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Schriftliche Stellungnahmen von Verbänden und ...

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Ausschussdrucksache 16(11)538<br />

Ausschuss für Arbeit <strong>und</strong> Soziales<br />

bart) zusätzliche wirksame Maßnahmen zu ergreifen.<br />

Der DEUTSCHE FRAUENRAT hatte seinerzeit mehr<br />

als 200 000 Unterschriften gesammelt, um das Gesetz<br />

zu verhindern. Es gelang ihm ganz offensichtlich nicht,<br />

den Gesetzgeber damit zu beeindrucken. Die geplante<br />

stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters für Frauen<br />

wurde Gesetz, im Jahr 2000 begonnen <strong>und</strong> im Jahr<br />

2004 abgeschlossen. Über eine tatsächlich erzielte Entlastungswirkung<br />

durch diese Maßnahme ist bisher nichts<br />

bekannt geworden. Der DEUTSCHE FRAUENRAT<br />

erwartet spätestens in Zusammenhang mit der geplanten<br />

Anhebung der Regelaltersgrenze dazu Zahlen, die auch<br />

die Veränderungen bei den Sozialleistungen berücksichtigen.<br />

Nach Befassung mit dem 5. Staatenbericht Deutschlands<br />

forderte der UN Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung<br />

der Frau (CEDAW/C/2004/I/CRP.3/Add.<br />

6/Rev.1.) in seiner 30. Sitzung vom 12. bis 30. Januar<br />

2004 die B<strong>und</strong>esregierung auf (Rdz. 25), ihre Anstrengungen<br />

zur Förderung der De-facto-Gleichstellung auf<br />

dem Arbeitsmarkt zu verstärken. Der Ausschuss empfahl<br />

der B<strong>und</strong>esregierung, möglichen nachteiligen Folgen <strong>von</strong><br />

Teilzeitarbeit für Frauen entgegenzuwirken, insbesondere<br />

in Zusammenhang mit ihren Altersversorgungs- <strong>und</strong><br />

Rentenleistungen.<br />

Nun soll, im Jahr 2007, mit der überwältigenden Mehrheit<br />

der politisch Verantwortlichen die Regelaltersgrenze<br />

auf 67 Jahre angehoben werden – vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

eines Arbeitsmarktes, der sich gegenüber 2004<br />

insgesamt <strong>und</strong> insbesondere für Frauen tatsächlich nicht<br />

verbessert hat. Bekanntlich gibt es neben der Zahl der<br />

registrierten Arbeitslosen, die statistisch leicht rückläufig<br />

ist, die „Stille Reserve“ – d. h. die Menschen, die sich<br />

wegen mangelnder Aussicht auf Leistungen der Arbeitsverwaltung<br />

nicht registrieren lassen. Das sind überwiegend<br />

Frauen, die wegen der verschärften Anrechnung des<br />

Partnereinkommens durch die so genannte „Hartz-<br />

Gesetzgebung“ aus dem Leistungsbezug herausfallen <strong>und</strong><br />

in einer Registrierung keinen Sinn erblicken können.<br />

Trotz eines beträchtlichen wissenschaftlichen <strong>und</strong> publizistischen<br />

Aufwandes sowie erheblicher Anstrengungen<br />

in der Lobbyarbeit ist es den Frauenverbänden <strong>und</strong> ihren<br />

Unterstützern bisher nicht gelungen, die strukturellen<br />

Benachteiligungen der Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

zu beseitigen. Die nun geplante Anhebung<br />

des Renteneintrittsalters wirkt faktisch als weitere<br />

Rentenkürzung, die der DEUTSCHE FRAUENRAT<br />

ablehnen muss. Die durchschnittliche Frauenrente aus<br />

selbst erworbenen Ansprüchen liegt ohnehin wegen der<br />

bekannten Lücken in der Erwerbsbiografie <strong>und</strong> den<br />

europaweit – bezogen auf Männerlöhne - um ca. 25 %<br />

unterdurchschnittlichen Frauenlöhnen um ca. 50 % unter<br />

der durchschnittlichen Männerrente. Dennoch blieben<br />

auch diese Renten nicht verschont <strong>von</strong> den Rentenkürzungen<br />

der letzten Jahre. Dies ist der Gr<strong>und</strong>, warum auch<br />

heute noch – trotz bester Berufsqualifikation der Frauen -<br />

die Hinterbliebenenrente immer noch DAS Auffangnetz<br />

in der Alterssicherung der Frauen ist. Ohne die notwendigen<br />

Strukturveränderungen muss der DEUTSCHE<br />

FRAUENRAT auch die Anhebung der Altersgrenze für<br />

die große Witwer- <strong>und</strong> Witwenrente ablehnen.<br />

Der Gesetzgeber sieht zu seinem Vorschlag keine Alternativen.<br />

Er hält ihn darüber hinaus für gleichstellungspolitisch<br />

ausgewogen. Diese Überzeugung gründet sich<br />

offensichtlich in der geplanten Regelung des<br />

§ 51 Abs. 3a E-SGB VI<br />

Es sollen neben Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung <strong>und</strong><br />

