Leben mit dem Tourette Syndrom - InteressenVerband Tic und ...
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5 Eine qualitative Befragung 91<br />
nicht kennen <strong>und</strong> sie sind so<strong>mit</strong> unerwünscht anders. Von ihren Mitmenschen<br />
haben die Befragten schon oft zu spüren bekommen, dass sie anders, als erwartet<br />
wird, sind <strong>und</strong> von der Norm abweichen.<br />
Hermann <strong>und</strong> Anna haben schon erlebt, dass ihre Mitmenschen denken, dass sie<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer <strong>Tic</strong>s zusätzlich auch geistig eingeschränkt seien <strong>und</strong> ihnen so<strong>mit</strong><br />
noch andere negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Hier findet nach<br />
HOHMEIER (1975) eine Generalisierung statt (vgl. 3.1.2).<br />
Alle drei Betroffenen haben aber auch schon positive Reaktionen von ihren Mitmenschen<br />
erfahren, wenn sie sie über das <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> aufgeklärt haben.<br />
Dieses lässt darauf schließen, dass negative Reaktionen oft durch Unkenntnis hervorgerufen<br />
werden.<br />
Die Folgen der Stigmatisierung sind für alle drei, dass sie sich von der Gemeinschaft<br />
isoliert fühlen (vgl. 3.1.3). Hermann geht in Zeiten, in den seine Symptomatik<br />
sehr stark ausgeprägt ist, gar nicht aus <strong>dem</strong> Haus. Sven dagegen lässt sich<br />
von den Reaktionen nicht abhalten trotz<strong>dem</strong> aus <strong>dem</strong> Haus zu gehen, auch wenn<br />
er sich meistens nicht wohl fühlt, wenn ihm nachgeschaut wird. Anna ist bis zu<br />
ihrem 14. <strong>Leben</strong>sjahr, wenn ihre Symptomatik besonders ausgeprägt war, oft vor<br />
Fre<strong>und</strong>en oder anderen Menschen weggerannt, da sie daran gezweifelt hat als Person<br />
<strong>und</strong> als gesellschaftlicher Partner anerkannt zu werden (vgl. 3.1.3). Mittlerweile<br />
ist es ihr meistens egal, was Andere über sie denken.<br />
Alle der befragten Personen waren vor der Diagnose <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> sehr verzweifelt,<br />
da sie selber nicht wussten, was <strong>mit</strong> ihnen los ist. So konnten sie auch<br />
anderen nicht erklären, warum sie „ticen“. Demnach erreichten sie keinen Balancezustand<br />
zwischen ihrer virtualen <strong>und</strong> aktualen Identität (vgl. 3.2). Bei Hermann<br />
führte dieses zu einer richtigen <strong>Leben</strong>skrise. Er musste im Gegensatz zu Anna <strong>und</strong><br />
Sven auch viel länger ohne eine Diagnose leben, was für ihn sicherlich eine enorme<br />
Belastung war, vor allem weil er sich über Jahre hinweg nicht erklären konnte,<br />
was seine <strong>Tic</strong>-Symptome zu bedeuten haben. Anna redete sich u. a. die Krankheit<br />
Parkinson ein <strong>und</strong> fragte sich selber wer sie eigentlich sei <strong>und</strong> kam schon im Kindesalter<br />
auf höchst philosophische Gedanken. Für Sven stellte die Situation vor<br />
der Diagnose eine enorme Belastung in der Schule dar, da er von seinen Mitschülern<br />
für etwas gehänselt wurde, dass er nicht kontrollieren konnte <strong>und</strong> er ihnen