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Schriftliche Stellungnahmen von Verbänden und ...

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Ausschuss für Arbeit <strong>und</strong> Soziales Ausschussdrucksache 16(11)538<br />

% der Männer diese Voraussetzungen erfüllen. Die Zahlen<br />

verdeutlichen die überproportionale Betroffenheit<br />

<strong>von</strong> Frauen <strong>und</strong> ihre mittelbare Diskriminierung. Es ist<br />

auch nicht ersichtlich, dass diese Diskriminierung im<br />

Sinne <strong>von</strong> § 3 Abs 2 AGG sachlich gerechtfertigt ist. Das<br />

erklärte Ziel des Gesetzes ist die Anpassung des Renteneintrittsalters<br />

an die demografische Entwicklung, welches<br />

kaum durch die Privilegierung „besonders langjährig<br />

Versicherter“ befördert wird. Damit ist auch eine Ungleichbehandlung<br />

wegen des Geschlechts im Rahmen<br />

dieser Maßnahme nicht gerechtfertigt. Die gleichfalls<br />

angestrebte Haushaltskonsolidierung wird nach der<br />

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Rechfertigungsgr<strong>und</strong><br />

für eine Ungleichbehandlung wegen des<br />

Geschlechts nicht akzeptiert.<br />

Art. 4 RL 79/7/EWG besagt:<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Gleichbehandlung beinhaltet den<br />

Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung<br />

aufgr<strong>und</strong> des Geschlechts, insbesondere unter<br />

Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, <strong>und</strong> zwar<br />

im besonderen betreffend:<br />

1. den Anwendungsbereich der Systeme <strong>und</strong> die Bedingungen<br />

für den Zugang zu den Systemen<br />

2. die Beitragspflicht <strong>und</strong> die Berechnung der Beiträge,<br />

3. die Berechnung der Leistungen ... sowie die Bedingungen<br />

betreffend die Geltungsdauer <strong>und</strong> die Aufrechterhaltung<br />

des Anspruchs auf diese Leistungen.<br />

Der Begriff der mittelbaren Diskriminierung ist wie im<br />

Gemeinschaftsrecht geregelt in § 3 Abs. 2 AGG definiert.<br />

Die Folgen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs<br />

sind weitgehend: Anders als das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

kann der EuGH nicht dem Gesetzgeber<br />

bei einem Verstoß aufgeben, das Gesetz zu ändern <strong>und</strong><br />

dazu Übergangsfristen einzuräumen. Er hat die Aufgabe,<br />

über die Einhaltung europäischen Rechts zu wachen <strong>und</strong><br />

dabei bestimmte individuelle Rechte zu schützen. Er<br />

kann eine nationale Norm entweder für vereinbar mit<br />

Europäischem Recht erklären oder sie für unvereinbar<br />

halten. Es gibt gute Gründe für die Vermutung, dass der<br />

§ 38 E-SGB VI für unvereinbar erklärt wird.<br />

Ausweislich der oben erwähnten Statistik der Deutschen<br />

Rentenversicherung B<strong>und</strong> erfolgen ohnehin nur ca. 22 %<br />

aller Rentenzugänge aus sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung. Damit ist das mit der Anhebung des<br />

Renteneintrittsalters angestrebte Regelungsziel insgesamt<br />

nicht mehr zu erkennen. Wenn bereits die übergroße<br />

Mehrheit aller Neurentner aus der Nichterwerbstätigkeit<br />

(11,4 % der Frauen in den westlichen B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong><br />

41,9 % der Frauen in den östlichen B<strong>und</strong>esländern),<br />

prekärer Erwerbstätigkeit oder „Stiller Reserve“ (34,4 %<br />

im Westen <strong>und</strong> 7,3 % im Osten) in die Rente „gleitet“,<br />

muss gefragt werden, was mit einer Anhebung des Renteneintrittsalters<br />

arbeitsmarkt- <strong>und</strong> sozialpolitisch bewirkt<br />

werden soll. Die Wartezeit derer in der „Stillen Reserve“<br />

wird sich verlängern zugunsten einer (vorn) verkürzten<br />

Dauer des Rentenbezuges. Die Folge wird sein, dass<br />

Ausweichbewegungen zunehmen: viele Menschen werden<br />

eine abschlagsfreie Rente dadurch anstreben, dass sie<br />

altersbedingten Verschleiß als Schwerbehinderung anerkennen<br />

lassen.<br />

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