selbständiger Tätigkeit auch Zeiten der Pflege (nur für<br />

die Jahre 1992 bis 1995, in denen durch Pflege noch kein<br />

eigener Rentenanspruch begründet werden konnte) <strong>und</strong><br />

der Kindererziehung bis zum 10. Lebensjahr des Kindes<br />

rentenwirksam einbezogen werden. Das heißt: diese<br />

„Berücksichtigungszeiten“ sollen auf die Wartezeit <strong>von</strong><br />

45 Jahren, nach denen auch schon mit 65 Jahren ein<br />

ungeschmälerter Rentenbezug ermöglicht werden soll,<br />

angerechnet werden. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber<br />

es auch Frauen, die ihre Erwerbsarbeit erziehungsbedingt<br />

bis zum 10. Lebensjahr eines Kindes aufgeben,<br />

ermöglichen, die Wartezeit <strong>von</strong> 45 Jahren erfüllen<br />

zu können (Begründung zu Nr. 17, S. 34).<br />

Tatsächlich bewirkt die Einbeziehung der Berücksichtigungszeiten<br />

nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung<br />

B<strong>und</strong> eine Steigerung <strong>von</strong> ca. 75 %:<br />

Ohne Einbeziehung der Berücksichtigungszeiten erreichen<br />

2,48 % aller versicherten Frauen die 45 Pflichtbeitragsjahre<br />

mit sind es 4,39 %.<br />

Abschlagsfrei können mit 65 Jahren nur „besonders<br />

langjährig Versicherte“ in Rente gehen – das sind immerhin<br />

noch ca. 27,2 % Männer, aber fast keine Frauen.<br />

Diese Zahlen belegen, dass Frauen überproportional<br />

betroffen <strong>und</strong> damit mittelbar diskriminiert sind. Die<br />

Frage ist, ob diese Diskriminierung sachlich gerechtfertigt<br />

ist durch ein rechtmäßiges Ziel (§ 3 Abs. 2 AGG).<br />

Das Ziel des Gesetzes ist die Anpassung des Renteneintrittsalters<br />

an die demografische Entwicklung. Es ist nicht<br />

erkennbar, dass eine Privilegierung „besonders langjährig<br />

Versicherter“ der Erreichung dieses Ziels dient. Damit<br />

ist auch eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts<br />

im Rahmen dieser Maßnahme nicht gerechtfertigt. Die<br />

angestrebte Haushaltskonsolidierung wird, wie bereits<br />

erwähnt, vom Europäischen Gerichtshof als Rechfertigungsgr<strong>und</strong><br />

für eine Ungleichbehandlung wegen des<br />

Geschlechts nicht akzeptiert.<br />

Ausweislich der oben erwähnten Statistik der Deutschen<br />

Rentenversicherung B<strong>und</strong> erfolgen ohnehin nur ca. 22 %<br />

aller Rentenzugänge aus sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung. Damit ist das mit der Anhebung des<br />

Renteneintrittsalters angestrebte Regelungsziel insgesamt<br />

nicht mehr zu erkennen. Wenn bereits die übergroße<br />

Mehrheit aller Neurentner aus der Nichterwerbstätigkeit<br />

(11,4% der Frauen in den westlichen B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong><br />

41,9% der Frauen in den östlichen B<strong>und</strong>esländern), prekärer<br />

Erwerbstätigkeit oder „Stiller Reserve“ (34,4 % im<br />

Westen <strong>und</strong> 7,3% im Osten) in die Rente „gleitet“, muss<br />

gefragt werden, was mit einer Anhebung des Renteneintrittsalters<br />

arbeitsmarkt- <strong>und</strong> sozialpolitisch bewirkt<br />

werden soll. Die Wartezeit derer in der „Stillen Reserve“<br />

wird sich verlängern zugunsten einer (vorn) verkürzten<br />

Dauer des Rentenbezuges. Die Folge wird sein, dass<br />

Ausweichbewegungen zunehmen.<br />

Der DEUTSCHE FRAUENRAT stellt fest: so berechtigt<br />

die These ist, dass die Rentenversicherung nicht die<br />

Probleme des Arbeitsmarktes zu lösen vermag – so unverzichtbar<br />

ist eine Sozialgesetzgebung, die in erster<br />

Linie zur Verfestigung des Beitragsaufkommens beiträgt<br />

<strong>und</strong> zu Leistungskürzungen erst dann greift, wenn alle<br />

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