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gestaltet. Das Große groß, das Kleine klein, das Unerwartete<br />
spektakulär.<br />
Zeitunglesen ist eine Entdeckungsreise: Welche<br />
Themen, nach denen ich im Netz nie und nimmer gesucht<br />
hätte, bietet mir mein Club? Was offeriert er mir<br />
an Einsichten und Zusammenhängen, auf die ich beim<br />
Klicken und Scrollen nie und nimmer gestoßen wäre?<br />
Und wie gelangt mein Club dorthin? Durch Debatten<br />
der Redakteure über die Tageswirklichkeit, über<br />
deren Abgründe und Hintergründe, über Menschen,<br />
die Politik, Wirtschaft und Kultur bewegen.<br />
Der Club ist nämlich auch ein Salon, in welchem<br />
Meinung und Gegenmeinung lustvoll das Resultat bestimmen:<br />
das Gedruckte.<br />
Die Redaktion, ein Club, ein Salon – ein Ort der<br />
Aufklärung. Zugegeben, das ist eine alte Sache, uralt<br />
im Vergleich zum Netz, bevölkert von vergleichsweise<br />
uralten Menschen, in denen das Feuer der Aufklärung<br />
noch nicht erloschen ist: irgendwie 18. Jahrhundert,<br />
kurz vor der Französischen Revolution, als sich im<br />
Salon des Baron d’Holbach die besten Köpfe Europas<br />
trafen zu Diskussion und Causerie: Denis Diderot,<br />
David Hume, Laurence Sterne, Jean-Jacques Rousseau.<br />
Was wir heute für so selbstverständlich halten,<br />
dass wir es kaum noch zu genießen verstehen, geschweige<br />
denn hegen und pflegen – es begann dort<br />
und damals: die offene Gesellschaft. Der demokratische<br />
Rechtsstaat entsprang dem Denken jener Aufklärer.<br />
Der Salon wurde zur Zeitung – Eintritt: drei<br />
Franken. Es lässt sich gut verweilen in diesem Salon.<br />
Man hat Zeit. Man denkt plötzlich, was man nie<br />
gedacht hätte, weil man liest, was man nie gelesen<br />
hätte.<br />
Zeitunglesen ist Lust an sich selbst: Der Zeitungsleser<br />
bremst die Hektik der Welt, verlangsamt sie zur<br />
Lesezeit, macht sie erfahrbar, erkennbar, begreifbar.<br />
Der Zeitungsleser verschafft sich Ungestörtheit und<br />
Überblick im Salon seiner Redaktion, seines Clubs. Er<br />
ruht im Auge des Shitstorms – und beharrt auf geistiger<br />
Selbstbestimmung. Nichts drängt ihn weiter und<br />
weiter durch glitzernde Ereignis-Partikel, die, kaum<br />
berührt, gleich wieder verglühen.<br />
Keine Netznervosität nervt ihn, kein Blitzen von<br />
Buzzfeed, kein Freundschafts-Geflimmer auf Facebook.<br />
Zeitunglesen ist angehaltene Zeit. Ich-Zeit.<br />
Und das soll jetzt vorbei sein? Oder, wenn nicht<br />
jetzt, dann spätestens in Bälde, wie doch so viele prophezeien,<br />
wie doch fast alle sagen, wie es doch Milliarden<br />
Netzmenschen zu belegen scheinen, die ihre<br />
Touchscreen-Virtuosität für das Beherrschen des Weltwissens<br />
halten.<br />
Von Albert Einstein ist der Satz überliefert: „Die<br />
Fische werden das Wasser wohl als Letzte entdecken.“<br />
Wer war gleich noch mal Albert Einstein?<br />
Dresden<br />
Festetage des Residenzschlosses<br />
26. April bis 27. Juli 2014<br />
www.skd.museum<br />
Franco Vimercati 1<br />
& George Kubler 2<br />
eine Ausstellung<br />
von WOLFGANG SCHEPPE<br />
FRANK A. MEYER ist Journalist und Gastgeber der<br />
politischen Sendung „Vis-à-vis“ in 3sat