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Schriftliche Stellungnahmen von Verbänden und ...

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Ausschuss für Arbeit <strong>und</strong> Soziales Ausschussdrucksache 16(11)538<br />

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 16(11)574<br />

Ausschuss für<br />

Arbeit <strong>und</strong> Soziales 22. Februar 2007<br />

16. Wahlperiode<br />

Information für den Ausschuss<br />

Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU <strong>und</strong> SPD<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische<br />

Entwicklung <strong>und</strong> zur Stärkung der Finanzierungsgr<strong>und</strong>lagen der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) - Drucksache 16/3794 -<br />

Deutscher Frauenrat<br />

Gr<strong>und</strong>sätzliche Vorbemerkung:<br />

Der DEUTSCHE FRAUENRAT wurde in diesem Gesetzgebungsverfahren<br />

zu einer Stellungnahme nicht aufgefordert.<br />

Sicher ist, dass das Thema der Anhebung der Regelaltersgrenze<br />

in der gesetzlichen Rentenversicherung frauenrelevant<br />

ist. Zwar könnte mit Blick auf die generationengerechte<br />

Verwendung der Beitragsmittel zur Rentenversicherung<br />

eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit im<br />

Verhältnis zur – statistisch gestiegenen - Lebenszeit eine<br />

denkbare Option des Gesetzgebers sein. Diese kann allerdings<br />

eine (geschlechter-) gerechte Wirkung nur entfalten,<br />

wenn es eine ausreichende Anzahl <strong>von</strong> Arbeitsplätzen<br />

<strong>und</strong> eine Verbreiterung der Beitragsbasis der<br />

Sozialversicherungssysteme gibt.<br />

Ebenso sicher ist, dass der DEUTSCHE FRAUENRAT<br />

aus tatsächlichen <strong>und</strong> rechtlichen Gründen eine Anhebung<br />

der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ablehnen muss,<br />

weil sie Frauen mittelbar diskriminiert. Auch der<br />

Gesetzgeber ist sich ausweislich der Gesetzesbegründung<br />

(S. 31) bewusst, dass „die für einen abschlagsfreien<br />

Renteneintritt vor Erreichen der Regelaltersgrenze<br />

(…) vorausgesetzte Anzahl <strong>von</strong> Pflichtbeitragsjahren<br />

tendenziell häufiger <strong>von</strong> Männern als <strong>von</strong> Frauen erreicht<br />

wird“ – er diskriminiert also sehenden Auges.<br />

Dies, obwohl der Europäische Gerichtshof Haushaltserwägungen,<br />

konkret die Stärkung <strong>von</strong> Finanzierungsgr<strong>und</strong>lagen,<br />

nicht gelten lässt als Rechtfertigungsgr<strong>und</strong><br />

für mittelbare Diskriminierungen. Dazu nachstehend<br />

mehr.<br />

Die Notwendigkeit, strukturelle Benachteiligungen<br />

<strong>von</strong> Frauen im strikt erwerbseinkommensbezogenen System<br />

der Alterssicherung zu beseitigen, mahnt der<br />

DEUTSCHE FRAUENRAT seit Jahrzehnten an.<br />

Diese Notwendigkeit wurde auch schon <strong>von</strong> der 4.<br />

Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 gesehen <strong>und</strong><br />

ebenso angemessen wie zutreffend in der Aktionsplattform<br />

beschrieben. Im Hauptproblembereich A „Frauen<br />

<strong>und</strong> Armut“ heißt es (Rdz. 52):<br />

„Das Risiko, unter die Armutsgrenze zu fallen,<br />

ist bei Frauen größer als bei Männern <strong>und</strong><br />

insbesondere in denjenigen Ländern, in denen<br />

Sozialversicherungssysteme auf dem Gr<strong>und</strong>satz<br />

ununterbrochener Erwerbstätigkeit beruhen. In<br />

einigen Fällen erfüllen Frauen diese Voraussetzungen<br />

nicht, da ihre Erwerbstätigkeit Unterbrechungen<br />

aufweist, die durch die unausgewogene<br />

Verteilung <strong>von</strong> bezahlter <strong>und</strong> unbezahlter<br />

Arbeit entstanden sind. Darüber hinaus<br />

ist es für ältere Frauen oft schwieriger, auf<br />

dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen“.<br />

Als strategisches Ziel seitens der Regierungen wurde<br />

in Peking vereinbart (Rdz. 58 o):<br />

„soweit noch nicht vorhanden: Schaffung <strong>von</strong><br />

Systemen der sozialen Sicherheit beziehungsweise<br />

Überprüfung der bereits vorhandenen Systeme<br />

mit dem Ziel, Frau <strong>und</strong> Mann in jeder<br />

Phase ihres Lebens gleich zu stellen“.<br />

Dessen ungeachtet hat die damalige B<strong>und</strong>esregierung<br />

1996 (d. h. nur ein Jahr nach Peking) die „Frauenaltersgrenze<br />

60 “ abgeschafft – um insgesamt 3,7 Mrd DM<br />

durch Rentenabschläge <strong>und</strong>/oder Verkürzung der Rentenlaufzeit<br />

einzusparen <strong>und</strong> so eine minimale Senkung der<br />

„Lohnebenkosten“ langfristig zu ermöglichen.<br />

Die „Frauenaltersgrenze 60“ bot Frauen, die eine Mindestversicherungszeit<br />

<strong>von</strong> 15 Jahren nachweisen konnten<br />

(<strong>von</strong> denen mehr als 10 Pflichtbeitragsjahre nach dem 40.<br />

Lebensjahr liegen mussten) die Möglichkeit, bereits mit<br />

60 Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

hatte in dieser besonderen Altersgrenze<br />

für Frauen keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz<br />

gesehen – vielmehr diese Regelung als kompensatorischen<br />

Nachteilsausgleich für Frauen gerechtfertigt,<br />

die beim Erwerb <strong>von</strong> Rentenanwartschaften gegenüber<br />

Männern in mehrfacher Hinsicht faktisch benachteiligt<br />

sind. Gegen die klaren Beschlüsse der Aktionsplattform<br />

<strong>von</strong> Peking <strong>und</strong> gegen das Votum des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

wurde also 1996 eine existierende positive<br />

Maßnahme abgeschafft – statt (wie in Peking verein-<br />

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