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Cicero 10 Jahre (Vorschau)

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TITEL<br />

Europas goldene Zukunft<br />

4. EINFALLSREICHTUM<br />

Keine Region der Welt exportiert so viele Ideen wie Europa.<br />

Aber wir müssen uns anstrengen, damit das auch so bleibt<br />

Von BENOÎT BATTISTELLI<br />

Innovation, insbesondere technische Innovation – und darum<br />

geht es bei Patenten – ist der Schlüssel zur Zukunft.<br />

Sie schafft Arbeitsplätze und Wohlstand. In unserer heutigen<br />

Wissensgesellschaft zeichnen sich erfolgreiche Unternehmen<br />

in erster Linie dadurch aus, dass sie immer an vorderster<br />

Front ihres jeweiligen Technologiegebiets stehen. Das<br />

geistige Eigentum, das durch ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeit<br />

entsteht, braucht Schutz – unter anderem durch<br />

Patente. Mehr als 66 000 Patente hat das Europäische Patentamt<br />

im vergangenen Jahr erteilt, nach rigoroser Prüfung, in<br />

höchster Qualität und an Erfinder aus der ganzen Welt.<br />

Regelmäßig höre ich, Europa sei beim Thema Erfindungen<br />

ins Hintertreffen geraten, nicht nur was die Anzahl der Patente<br />

anbelangt, sondern auch, was seine Rolle im weltweiten<br />

Wettbewerb um die besseren Ideen und Produkte betrifft. Die<br />

Fakten sprechen eine andere Sprache: Keine Region der Welt<br />

exportiert so viele seiner Ideen in die ganze Welt. Europa erwirtschaftet<br />

sozusagen eine positive Innovationsbilanz. Ob es<br />

die USA, Japan oder China sind – die Patentanfragen europäischer<br />

Unternehmen überwiegen jeweils bei weitem die Schutzanfragen<br />

von Erfindern dieser Länder in Europa. Umgekehrt<br />

ist Europa ein offener Markt für innovative Unternehmen aus<br />

der ganzen Welt. Und das ist gut so: Eine Welt ohne Protektionismus<br />

ist in meinen Augen eine bessere Welt. Gerade für<br />

junge Menschen sind die Perspektiven in einer offenen Welt<br />

weit größer als in geschlossenen Ökonomien.<br />

Wir Europäer haben beim Thema Innovation eine besondere<br />

Pflicht: Die Systeme zum Schutz geistigen Eigentums<br />

basieren auf einer zutiefst europäischen Idee, die Ende des<br />

18. Jahrhunderts ihren Siegeszug um den Globus angetreten hat<br />

und mittlerweile überall Anerkennung findet. Darauf können<br />

wir stolz sein, aber das reicht nicht. Europa muss eine führende<br />

Rolle bei der Entwicklung eines globalen Patentsystems spielen.<br />

So freuen wir uns, dass China sein Patentsystem weitgehend<br />

am europäischen ausgerichtet hat. Das hilft europäischen<br />

Unternehmen, wenn sie den chinesischen Markt erobern wollen.<br />

Wir sehen es ebenso gerne, dass mehr als 40 Patentämter überall<br />

auf der Welt mit den von uns entwickelten elektronischen<br />

Systemen etwa zur Patentrecherche arbeiten, und dass unsere<br />

Patentdatenbanken als die weltweit umfangreichste Sammlung<br />

technischen Wissens angesehen werden.<br />

Wenn es um einzelne Technologien geht, ist Europa in vielen<br />

Bereichen weltweit vorne dabei. Allerdings ist das kein Grund,<br />

uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen. Wer aufhört zu forschen<br />

und zu entwickeln, der gibt die Zukunft auf. In manchen Bereichen<br />

ist das leider schon weitgehend geschehen: In der digitalen<br />

Kommunikation oder in der Unterhaltungselektronik spielt Europa<br />

nur noch eine untergeordnete Rolle. Hier zeigt sich, dass<br />

Deindustrialisierung nicht zuletzt zu einer Schwächung der eigenen<br />

Innovationsfähigkeit führt. Bei der Biotechnologie muss<br />

und kann eine ähnliche Entwicklung noch verhindert werden.<br />

Deshalb freue ich mich, dass die EU diese Bereiche in ihre Liste<br />

der „Lead technologies“ aufgenommen hat und jetzt Anstrengungen<br />

zur Reindustrialisierung unternimmt.<br />

Unsere Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen<br />

gehören nach wie vor zu den kreativsten weltweit.<br />

Wir müssen aber Anstrengungen unternehmen, um die Rahmenbedingungen<br />

für Innovation zu verbessern. Das fängt beim<br />

Risikokapital an und hört beim Patentsystem selbst auf. Ein<br />

wichtiger Schritt war die Entscheidung, die bestehenden, immer<br />

noch zu einem weiten Teil nationalen Patentsysteme zumindest<br />

in 25 EU-Staaten zu vereinheitlichen. Damit wird das System<br />

nicht nur zugänglicher, sondern auch bis zu 70 Prozent kosteneffizienter.<br />

Ich kann die EU-Staaten deshalb nur dazu auffordern,<br />

den Vertrag zur Gründung eines EU-Patentgerichts zügig<br />

zu ratifizieren, damit das neue System in Kraft treten kann.<br />

BENOÎT BATTISTELLI ist Präsident des Europäischen Patentamts<br />

in München, einer Organisation mit 38 Mitgliedstaaten, darunter<br />

sämtliche EU-Länder. Battistelli, Jahrgang 1950, ist Franzose<br />

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<strong>Cicero</strong> – 5. 2014

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