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Cicero 10 Jahre (Vorschau)

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Nicht unbedingt. Joschka Fischer<br />

ist dafür das historische Beispiel. Es gab<br />

2005 Schlagzeilen wie: „Ist Joschka Fischer<br />

zu dick für den Wahlkampf?“ Mit<br />

schlecht sitzenden Anzügen wird auch<br />

immer gerne eine Reportage eröffnet.<br />

Trittins Schnurrbart war Thema, Thierses<br />

Fusselbart. Und wenn man sich Katrin<br />

Göring-Eckardts Verwandlung anschaut,<br />

ihren Weg vom Bürstenschnitt zum langen<br />

Powerhaar, der weiblichen starken<br />

Mähne, mit dem Erklimmen der grünen<br />

Spitze, lässt das vermuten, dass auch unsere<br />

Politiker das Oberflächendesign inzwischen<br />

sehr ernst nehmen. Glauben Sie<br />

mir, wenn Frau Merkel zu ihrer alten Frisur<br />

zurückkehren würde, gäbe es viele<br />

Fragezeichen in den Gazetten.<br />

Anton Hofreiter.<br />

Ich bin gespannt, was sich da noch<br />

tun wird, ob er das bis zur nächsten Wahl<br />

durchziehen wird. Männer und lange<br />

Haare – da tickt sowieso die Uhr. Nicht<br />

jeder Mann kann bis ins Alter würdevoll<br />

lange Haare oder Pferdeschwanz tragen<br />

wie Karl Lagerfeld.<br />

die offensichtlich stundenlang in der<br />

Maske drapiert und mit Kunsthaar getunt<br />

wurden.<br />

So wie die New Yorker Wohnungen<br />

in Romantikkomödien immer unglaublich<br />

riesig sind, sind auch die Haare der<br />

Damen immer dicht, lang und glänzend.<br />

Das sind Genregesetze. Wenn wohlhabende<br />

Amerikaner Herzschmerz haben,<br />

will das Millionenpublikum träumen und<br />

keine beengten Wohnungen sehen. Oder<br />

lichtes Frauenhaar.<br />

Sie sagen, jeder hat ein besonderes Verhältnis<br />

zu seinen Haaren. Selbst wenn<br />

er keine mehr hat.<br />

Bei den Männern herrscht die große<br />

Angst vor der Glatze. Dabei sieht eine<br />

Glatze mit der richtigen Kopfform toll<br />

aus. Oder man macht dann auf Typ.<br />

Selbst mit einer Kopfform wie Bert kann<br />

das markant aussehen, wenn das Drumherum<br />

stimmt und man das Ganze mit<br />

Würde trägt. Frauen haben ab 40 diffusen<br />

Haarausfall, dann müssen die Haare<br />

schick arrangiert oder andere Ablenkungsmaßnahmen<br />

ergriffen werden.<br />

Wir sollten auch über Bärte sprechen.<br />

In dem Moment, in dem ein Trend<br />

in der Werbung allpräsent ist, ist er auch<br />

schon wieder vorbei. Das war mit den<br />

Wuschelfrisuren und Kreativschals bei<br />

Männern so und jetzt wird es so mit den<br />

Bärten sein. Schade, dass sich vor <strong>Jahre</strong>n<br />

dieser Trend zu ornamentalen Bartmustern<br />

nicht durchgesetzt hat; die Evolution<br />

dieses Styles hätte mich interessiert.<br />

Aber auf viele wirkt Neues gleich manieriert.<br />

Dem Gusto der privilegierten Milieus<br />

entspricht das nicht. Da muss alles<br />

natürlich aussehen.<br />

Ihre Recherchen haben Sie auch nach<br />

Miami geführt. Was haben Sie da<br />

beobachtet?<br />

Zum Beispiel, dass Kurzhaarfrisuren<br />

bei Frauen in Amerika und gerade in Miami<br />

immer noch ein Statement sind. Damit<br />

wird eine Frau schon fast als alternativ<br />

wahrgenommen. Die „normale Frau“<br />

in den USA trägt ihr langes Haar blondiert<br />

und natürlich hohe Absätze.<br />

Fast wie die Darstellerinnen der Romantikkomödien.<br />

Ich moniere mangelnden<br />

Realismus, wenn man nur Mähnen sieht,<br />

„Powermähnen bei Frauen lassen<br />

vermuten, dass Politiker das<br />

Oberflächendesign inzwischen<br />

sehr ernst nehmen.“ Fallbeispiele<br />

von oben: Runderneuerter<br />

Berlusconi, gekrönte Merkel, von<br />

der Leyen noch mit Steckfrisur<br />

sowie Clinton mit Pferdeschwanz,<br />

der ihr schwer verübelt wurde<br />

Friseure schneiden ja heute nicht mehr<br />

nur Haare, sie kreieren Frisuren und<br />

nennen sich auch Art-Direktoren und<br />

Top-Stylisten.<br />

Und es gibt Blow Dry Bars in den<br />

Großstädten, wo man sich auf einen Espresso<br />

zwischendurch föhnen lassen<br />

kann. Um die Ecke Wax and the City<br />

zur Haarentfernung mit Heißwachs und<br />

daneben Botox to go. Oberflächendesign<br />

gehört zum Alltag.<br />

Hatten Sie auf dem Friseurstuhl auch<br />

deprimierende Erlebnisse?<br />

Ich war in Berlin-Lichtenberg im<br />

Dong Xuan Center, ein asiatisch geprägtes<br />

Einkaufsparadies. Europäisches Haar<br />

ist aus der Sicht von Asiaten schwaches<br />

Haar. Ich habe dem Friseur nur gesagt,<br />

„etwas kürzer, bitte“. Dann kam ich mit<br />

einem raspelkurzen GI-Schnitt aus dem<br />

Salon. Der Friseur betrachtete mich mitleidig,<br />

nach dem Motto: „Aus den Haaren<br />

kann man einfach nicht mehr rausholen<br />

als den Militärlook.“ Danach habe<br />

ich bunte Schals getragen, um das zu<br />

konterkarieren.<br />

Das Gespräch führte LENA BERGMANN<br />

<strong>10</strong>7<br />

<strong>Cicero</strong> – 5. 2014

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