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7. KÜCHE<br />
So große Vielfalt auf so kleinem Raum – auch deshalb bleiben<br />
die Küchen Europas ein globaler Innovationsmotor<br />
Von JUAN AMADOR<br />
Ich bin als Sohn spanischer Gastarbeiter in Schwaben aufgewachsen,<br />
und diese Herkunft war für mich natürlich auch<br />
beim Essen prägend – zu meiner kulinarischen Sozialisation<br />
hat die Paella meiner Mutter genauso gehört wie Maultaschen<br />
und Zwiebelrostbraten. Nicht zu vergessen französische<br />
Spezialitäten wie Käse, Geflügelgerichte oder sogar<br />
Gänseleberpastete, die ich bereits als Kind kennenlernen durfte,<br />
wenn wir früher regelmäßig Verwandte im Elsass besucht haben.<br />
Und genau darin zeigt sich eigentlich schon, was die „europäische<br />
Küche“ so besonders macht: Es ist ihre geradezu überwältigende<br />
Vielfalt, noch dazu auf einem eher kleinen Raum.<br />
Der gastronomische Variantenreichtum entspricht gewissermaßen<br />
dem Landschaftsbild unseres Kontinents, weswegen ich den<br />
Begriff „Küchen Europas“ bevorzuge. Wer etwa durch Asien<br />
reist, dem erscheinen die kulinarischen Unterschiede von Region<br />
zu Region doch eher nuancenhaft. Wer dagegen von Flensburg<br />
nach Freiburg fährt oder gar von Nordfrankreich ans Mittelmeer,<br />
dem wird unterwegs gehörige Abwechslung auf dem<br />
Teller geboten.<br />
Respekt davor, wie konsequent etliche meiner Kollegen – besonders<br />
im hohen Norden – diesen Ansatz verfolgen. Denn darin<br />
spiegelt sich ja auch das Bedürfnis der Europäer nach regionaler<br />
Identität. Von europäischer Gleichmacherei kann also<br />
keine Rede sein, im Gegenteil. Ich denke, dass wir in dieser<br />
Hinsicht besonders aus den Küchen Osteuropas in Zukunft noch<br />
einiges zu erwarten haben. Denn vom kulinarischen Potenzial<br />
her haben Länder wie Polen, Bulgarien, Rumänien oder auch<br />
Russland sehr viel zu bieten. Um die Zukunft Europas braucht<br />
man sich also keine Sorgen zu machen – zumindest nicht, was<br />
die Gastronomie betrifft.<br />
JUAN AMADOR, 1968 in der Nähe von Stuttgart geboren, zählt<br />
zu den besten Köchen Deutschlands. Sein Restaurant Amador in<br />
Mannheim ist mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet<br />
Illustration: Martin Haake<br />
EUROPA WAR SCHON IMMER ein großer Impulsgeber für globale<br />
Küchentrends – man denke nur an den Siegeszug der Pizza<br />
oder an das Raffinement der französischen Haute Cuisine, die<br />
ganze Generationen von Spitzenköchen in aller Welt geprägt<br />
hat. Ich glaube, daran wird sich auch nichts ändern, weil Europa<br />
gerade wegen seiner unterschiedlichen Küchen eine Art kulinarisches<br />
Laboratorium bleibt. Aus Spanien, dem Land meiner<br />
Eltern, stammt ja eine der wichtigsten gastronomischen Innovationen<br />
der vergangenen zwei Jahrzehnte, nämlich die Molekularküche.<br />
Und das ist gewiss kein Zufall, weil die Spanier<br />
(allen voran das Küchengenie Ferran Adrià) einen Nachholbedarf<br />
gegenüber ihren französischen Nachbarn spürten. Außerdem<br />
war die spanische Küche bis dahin ziemlich einfach und<br />
rustikal, was dort einen radikalen Neuanfang einfacher machte<br />
als in den traditionsbewussten Spitzenküchen Frankreichs. So<br />
fordern sich die Küchen Europas nicht nur immer wieder zu<br />
Höchstleistungen heraus; sie befruchten einander auch in Sachen<br />
Kochtechnik oder Produktauswahl.<br />
Seit einigen <strong>Jahre</strong>n gibt es ja den Trend zur verfeinerten<br />
Regionalküche, sogar auf allerhöchstem Niveau. Ich selbst bin<br />
zwar kein Anhänger davon, weil ich mir bei meiner Arbeit<br />
keine Beschränkungen auferlegen will. Aber ich habe großen<br />
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<strong>Cicero</strong> – 5. 2014