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Schriftliche Stellungnahmen von Verbänden und ...

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Ausschussdrucksache 16(11)538<br />

Ausschuss für Arbeit <strong>und</strong> Soziales<br />

- möglicherweise gerade aufgr<strong>und</strong> dieser Tätigkeiten<br />

- erwerbsgemindert werden. Hinzu kommen besondere<br />

Probleme dieser Personengruppe auf dem<br />

Arbeitsmarkt: Gerade Arbeitnehmer mit körperlich<br />

belastenden Berufen - zum Beispiel Beschäftigte in<br />

der Baubranche - sind typischerweise öfter <strong>von</strong> vorübergehender<br />

Arbeitslosigkeit betroffen. Versicherten,<br />

die nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich<br />

hauptsächlich <strong>von</strong> der Altersrente für besonders langjährig<br />

Versicherte profitieren sollen, wird es nach alledem<br />

besonders schwer fallen, ihre Voraussetzungen<br />

zu erfüllen. Höhere Chancen, lange <strong>und</strong> kontinuierliche<br />

Erwerbsverläufe zu erreichen, haben dagegen<br />

beispielsweise Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.<br />

2.2 Verfassungsrechtliche Aspekte<br />

1. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />

gem. Art. 3 Abs. 1 Gr<strong>und</strong>gesetz (GG) bestehen erhebliche<br />

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit<br />

der Altersrente für besonders langjährig Versicherte.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass die Anhebung der Altersgrenzen<br />

insgesamt der Stärkung der Finanzierungsgr<strong>und</strong>lagen<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung dienen<br />

soll, stellt sich die Frage, ob die in der Ungleichbehandlung<br />

<strong>von</strong> Altersrentengruppen mit gleicher<br />

Beitragsleistung liegende Abweichung vom System,<br />

die eine Verringerung des Einspareffektes zur Folge<br />

hat, zu rechtfertigen ist.<br />

Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, bei<br />

steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches<br />

gleich <strong>und</strong> Ungleiches entsprechend seiner Eigenart<br />

verschieden zu behandeln. Dabei ist dem Gesetzgeber<br />

auch im Falle vergleichbarer Personengruppen<br />

nicht jegliche Differenzierung verwehrt,<br />

sondern nur eine willkürliche <strong>und</strong> nicht <strong>von</strong> sachlichen<br />

Gründen getragene Differenzierung. Hier verfügt<br />

der Gesetzgeber zwar gr<strong>und</strong>sätzlich über einen<br />

relativ weiten Gestaltungsspielraum. Eine gesetzliche<br />

Differenzierung zwischen vergleichbaren Personengruppen<br />

muss dabei allerdings auf sachliche Unterschiede<br />

zwischen den Angehörigen dieser Gruppen<br />

gestützt sein, wobei diese Unterschiede ein gewisses<br />

Gewicht haben müssen.<br />

Die Einführung einer neuen Altersrente für besonders<br />

langjährig Versicherte führt dazu, dass Versicherte<br />

mit gleicher Beitragsleistung, aber unterschiedlich<br />

langer Dauer der Beitragszahlung verschieden behandelt<br />

werden. Diejenigen Versicherten, die diese<br />

Altersrente in Anspruch nehmen können, profitieren<br />

<strong>von</strong> einer gr<strong>und</strong>sätzlich durchschnittlich längeren<br />

