Niedersächsisches Kultusministerium Einheitliche ...
Niedersächsisches Kultusministerium Einheitliche ...
Niedersächsisches Kultusministerium Einheitliche ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
EPA in der Abiturprüfung für die Unterrichtsfächer BW mit REW/C, IV, VW im FG – Wirtschaft –<br />
Obwohl das Land keineswegs überschuldet war, sondern lediglich zu viele kurzfristige<br />
und in der Krise kündbare Darlehen aufgenommen hatte, erzwang der IWF ein<br />
Sparprogramm, das die Rezession drastisch verschärfte. In deren Verlauf konnten<br />
sich transnationale Konzerne aus den USA, Japan und Europa zu Ausverkaufspreisen<br />
in Südkorea einkaufen.<br />
Diese Kritik teilt mittlerweile sogar der frühere Chefökonom der Weltbank, Joseph<br />
Stiglitz. Die globalen Finanzinstitute, so schrieb Stiglitz in der Zeitschrift „The New<br />
Republic“, hätten die Asienkrise auf Kosten der Bevölkerung verschärft. Zugleich<br />
bestätigte er den Vorwurf, das Finanzregime untergrabe demokratische Prinzipien.<br />
„Wir sind nicht Gegner, sondern Kritiker der Globalisierung“, stellt Barbara Unmüßig<br />
klar, Aktivistin der ersten Stunde in der Organisation „Weltwirtschaft, Ökologie<br />
und Entwicklung“ (Weed). Unmüßig und viele ihrer Mitstreiter können präzise benennen,<br />
wo die globale Integration schief läuft.<br />
So sind etwa gewerkschaftliche Rechte bis heute keineswegs globalisiert. Anders<br />
als die Handelsregeln der WTO werden Verstöße gegen die geltenden UNO-<br />
Konventionen zur Gewerkschaftsfreiheit oder zum Verbot von Kinderarbeit nicht<br />
mit Sanktionen geahndet. Darum beteiligen sich in den USA viele tausend Aktivisten<br />
an Kampagnen gegen die schrankenlose Ausbeutung in den Textilfabriken Mexikos,<br />
Nicaraguas und Indonesiens, wo Näherinnen für ein paar Cent pro Stunde<br />
teure Markenjeans produzieren, aber jeder Versuch der Selbstorganisation mit Gewalt<br />
unterdrückt wird.<br />
Nicht die globale Verschmelzung ruft den Protest hervor, sondern deren einseitige<br />
Gestaltung zu Gunsten der Stärkeren. Nicht die globale Freiheit des Kapitals, sondern<br />
die globale Unfreiheit der Opfer dieses Prozesses erzürnt die neuen Protestler.<br />
Darum verfängt auch die stete Beschwörung von Marktgläubigen wie Tony Blair<br />
nicht, der wachsende Welthandel mehre aber doch insgesamt den Wohlstand.<br />
Denn unbestreitbar ist eben auch, dass diese Zuwächse immer ungleicher verteilt<br />
werden, weil die Erwerbsarbeit immer weniger als Medium zur Verteilung dient.<br />
Im harten globalen Standortwettbewerb schrumpft die Macht der Gewerkschaften,<br />
auf Löhne und Gehälter entfällt ein immer kleinerer Anteil am Ertrag. Selbst in der<br />
Bundesrepublik mit ihren egalitären Traditionen sank ihr Anteil am gesamten<br />
Volkseinkommen binnen sieben Jahren von 52 auf knapp 42 Prozent.<br />
Zugleich können die nationalen Regierungen die Steuerpolitik nicht mehr nutzen<br />
um dagegenzuhalten. Längst sind sie in einen weltweiten Steuersenkungswettbewerb<br />
für Unternehmen und Kapitalbesitzer verstrickt. Schon 1995 zahlten Kapitalgesellschaften<br />
in der EU 40 Prozent weniger Steuern als ein Jahrzehnt zuvor.<br />
Wirklich bedrohlich ist jedoch der Abgrund, der sich zwischen den Wohlstandsländern<br />
und dem Rest der Welt auftut. Im Jahr 1960 erzielte das reiche Wohlstandsfünftel<br />
der Weltbevölkerung ein Pro-Kopf-Einkommen, das 30-mal höher lag als<br />
die Wirtschaftskraft der ärmsten 20 Prozent; 1999 erreichte die Differenz das<br />
78fache.<br />
Längst kann sich die Protestbewegung auch auf Kronzeugen aus genau jener Elite<br />
berufen, die sie bekämpft. So bekannte jüngst der deutsche IWF-Chef Horst Köhler,<br />
„die extremen Ungleichgewichte in der Verteilung der Wohlfahrtsgewinne werden<br />
mehr und mehr zu einer Bedrohung der politischen und sozialen Stabilität“. Ein<br />
weiterer prominenter Sympathisant der Globalisierungskritiker ist ausgerechnet<br />
George Soros, der wohl berühmteste aller Spekulanten. Er macht sich für eine<br />
strenge Regulierung der Finanzmärkte stark.<br />
Dieser wachsende Reigen der Dissidenten aus der internationalen Politik- und Finanzelite<br />
illustriert jedoch zugleich, wie ratlos auch viele derjenigen sind, die den<br />
Demonstranten als die Lenker der Globalisierung erscheinen. Selbst die scheinbar<br />
übermächtigen Konzernbosse beklagen, sie seien mit den Anliegen ihrer Kritiker<br />
überfordert. „Wo Menschen früher die Lösung politischer und ökologischer Probleme<br />
von der Regierung erwarteten, fordern sie jetzt Unternehmen direkt dazu auf,<br />
die Rolle zu übernehmen“, beobachtete der Präsident des Ölgiganten Royal<br />
Dutch/Shell, Cornelius Herkströter. Doch „wir haben gar nicht die Befugnis, diese<br />
Aufgaben zu übernehmen“, weist er die Verantwortung von sich, „wir haben kein<br />
Mandat“.<br />
Gleichzeitig machen die Mandatsträger jedoch die Erfahrung, dass sie sich besser<br />
den Forderungen der Multis beugen, weil sie sonst mit Kapitalflucht und Investitionsstopp<br />
bestraft werden. Der milliardenschwere Subventionssegen für Chip- und<br />
94