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KAPITAL<br />
Umfrage<br />
MATTHIAS WISSMANN<br />
Präsident des Verbands der Automobilindustrie<br />
Das freie Aushandeln von Löhnen und Gehältern zwischen Gewerkschaften<br />
und Arbeitgebern funktioniert in Deutschland deswegen so<br />
gut, weil das Verständnis für die Situation des jeweils anderen hier besonders<br />
ausgeprägt ist: In vielen Aufsichtsräten stellen Gewerkschaften<br />
den stellvertretenden Vorsitzenden, zahlreiche Betriebsräte vertreten<br />
dort die Interessen der Belegschaft.<br />
Im Ergebnis wurden so in den vergangenen <strong>Jahre</strong>n oftmals Lohnabschlüsse<br />
erzielt, die „Maß und Mitte“ hatten. Beiden Seiten ging es<br />
dabei immer auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland.<br />
Natürlich gab und gibt es unterschiedliche Positionen, auch Konflikte.<br />
Doch unterm Strich ist die Bilanz positiv: Insbesondere die IG Metall<br />
hat mehr als einmal gezeigt, dass sie die Herausforderungen, die die<br />
Automobilindustrie im weltweiten harten Wettbewerb meistern muss,<br />
versteht. Das Verständnis für industriepolitische Fragen, die Bedeutung<br />
wettbewerbsfähiger Energiekosten, den Ausbau und Erhalt<br />
der Infrastruktur als Voraussetzung für künftiges<br />
Wachstum am Standort Deutschland ist bei ihren Vertretern<br />
besonders ausgeprägt. Sie wissen auch, welch<br />
strategisch wichtige Bedeutung das Premiumsegment<br />
für die Beschäftigten in dieser Industrie hat:<br />
60 Prozent der inländischen Arbeitsplätze allein<br />
bei Pkw-Herstellern hängen vom Premiumsegment<br />
ab. Auf diesen Zusammenhang hat die Gewerkschaft<br />
auch bei der Diskussion um die CO 2<br />
-<br />
Regulierung öffentlich hingewiesen.<br />
Auf einen wichtigen Standortfaktor werden unsere<br />
Unternehmen auch künftig nicht verzichten<br />
können: Sie brauchen die notwendige<br />
Flexibilität, um auf Marktschwankungen<br />
rasch reagieren zu können. Beide<br />
Seiten sollten sich hier aufgeschlossen<br />
zeigen. Der gemeinsame Erfolg<br />
wird uns auch in Zukunft nicht in<br />
den Schoß fallen. Neue Wettbewerber<br />
aus Asien, notwendig<br />
wachsende Produktion im Ausland<br />
und zunehmender weltweiter<br />
Protektionismus heißen wichtige<br />
Herausforderungen, die wir<br />
gemeinsam bewältigen müssen.<br />
Fazit heute: Wir schätzen<br />
die IG Metall als verlässlichen<br />
Partner, der – neben seinen legitimen<br />
Interessen – stets auch<br />
die gesamtwirtschaftliche Verantwortung<br />
im Blick hat. Und<br />
wir hoffen, dass der erfolgreiche<br />
Weg der vergangenen <strong>Jahre</strong><br />
weiter verfolgt wird.<br />
WOLFGANG GRUPP<br />
Inhaber des Textilunternehmens<br />
Trigema<br />
Lebten wir in einer idealen Welt mit vernünftigen<br />
Unternehmern, bräuchten wir<br />
überhaupt keine Gewerkschaften. Das<br />
ist aber leider nicht so, weil sich auch in<br />
Deutschland immer mehr Unternehmer<br />
unanständig verhalten und ihre Mitarbeiter<br />
heuern und feuern, wie es ihnen gerade<br />
passt. Das geht natürlich nicht. Ich<br />
habe in 46 <strong>Jahre</strong>n nicht einen Mitarbeiter<br />
wegen schlechter Auftragslage entlassen,<br />
nie kurzarbeiten lassen und beschäftige<br />
keine Leiharbeiter, weil meine Mitarbeiter<br />
doch mein wichtigstes Kapital sind.<br />
Den Gewerkschaften gebührt ein<br />
Lob dafür, dass sie in den vergangenen<br />
<strong>Jahre</strong>n moderaten Lohnabschlüssen zugestimmt<br />
haben. Und sie haben die Agenda<br />
20<strong>10</strong> am Ende mitgetragen, die Deutschland<br />
wieder wettbewerbsfähig gemacht<br />
hat. Wo wir ohne Schröders Reformen<br />
heute stehen würden, möchte ich gar<br />
nicht wissen.<br />
Deswegen ist auch die aktuelle Diskussion<br />
um den Mindestlohn ein Armutszeugnis<br />
für die Unternehmer hierzulande.<br />
Ich muss doch den Anspruch<br />
haben, meine Mitarbeiter so zu bezahlen,<br />
dass sie davon in Deutschland leben<br />
können. Aber wir leben eben nicht in einer<br />
idealen Welt.<br />
Fotos: Britta Pedersen/Picture Alliance/DPA, Action Press<br />
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<strong>Cicero</strong> – 5. 2014