Leben mit dem Tourette Syndrom - InteressenVerband Tic und ...
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3 Zur psychosozialen Situation behinderter Menschen 39<br />
Stigmatisierungen haben einen Rollenverlust zur Folge <strong>und</strong> dieser bedeutet eine<br />
verminderte Teilhabe an der Gesellschaft, so bleibt beispielsweise vielen stigmatisierten<br />
Personen der Zugang zu vielen Berufen verwehrt, wenn sie ihr Stigma<br />
nicht verbergen können (HOHMEIER, 1975).<br />
In Interaktionen zwischen Stigmatisierten <strong>und</strong> Nicht-Stigmatisierten orientiert<br />
sich die nicht-stigmatisierte Person nur an <strong>dem</strong> Stigma, d.h. das gesamte Verhalten<br />
<strong>und</strong> auch die Biographie werden auf das Stigma bezogen. Dieses hat zur Folge,<br />
dass es <strong>dem</strong> Stigmatisierten nicht leicht fällt „als vollwertiger Interaktionsspartner<br />
anerkannt zu werden, dass Interaktionen schwierig <strong>und</strong> in ihrer Fortsetzung<br />
ständig bedroht sind“ (a.a.O., S. 14). Auch wenn andere Personen ihm<br />
versichern, dass er akzeptiert wird, kann er wahrnehmen, dass dieses meistens<br />
doch nicht der Fall ist (GOFFMAN, 1992). Aber auch der Nicht-Stigmatisierte fühlt<br />
sich <strong>dem</strong> Kontakt meistens nicht gewachsen <strong>und</strong> aus diesen Interaktionsschwierigkeiten<br />
resultiert dann eine aus Spannungen, Unsicherheit, Verlegenheit <strong>und</strong><br />
Angst gekennzeichnete Situation, die dann dazu führt, dass es für den Stigmatisierten<br />
schwer ist seine Identität aufrechtzuerhalten bzw. überhaupt zu entwickeln.<br />
Besonders belastend ist hierbei die Diskrepanz zwischen virtualer <strong>und</strong> aktualer<br />
Identität. Das Individuum wird von sich selbst <strong>und</strong> von der Gesellschaft getrennt,<br />
„so dass es dasteht als eine diskreditierte Person angesichts einer sie nicht akzeptierenden<br />
Welt“ (a.a.O., S. 30). GOFFMAN (1992) nennt dieses die Beschädigung<br />
der Identität (vgl. auch 3.1.4).<br />
Es stellt sich nun die Frage, wie ein stigmatisiertes Individuum auf seine Situation<br />
antwortet. GOFFMAN (1992) nennt hierzu mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann<br />
die betreffende Person versuchen das zu korrigieren, was das Stigma verursacht<br />
hat. So kann sich z. B. eine physisch deformierte Person <strong>mit</strong> Hilfe der plastischen<br />
Chirurgie behandeln lassen.<br />
Des Weiteren kann auch indirekt versucht werden den Zustand zu korrigieren.<br />
Das geschieht dadurch, dass die stigmatisierte Person sich Tätigkeiten widmet,<br />
von denen man angenommen hätte, dass sie sie <strong>mit</strong> ihrer Unzulänglichkeit nicht<br />
ausführen könnte.