Rentenlaufzeit <strong>und</strong> damit einer höheren Rentensumme.<br />

Denn die durchschnittlich längere Bezugsdauer<br />

wird nicht durch Abschläge reguliert. Nach dem zukünftigen<br />

Recht werden also allein aufgr<strong>und</strong> der<br />

Dauer der Beitragszahlung unterschiedlich hohe Renten<br />

geleistet. Damit wird vom Prinzip der Teilhabeäquivalenz<br />

abgewichen. Problematisch ist hier, dass<br />

zwischen Personengruppen differenziert wird, die<br />

aufgr<strong>und</strong> identischer Beitragshöhe eine ganz wesentliche<br />

Gemeinsamkeit aufweisen. Es werden also hier<br />

nicht lediglich verschiedene Sachverhalte, sondern<br />

vielmehr vergleichbare Personengruppen ungleich<br />

behandelt, ohne dass ein diese Ungleichbehandlung<br />

rechtfertigender sachlicher Gr<strong>und</strong> erkennbar wäre.<br />

Die Zielsetzung, langjährige Berufstätigkeit zu privilegieren,<br />

kann mit der Einführung einer Altersrente<br />

für besonders langjährig Versicherte erreicht werden.<br />

Die Frage, ob das vom Gesetzgeber ebenfalls verfolgte<br />

Ziel, Personen mit besonders belastender Erwerbstätigkeit<br />

zu begünstigen, mit dieser Regelung auch erreicht<br />

werden kann, wäre hingegen eher zu verneinen.<br />

Wie bereits vor dem Hintergr<strong>und</strong> sozialpolitischer<br />

Überlegungen dargestellt, erfolgt im System der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung eine Absicherung für<br />

den Fall konkreter Leistungseinschränkungen über<br />

die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Bei<br />

Versicherten mit einer körperlich oder auch psychisch<br />

besonders belastenden Beschäftigung liegt zudem<br />

die Vermutung nahe, dass viele <strong>von</strong> ihnen letztlich<br />

gar nicht in den Genuss dieser Regelung kommen,<br />

weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass sie<br />

bereits zuvor erwerbsgemindert werden. Privilegiert<br />

würden hingegen voraussichtlich Personenkreise, die<br />

nach der Intention des Gesetzgebers gerade keine besondere<br />

Begünstigung nötig haben, weil sie eben gerade<br />

nicht in belastenden Berufen tätig sind.<br />

Der Gesetzentwurf selbst enthält jedenfalls keine<br />

nachvollziehbare Begründung dafür, warum aus dem<br />

Vorliegen <strong>von</strong> 45 Pflichtbeitragsjahren automatisch<br />

auf eine belastende Tätigkeit geschlossen werden<br />

könne. Es wird lediglich unterstellt, dass für besonders<br />

langjährig Versicherte ein derartiger Zusammenhang<br />

existiere.<br />

2. Bedenken bestehen ebenfalls im Hinblick auf das<br />

Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG.<br />

Art. 3 Abs. 2 GG zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse<br />

<strong>von</strong> Frauen <strong>und</strong> Männern. Die<br />

Durchsetzung der Gleichberechtigung wird dabei<br />

auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral<br />

formuliert sind, im Ergebnis aber<br />

aufgr<strong>und</strong> natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen<br />

Bedingungen überwiegend Frauen betreffen.<br />

Hierbei kommt es nicht darauf an, dass eine<br />

Ungleichbehandlung unmittelbar <strong>und</strong> ausdrücklich an<br />

das Geschlecht anknüpft. Vielmehr erlangen im<br />

Rahmen des Art. 3 Abs. 2 GG die unterschiedlichen<br />

Auswirkungen einer Regelung für Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

ebenfalls Bedeutung.<br />

Zu den Versichertengruppen, die die erforderliche<br />

Wartezeit <strong>von</strong> 45 Jahren selbst bei Einbeziehung der<br />

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung<br />

nicht erreichen können, zählen typischerweise Frauen.<br />

Statistische Auswertungen der Deutschen Rentenversicherung<br />

B<strong>und</strong> zeigen, dass in den alten <strong>und</strong><br />

neuen B<strong>und</strong>esländern durchschnittlich 27,1 % der<br />

Männer des Altersrentenzugangs 2004, aber nur<br />

4,4 % der Frauen desselben Altersrentenzugangs die<br />

erforderliche Anzahl an Wartezeitmonaten erreichen<br />

(würden). Auf die mit den geplanten Maßnahmen des<br />

RV – Altersgrenzenanpassungsgesetzes entstehende<br />

neue Rechtslage projiziert, würden in allen B<strong>und</strong>esländern<br />

durchschnittlich 33,1 % der Männer <strong>und</strong><br />

11,0 % der Frauen die Wartezeit <strong>von</strong> 45 Jahren erreichen<br />

können. Der Anteil der Männer unter den Begünstigten<br />

ist also in einem erheblichen Umfang höher<br />

als der Anteil der Frauen.<br />

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