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Schriftliche Stellungnahmen von Verbänden und ...

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Ausschuss für Arbeit <strong>und</strong> Soziales Ausschussdrucksache 16(11)538<br />

- Die Maßnahmen werden in Ihrer Gesamtheit dazu<br />

führen, dass bei größeren Teilen der Bevölkerung Altersarmut<br />

um sich greift.<br />

- Mit den Plänen ist gleichzeitig verb<strong>und</strong>en, das Prinzip<br />

der Lebensstandardsicherung abzuschaffen. Auch<br />

nach einem erfüllten Arbeitsleben wird es - sofern es<br />

bei der bisherigen Gesetzgebung bleibt <strong>und</strong> die aktuellen<br />

Pläne umgesetzt werden - nicht mehr möglich<br />

sein, den im Arbeitsleben erarbeiteten Lebensstandard<br />

durch die gesetzliche Rente zu halten.<br />

- Die durch die Absenkung des Rentenniveaus gerissenen<br />

Versorgungslücken können <strong>von</strong> einem Teil der<br />

Bevölkerung nicht über zusätzliche Privatvorsorge<br />

ausgeglichen werden, weil sie nicht über die finanziellen<br />

Mittel verfügen.<br />

- Auch für diejenigen Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer,<br />

die zu zusätzlicher Privatvorsorge in der Lage<br />

sind, sind die Rentenpläne <strong>von</strong> Nachteil. Wurde<br />

ein nahezu lebensstandardsicherndes Alterssicherungsniveau<br />

bisher paritätisch durch Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Arbeitgeber finanziert, werden die Lasten zukünftig<br />

einseitig auf die Beschäftigten verschoben.<br />

- Die Arbeitsbedingungen sind nicht so gestaltet, dass<br />

es dem überwiegenden Teil der Beschäftigten heute<br />

möglich ist, tatsächlich bis zum 65. Lebensjahr oder<br />

darüber hinaus zu arbeiten. Es ist nicht absehbar, dass<br />

die Arbeitsbedingungen sich so ändern, dass in Zukunft<br />

für einen relevanten Teil der Bevölkerung „arbeiten<br />

über 65“ hinausgehend möglich wird.<br />

- Unter der Maßgabe, dass die Anhebung der Rentenaltersgrenze<br />

auch mit einer faktischen Lebensarbeitszeitverlängerung<br />

verb<strong>und</strong>en ist, werden in überproportionalem<br />

Maße Geringverdiener negativ betroffen.<br />

Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen<br />

Einkommenshöhe <strong>und</strong> Lebenserwartung. Wird das<br />

tatsächliche Renteneintrittsalter erhöht, verkürzt sich<br />

die individuelle Rentenbezugszeit der Geringverdiener<br />

überproportional.<br />

- Die Rente mit 67 führt zu einer zusätzlichen Arbeitsplatzlücke,<br />

die das Institut für Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> Berufsforschung<br />

(IAB) für das Jahr 2030 mit 1,2 bis 3<br />

Millionen Arbeitsplätze beziffert.<br />

- Bei den Kürzungsmaßnahmen im Bereich der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung handelt es sich nicht nur<br />

um „einfachen Sozialabbau“ zu Lasten der Beschäftigten<br />

<strong>und</strong> zur Entlastung der Arbeitgeber, sondern<br />

auch um einen ordnungspolitisch motivierten Umbau<br />

der Sozialsysteme: Weg vom Sozialstaat hin zum Finanzmarktkapitalismus.<br />

2.2 Die Folgen im Einzelnen<br />

Im Weiteren werden einzelne Aspekte der Folgen der<br />

Regierungspläne vertieft.<br />

2.2.1 Auswirkungen auf das Alterseinkommen durch<br />

die Anhebung der Altersgrenzen <strong>und</strong> den sogenannten<br />

Ausgleichsfaktor<br />

„Das Rentenalter anzuheben bedeutet ja nicht, dass man<br />

so lange arbeiten muss, sondern es ist im Gr<strong>und</strong>e eine<br />

Rentensenkung, ein Abschlag auf die Rente, wenn einer<br />

mit 65 oder 66 in Rente geht.“ 10<br />

Als Referenz ist das Einkommen aus der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung ohne die Anhebung der Rentenaltersgrenze<br />

zu nehmen. Demzufolge hat ein Versicherter<br />

beim Renteneintritt mit 65 im Regelfall 7,2 Prozent versicherungstechnische<br />

