, Biodiversität und ... - VNB

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2.3.3 Das „Parlament der Völker der Erde“<br />

Das „Parlament der Völker der Erde“ findet seit 2000 am Ende jeder Sommercampsaison vor<br />

allem in den Sommercamps ‘Numsang Iokh’ oder ‘Man’ Uskve’ für drei bis fünf Tage statt <strong>und</strong><br />

kann als Kommunikationsplattform für junge Indigene verstanden werden. Das Parlament darf<br />

nicht als demokratische Repräsentation der indigenen Gruppen der Region verstanden werden.<br />

Im Gegensatz zur europäischen Verwendung des Begriffs, verwenden die ErzieherInnen ihn im<br />

Sinne der französischen Wurzel des Wortes parler <strong>und</strong> möchten aktuelle Probleme in indigenen<br />

Siedlungen diskutieren <strong>und</strong> nach Lösungen suchen. Die ErzieherInnen laden daher Teenager aus<br />

Saranpaul <strong>und</strong> Kazym zu dem „Parlament“ ein, die mehrmals an den Sommercamps teilgenommen<br />

haben, sowie andere Jugenddelegationen aus Nachbarregionen oder aus dem Ausland, zum Beispiel<br />

aus Deutschland. Soziale Netzwerke <strong>und</strong> verwandtschaftliche Bindungen, ebenso wie lokale<br />

Traditionen, werden als bestimmende Faktoren für die unternehmerische Entwicklung gesehen.<br />

Daher sollten als heilig geltende Lieder, Tänze <strong>und</strong> Muster vor Kommerzialisierung geschützt<br />

werden. In diesem Kontext dient das „Parlament“ als Diskussions- <strong>und</strong> Verhandlungsplattform,<br />

auf der generationenübergreifend diskutiert wird, welche traditionellen Elemente genutzt werden<br />

können <strong>und</strong> auf welche Weise. Als Bezugspunkte werden die Empfehlungen der Ältesten <strong>und</strong>/oder<br />

wissenschaftliche Publikationen indigener Wissenschaftler genutzt. Die Diskussionen offenbaren<br />

einerseits die Bereitschaft der jungen Generation für Veränderung <strong>und</strong> für das Brechen traditioneller<br />

„Tabus“, andererseits auf der Seite der älteren Generation eine eher „konservative“ Haltung, welche<br />

die Kinder ermahnt, die Tradition erst kennen zu müssen um sie dann in einem zweiten Schritt<br />

bewusst <strong>und</strong> mit nötigem Respekt vor heiligen Stätten zu entwickeln. 70<br />

Während russische <strong>und</strong> westliche Anthropologen vor einer „Musealisierung“ des Traditionellen<br />

warnen, im Zuge derer indigene Völker als „lebende Exponate“ dienen würden, nutzen einheimische<br />

Intellektuelle es als pragmatische Strategie für einen politischen Kampf um ihre ethnische Identität<br />

zu konstruieren, mehr Kontrolle über die Landnutzung <strong>und</strong> mehr politische <strong>und</strong> kulturelle<br />

Selbstbestimmung zu erreichen. 71<br />

2.3.4 Ein kritisches Thema: Die Erdölförderung<br />

Beispiel Naturpark Numto (siehe auch: 2.1.3)<br />

Trotz des Status als Naturpark ist hier eine wirtschaftliche Nutzung <strong>und</strong> damit auch die Bohrung<br />

<strong>und</strong> Förderung von Öl in lizenzierten Regionen möglich. R<strong>und</strong> um den Naturpark wird schon seit<br />

längerer Zeit intensiv Öl gefördert. Seit 2001 werden auch im Naturpark von der Ölgesellschaft<br />

Surgutneftegas aktiv Bohrungen durchgeführt. Die 41 Familien, die auf dem Territorium leben,<br />

sind unmittelbar davon betroffen. Der Konflikt zwischen der indigenen Minderheit <strong>und</strong> den<br />

Ölkonzernen entsteht, weil die lokale Bevölkerung nicht über die Bohrungspläne der Ölgesellschaft<br />

informiert wird <strong>und</strong> die Bohrtürme in der Nähe traditioneller Camps aufgestellt werden. Die<br />

70 Schröder, Ina 2008, S. 82f.<br />

71 Stammler, Florian (2005): Tradition als Entwicklungskonzeption für die indigenen Völker im Norden Russlands. In: S. Bauer<br />

(ed.), Bruchlinien im Eis: Ethnologie des zirkumpolaren Nordens; S. 184–207. Bd. 1. Wien: Lit-Verlag. (Schriftenreihe: Beiträge<br />

zum zirkumpolaren Norden), S. 189.<br />

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