Einführung zum Praxismaterial aus dem Projekt ... - Frühe Chancen
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DJI/<strong>Projekt</strong> „Sprachliche Bildung und Förderung für Kinder unter Drei“ Juni 2011<br />
3.3. Mehrsprachigkeit als eine Variante der frühen Sprachentwicklung<br />
Die sprachliche Entwicklung von mehrsprachigen Kindern wird im Rahmen dieses <strong>Projekt</strong>ansatzes nicht<br />
als Sondersituation verstanden. Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, durchlaufen in jeder ihrer<br />
Sprachen grundsätzlich die gleichen Etappen wie Kinder, die nur mit einer Sprache groß werden. Der<br />
Experte Herr Prof. Dr. Hans H. Reich gibt dazu <strong>aus</strong>führliche Erläuterungen:<br />
„Dies bedeutet nun aber nicht, dass sich alle Kinder gleichen Alters dieselben sprachlichen Fähigkeiten im<br />
gleichen Zeitraum aneignen. Auch der Spracherwerb einsprachiger Kinder verläuft in unterschiedlichem<br />
Tempo und nach einem je individuellen Rhythmus. Wie schnell nun die zweisprachig aufwachsenden<br />
Kinder die Entwicklungsstufen in ihrer einen und in ihrer anderen Sprache durchlaufen, hängt aber nicht<br />
nur von ihrer Persönlichkeit, sondern in entscheiden<strong>dem</strong> Maße von ihren Sprachkontakten ab. Es ist<br />
grundsätzlich möglich und es kommt unter günstigen Umständen auch in der Wirklichkeit vor, dass ein<br />
Kind zwei Sprachen von Anfang mit der gleichen Geschwindigkeit und in gleichem Ausmaß erwirbt.<br />
Normalerweise aber sind die Sprachkontakte in der einen und in der andern Sprache nach ihrem Ausmaß,<br />
ihrer persönlichen, insbesondere emotionalen Bedeutung für das Kind und nach ihrem kommunikativen<br />
und kognitiven Gehalt unterschiedlich. Darum verläuft der Erwerb zweier Sprachen in der Mehrzahl der<br />
Fälle mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Zu einem gegebenen Zeitpunkt seiner Entwicklung wird das<br />
Kind also über eine schwächere und eine stärkere Sprache verfügen. Ändern sich Ausmaß, Bedeutung und<br />
Gehalt der Sprachkontakte des Kindes, wird sich auch die Geschwindigkeit seines Erwerbs der einen oder<br />
der anderen Sprache ändern.<br />
In der stärkeren Sprache verläuft die Entwicklung sozusagen im erwartbaren Tempo und im erwartbaren<br />
Rhythmus. In der schwächeren Sprache verläuft die Entwicklung langsamer. Die kennzeichnenden<br />
sprachlichen Erscheinungen treten später auf als bei Kindern, für die diese Sprache die stärkere oder die<br />
einzige Sprache ist. Der Wortschatz bleibt weniger umfangreich, die Regeln der Grammatik werden mit<br />
geringerer Sicherheit angewendet, Übergangsformen bleiben länger im Gebrauch. Es kann auch<br />
vorkommen, dass Ausspracheeigenheiten, Wortschatzelemente und sogar grammatische Regeln <strong>aus</strong> der<br />
stärkeren in die schwächere Sprache übernommen werden. Dies ist aber, wie schon gesagt, nicht<br />
unumkehrbar. Zusammen mit einer guten Kommunikation der Kinder im Elternh<strong>aus</strong> im Medium der<br />
Familiensprache kann eine Förderung der deutschen Sprache in der Kindertagesstätte zu einer gelingenden<br />
Zweisprachigkeit führen.“ (Reich 2011, S. 1f.)<br />
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