Abschläge gegenüber der Referenzgröße<br />

hinzunehmen. Wer mit 66 Jahren in den Ruhestand<br />

geht, dem entgehen 6 Prozent versicherungstechnische<br />

Zuschläge. Die Rente mit 67 mag das quantitative Verhältnis<br />

<strong>von</strong> beitragspflichtigen Erwerbstätigen zu Rentenbeziehern<br />

positiv beeinflussen, so dass durch den<br />

sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor die Kürzung nicht im<br />

vollen Umfang (des versicherungstechnischen Abschlags)<br />

wirksam wird. Gleichwohl ist da<strong>von</strong> auszugehen,<br />

dass die monatliche Bruttorente gegenüber der Referenzrente<br />

durch die Anhebung der Altersgrenzen deutlich<br />

sinkt.<br />

Das Ausmaß der Wirkung des „Ausgleichsfaktors“ ist<br />

<strong>von</strong> der Höhe der Entgelterhöhungen der nächsten Jahre<br />

abhängig (sind die Entgelterhöhungen relativ hoch, kann<br />

die geplante Rentenniveausenkung auch ohne Anwendung<br />

des Ausgleichsfaktors durchgeführt werden). Die<br />

Große Koalition verspricht sich für das Jahr 2030 durch<br />

das vorliegende Gesetz eine Entlastung bei den Beiträgen<br />

um r<strong>und</strong> 0,5 Beitragssatzpunkte <strong>und</strong> entsprechend niedrigerer<br />

B<strong>und</strong>eszuschüsse. Wären diese Prognosen zutreffend,<br />

würde es um eine Rentenkürzung <strong>von</strong> knapp 5<br />

Prozent gegenüber der Referenzrente gehen.<br />

Die aktuellen Senkungen müssen aber im Kontext des<br />

bereits durchgeführten, aber erst zum Teil wirksam gewordenen<br />

Sozialabbaus im Bereich der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung (Riestertreppe, Nachhaltigkeitsfaktor,<br />

Abschaffung Berufsunfähigkeitsrenten, erschwerter<br />

Zugang zu Erwerbsminderungsrenten...) gesehen werden.<br />

Die bereits vollzogenen Maßnahmen <strong>und</strong> die Umsetzung<br />

der aktuellen Pläne führen in ihrer Gesamtschau dazu,<br />

dass auch nach einem erfüllten Arbeitsleben durch die<br />

gesetzliche Rentenversicherung allein der Lebensstandard<br />

nicht mehr gehalten werden kann. Für viele derjenigen,<br />

die unterdurchschnittlich verdient haben, folgt Altersarmut.<br />

Der Rentenzahlbetrag, eines Rentners der<br />

heute mit 65 Jahren in Rente geht <strong>und</strong> 40 „durchschnittliche<br />

Versicherungsjahre“ in Westdeutschland aufweist,<br />

beläuft sich auf etwa 950 Euro. Im Jahr 2030 dürfte der<br />

Rentenzahlbetrag unter gleichen Bedingungen nach<br />

heutigen Werten bei etwa 700 Euro liegen. Hinzu<br />

kommt, dass diejenigen, die über eine verhältnismäßig<br />

geringe Rente verfügen, auch sehr geringe oder keine<br />

zusätzlichen Einnahmen im Alter erzielen.<br />

Altersarmut <strong>und</strong> niedrige Renten sind keine systembedingten<br />

Folgen der Umlagefinanzierung, wie dies aus<br />

neoliberaler Sicht immer wieder nahegelegt wird, sondern<br />

das Resultat einer neoliberal inspirierten Politik, die<br />

diesen Sozialabbau betreibt.<br />

2.2.2 Beschäftigungswirkungen<br />

Die Beschäftigungswirkungen hängen unter anderem <strong>von</strong><br />

der Bevölkerungszahl <strong>und</strong> vom Erwerbsverhalten der<br />

Älteren im Falle einer Rente mit 67 ab. Das IAB (IAB<br />

Kurzbericht 16/2006) geht da<strong>von</strong> aus, dass die faktische<br />

10 Franz Müntefering, SPD - Betriebsrätekonferenz, 14. Dezember 2005,<br />

Dokumente Nr. 1/2006, Seite 20<br />

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