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Cicero 10 Jahre (Vorschau)

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WARUM<br />

ich trage,<br />

WAS<br />

ich trage<br />

KATRIN BAUERFEIND<br />

STIL<br />

Kleiderordnung<br />

Foto: Tibor Bozi<br />

Ehrlich gesagt, manchmal erkenne<br />

ich mich selbst nicht wieder. In diesem<br />

roten Kleid zum Beispiel. Die<br />

Betonung liegt zu sehr auf „Frau“. Wenn<br />

man dazu noch raucht, macht man den<br />

Vamp und ein Versprechen, das man vielleicht<br />

gar nicht halten will. Im Kapuzenpulli<br />

mache ich keine Versprechen.<br />

Ich betrachte die Welt gerne aus der<br />

Kapuzenpulli-Perspektive. In Turnschuhen.<br />

Ich mag es lieber klassisch als klamaukig,<br />

lieber schlicht als schrill und<br />

sehr viel lieber langweilig als laut. Doch<br />

so kann man sich nicht auf einem Buchcover<br />

zeigen oder moderieren.<br />

Und ja, ich stehe dazu, dass ich mir<br />

das Rauchen noch nicht abgewöhnt habe,<br />

sondern schön gescheitert bin. Um das<br />

Scheitern geht es auch in meinem Buch.<br />

Ich finde, wir sollten uns nicht dem Optimierungswahn<br />

unterwerfen. Man sollte<br />

auch mal wieder unperfekt sein dürfen.<br />

Was meine Klamotten aussagen, darüber<br />

mache ich mir privat keine Gedanken.<br />

Wenn ich ein T-Shirt trage, trage ich<br />

ein T-Shirt. Es gibt ja Leute, die einem<br />

durchaus etwas sagen wollen, mit einem<br />

T-Shirt: Wer sie sind und wo sie stehen.<br />

Sie tragen ihre Klamotten aus Überzeugung.<br />

Ich trage meine Klamotten, weil<br />

man nicht nackt aus dem Haus geht.<br />

Wenn überhaupt, finde ich es spannend,<br />

Zwölf-Zentimeter-Absätze zu tragen<br />

und wie eine Tussi auszusehen. Ein<br />

Kontrast, der mir gefällt. Wenn dann jemand<br />

am Ende eines Abends sagt: „Ach,<br />

du bist gar keine Tussi!“, empfinde ich<br />

das als Kompliment.<br />

Es gibt ja Frauen, die immer toll angezogen<br />

sind, die einen kreativen Mix<br />

beherrschen, der funktioniert. Mir fällt<br />

zu einer Bluse im Laden nichts ein. Jedenfalls<br />

nicht: Die passt wunderbar zu<br />

Katrin Bauerfeind, 31, moderiert<br />

auf 3sat „Bauerfeind assistiert“.<br />

Ihr Buch „Mir fehlt ein Tag<br />

zwischen Sonntag und Montag“<br />

erschien soeben im Fischer-Verlag<br />

meiner lila Hose! Da habe ich kein Talent.<br />

So was ist angeboren. Wofür ich ein Talent<br />

habe, ist bei minus drei Grad barfuß<br />

Ballerinas zu tragen, mich bei 30 Grad<br />

schwarz zu kleiden und vorsichtshalber<br />

noch eine Jacke einzupacken.<br />

Von großen fetten Schriftzügen habe<br />

ich mich inzwischen emanzipiert. In<br />

meiner Kleinstadt war es in meiner Jugend<br />

extrem wichtig, wer was trägt. Es<br />

ist ja schlimm, was den Kindern in den<br />

Neunzigern angetan wurde, musikalisch<br />

und modisch. Es mussten Bomberjacke,<br />

Schlaghose, Boots von Buffalo sein. Bloß<br />

nicht in den Deichmann-Tretern ankommen!<br />

Markenklamotten waren eine sichere<br />

Bank. Es gibt ja so ein paar Sachen<br />

im Leben, da weiß man einfach, man positioniert<br />

sich gerade richtig. Zum Beispiel<br />

darf man ja momentan über Uli Hoeneß<br />

nicht sagen: „Er hat doch auch viel Gutes<br />

getan.“ Damit man nicht aneckt, muss<br />

man sagen: „Also, man muss schon seine<br />

Steuern zahlen!“ So war das auch mit den<br />

Klamotten in meiner Jugend – mit den<br />

richtigen Marken habe ich mir die Zustimmung<br />

der breiten Masse gesichert.<br />

Aufgezeichnet von LENA BERGMANN<br />

<strong>10</strong>8<br />

<strong>Cicero</strong> – 5. 2014

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