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Einführung zum Praxismaterial aus dem Projekt ... - Frühe Chancen

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DJI/<strong>Projekt</strong> „Sprachliche Bildung und Förderung für Kinder unter Drei“ Juni 2011<br />

3.4. Sprachliche Entwicklungsprozesse entdecken und beobachten<br />

Um Spracherwerb in all seinen Aspekten und Besonderheiten erfassen zu können, ist eine weit gefasste,<br />

interdisziplinäre Sichtweise auf kindliche Sprache von zentraler Bedeutung (Kap. 2.2 Prinzipien des<br />

DJI-Ansatzes). Weit gefasst meint, den Blick nicht nur auf die sprachlichen Strukturen, also auf<br />

Aussprache und Sprachmelodie (Laute und Prosodie), auf die vom Kind produzierten Wörter (Wörter<br />

und ihre Bedeutung) und grammatischen Fähigkeiten (Satzbau und Wortbildung) zu richten, sondern<br />

eben auch auf die Funktionen, die Sprache im Bereich des Denkens (sprachlich-kognitive Entwicklung)<br />

und im sozialen Handeln (sozial-kommunikative Entwicklung) erfüllt. Mehr dazu können Sie in Heft 1<br />

des <strong>Praxismaterial</strong>s nachlesen.<br />

Ein Beispiel macht deutlich, welche faszinierenden Entwicklungsschritte wir entdecken können, wenn<br />

wir mit diesem weiten Blick auf Kindersprache schauen:<br />

Lars ist zwei Jahre und einen Monat alt und interessiert sich sehr für Autos, und zwar für Autos aller<br />

Art. Er sitzt auf <strong>dem</strong> Sofa und betrachtet ein Bilderbuch, in <strong>dem</strong> neben Menschen und Häusern<br />

verschiedene Fahrzeuge zu sehen sind: ein Bus, mehrere Pkw, ein Motorrad und ein kleiner Laster. Lars<br />

ist vollkommen in seinem Element, er deutet mit seinem Zeigefinger auf jedes Fahrzeug, das er auf den<br />

beiden Bilderbuchseiten entdeckt, und bezeichnet es mit „Audo“. Gleichzeitig ahmt er auch immer<br />

wieder die Geräusche eines Motors „brrrrrrrrm“ nach, wenn er ein weiteres Fahrzeug bemerkt. Mit<br />

Thilo (2;2 Jahre), der neben ihm auf <strong>dem</strong> Sofa sitzt, nimmt er nebenbei immer wieder Blickkontakt auf.<br />

Thilo beobachtet Lars genau und betrachtet mit etwas Abstand die Fahrzeuge im Bilderbuch, auf die<br />

Lars seinen Zeigefinger richtet.<br />

Lars hat sich das Wort „Audo“ und den lautmalerischen Ausdruck „brrrrm“ erobert. Diese<br />

Bezeichnungen setzt er fleißig ein und wendet sie an, sobald ihm ein entsprechendes Objekt ins<br />

Blickfeld gerät. Lars ist sich schon sicher, dass Objekte eine Bezeichnung haben, handhabt die<br />

Benennung der Dinge aber noch mit einer gewissen Großzügigkeit. Mit Lust verwendet er sein Wort<br />

„Audo“ oder den lautmalerischen Ausdruck für alle möglichen Fahrzeuge wie Lkw oder Busse, aber<br />

auch für ein Motorrad, das er im Bilderbuch entdeckt. Diese anfängliche Großzügigkeit, die von uns<br />

Erwachsenen häufig als Willkürlichkeit aufgefasst wird, ist typisch für diese Phase des Worterwerbs.<br />

Wenn man genau auf Lars„ Mundbewegungen achtet, kann man erkennen, dass er beim Wort „Audo“<br />

mit seinen Lippen eine sehr <strong>aus</strong>geprägte Schnute formt. Dies signalisiert uns, dass die Aussprache<br />

dieses Worts noch eine große Her<strong>aus</strong>forderung für den Jungen darstellt und seine gesamte<br />

Konzentration beansprucht.<br />

Außer<strong>dem</strong> können wir beobachten, dass Thilo für Lars in dieser Situation noch keine aktive Rolle als<br />

Gesprächspartner spielt. Lars ist primär damit beschäftigt, für sich die Welt zu sortieren. Dies gelingt<br />

ihm über die Bezeichnung der Gegenstände, hier mit <strong>dem</strong> Wort „Audo“. Aber mit diesem einen Wort<br />

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