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Schriftliche Stellungnahmen von Verbänden und ...

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Ausschuss für Arbeit <strong>und</strong> Soziales Ausschussdrucksache 16(11)538<br />

ren eine Altersrente abschlagsfrei bezogen werden<br />

kann. Es kommt in diesem Fall bei Rentenzugang<br />

<strong>und</strong> Rentenhöhe nicht mehr allein auf das Alter <strong>und</strong><br />

die beitragspflichtigen Entgelte des Versicherten an,<br />

sondern auch darauf, wie sich diese Entgelte über das<br />

Berufsleben verteilen. Wer zum Beispiel mit 65 Jahren<br />

nach 45 Beitragsjahren 45 Entgeltpunkte erreicht<br />

hat, kann ohne Abschläge in Rente gehen. Wer sein<br />

Berufsleben später begonnen oder Unterbrechungen<br />

in der Erwerbsbiografie hat, wegen eines höheren<br />

Einkommens mit 65 Jahren aber ebenfalls 45 Entgeltpunkte<br />

erreicht hat, kann demgegenüber eine Altersrente<br />

noch nicht bzw. nur mit Abschlägen beziehen,<br />

weil er noch keine 45 Beitragsjahre zurückgelegt<br />

hat. Trotz gleicher Vorleistung werden Versicherte<br />

mit 45 Beitragsjahren privilegiert.<br />

Ein Abweichen <strong>von</strong> der Teilhabeäquivalenz ist nicht<br />

<strong>von</strong> vornherein als Problem anzusehen. Das Äquivalenzprinzip<br />

gehört zwar zu den gr<strong>und</strong>legenden Gestaltungsprinzipien<br />

in der gesetzlichen Rentenversicherung,<br />

da diese jedoch eine Sozialversicherung ist,<br />

wird das Äquivalenzprinzip ergänzt <strong>und</strong> flankiert<br />

durch Maßnahmen des sozialen Ausgleichs, also<br />

durch Umverteilungselemente. Die mit der geplanten<br />

Altersrente für besonders langjährig Versicherte verb<strong>und</strong>ene<br />

Besserstellung <strong>von</strong> Versicherten mit 45 Beitragsjahren<br />

<strong>und</strong> die dadurch erzielten Umverteilungseffekte<br />

sind jedoch aus sozialpolitischer Sicht nicht<br />

akzeptabel <strong>und</strong> können daher die Durchbrechung des<br />

Prinzips der Teilhabeäquivalenz nicht rechtfertigen.<br />

Während Versicherte, deren Erwerbsverläufe zeitlebens<br />

nicht oder nur kurz unterbrochen wurden, <strong>von</strong><br />

dieser Regelung profitieren, werden Versicherte mit<br />

Lücken in den Erwerbsbiografien im Vergleich dazu<br />

schlechter gestellt. Dies betrifft vor allem Versicherte,<br />

die zwischenzeitlich arbeitslos oder die zeitweise<br />

als nicht rentenversicherungspflichtige Selbständige<br />

tätig waren. Benachteiligt werden zum Beispiel auch<br />

Versicherte, die zunächst eine akademische Ausbildung<br />

absolviert haben <strong>und</strong> erst im Anschluss daran in<br />

das Berufsleben eingetreten sind. Dieser Personenkreis<br />

ist im Regelfall vom Bezug der Altersrente für<br />

besonders langjährig Versicherte bereits <strong>von</strong> vornherein<br />

ausgeschlossen. Ebenfalls keinen Nutzen aus<br />

der geplanten Regelung ziehen können darüber hinaus<br />

Versicherte, die vorzeitig erwerbsgemindert geworden<br />

sind <strong>und</strong> deswegen keine 45 Jahre mit den<br />

nach dem Gesetzentwurf erforderlichen Zeiten erreichen<br />

können.<br />

2. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,<br />

dass Versicherte mit 45 oder mehr Beitragsjahren im<br />

Durchschnitt ein höheres Jahresentgelt erreicht haben<br />

als Versicherte mit weniger Beitragsjahren. Daher<br />

weisen die Begünstigten der „45-Jahre-Regelung“<br />

nicht allein wegen der Dauer ihrer Erwerbsbiografie,<br />

sondern zusätzlich auch wegen der erzielten Entgelte<br />

vergleichsweise hohe Rentenanwartschaften auf.<br />

Dass dieser Personenkreis eine überdurchschnittlich<br />

hohe Rente beanspruchen kann, ist wegen der<br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Beitragszahlungen gerechtfertigt.<br />

Nicht gerechtfertigt erscheint es jedoch, gerade diese<br />

Versicherten <strong>von</strong> der Anhebung der Regelaltersgrenze<br />

auszunehmen. Dadurch kommt es letztendlich zu<br />

einer Umverteilung <strong>von</strong> Versicherten, die aufgr<strong>und</strong><br />

weniger Beitragsjahre niedrigere Rentenanwartschaften<br />

haben zu Versicherten mit insgesamt hohen Rentenanwartschaften.<br />

Es ist kaum nachvollziehbar, warum<br />

gerade dieser Personenkreis für die gleiche Beitragsleistung<br />

auch noch eine höhere Gegenleistung<br />

erhalten soll als jene Versicherten, die wegen Zeiten<br />

der Arbeitslosigkeit oder wegen eines späteren Berufseintritts<br />

nicht auf eine so hohe Zahl an Beitragsjahren<br />

kommen.<br />

3. Hervorzuheben ist schließlich, dass insbesondere<br />

Frauen kaum <strong>von</strong> der neuen Altersrente für besonders<br />

langjährig Versicherte profitieren können. Sie kommen<br />

statistischen Auswertungen der Deutschen Rentenversicherung<br />

B<strong>und</strong> zufolge weitaus seltener auf<br />

die erforderlichen 45 Versicherungsjahre als Männer.<br />

Dies gilt selbst vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass Zeiten der<br />

Kindererziehung bei der Wartezeit <strong>von</strong> 45 Jahren<br />

einbezogen werden. So erreichten beim Altersrentenzugang<br />

des Jahres 2004 beispielsweise in den alten<br />

B<strong>und</strong>esländern 28,2 % aller Männer, aber nur 3,7 %<br />

der Frauen die erforderlichen 45 Versicherungsjahre.<br />

In den neuen B<strong>und</strong>esländern betrug der Anteil bei<br />

den Männern 22,8 % <strong>und</strong> bei den Frauen 7,6 %.<br />

4. Nicht nur die Verteilungseffekte der neuen Altersrente<br />

für besonders langjährig Versicherte, auch die mit<br />

ihr verb<strong>und</strong>enen Ziele sind fragwürdig. Im Allgemeinen<br />

Teil der Begründung zum Gesetzentwurf wird<br />

ausgeführt, dass Versicherte mit „außerordentlich<br />

langjähriger – nicht selten belastender – Berufstätigkeit<br />

<strong>und</strong> entsprechend langer Zahlung <strong>von</strong> Beiträgen<br />

zur gesetzlichen Rentenversicherung“ privilegiert<br />

werden sollen. Auch aus der Begründung für die neue<br />

„große“ Wartezeit <strong>von</strong> 45 Jahren geht hervor, dass<br />

die Altersrente für besonders langjährig Versicherte<br />

als Vergünstigung für Personen mit einer außerordentlich<br />

langjährigen <strong>und</strong> oftmals belastenden Berufstätigkeit<br />

gedacht ist.<br />

Dem ist entgegenzuhalten, dass langjährige Beitragszahlungen<br />

nach dem Gr<strong>und</strong>satz der Beitragsbezogenheit<br />

der Rente zu entsprechend hohen Rentenanwartschaften<br />

führen. Ob der Gesichtspunkt einer langjährigen<br />

belastenden Berufstätigkeit beim Altersrentenzugang<br />

eine Privilegierung rechtfertigen kann, erscheint<br />

mehr als zweifelhaft. Sollte die mit der Berufstätigkeit<br />

verb<strong>und</strong>ene Belastung im konkreten Fall<br />

Einschränkungen des Leistungsvermögens zur Folge<br />

haben, besteht bereits nach geltendem Recht eine Absicherung<br />

über die Erwerbsminderungsrenten, die zudem<br />

nach geltendem Recht mit 63 Jahren abschlagsfrei<br />

in Anspruch genommen werden können. Der Zugang<br />

zur Altersrente ist daher kein geeigneter Ansatzpunkt,<br />

um besondere Arbeitsbelastungen während<br />

des Erwerbslebens auszugleichen.<br />

Da<strong>von</strong> abgesehen stellt sich in diesem Zusammenhang<br />

zudem die Frage der Zielgenauigkeit der Altersrente<br />

für besonders langjährig Versicherte. Begünstigt<br />

werden durch die vorgesehene Regelung Versicherte,<br />

die trotz langjähriger beruflicher Tätigkeit regelmäßig<br />

zumindest so lange erwerbstätig sein können,<br />

bis sie das 65. Lebensjahr vollenden. Das gilt<br />

unabhängig da<strong>von</strong>, ob die konkrete Tätigkeit besonders<br />

belastend war oder nicht. Vermutlich werden<br />

aber Beschäftigte, die tatsächlich körperlich oder<br />

auch psychisch besonders belastende Tätigkeiten verrichten,<br />

vielfach gar nicht auf die geforderten<br />

45 Beitragsjahre kommen, sondern bereits zuvor<br />

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