Sommerakademien der deutschen Stiftung - Studienstiftung.ch
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Arbeitsgruppe 4<br />
Radikalität o<strong>der</strong> die Kunst des unbedingten Selbstge-<br />
Brau<strong>ch</strong>s. Die Entdeckung des eigenen Körpers als<br />
anonymer Agent in <strong>der</strong> europäis<strong>ch</strong>en Kulturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
Was verbindet die Leiden von Märtyrern mit <strong>der</strong> Kunst einer Marina Abramović, die ihren<br />
Körper an die Grenzen des Erträgli<strong>ch</strong>en bringt? Gehört ihre Sitz-Performance „The<br />
Artist is Present“ (2010) an die Seite von Jeremy Benthams „Auto-Icon“ (1832) o<strong>der</strong> eher<br />
zu den Sitzblockaden <strong>der</strong> Wallstreet-Demonstranten? Was wie<strong>der</strong>um verbindet die Maske<br />
von Anonymous und Occupy mit venezianis<strong>ch</strong>en Patriziern, die seit dem 14. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
au<strong>ch</strong> außerhalb <strong>der</strong> Karnevalszeit nur maskiert ausgingen? Sie alle entdecken den<br />
eigenen Körper als anonymen Agenten: Das s<strong>ch</strong>einbar Persönli<strong>ch</strong>ste gerät dur<strong>ch</strong> eine radikale<br />
Form des Gebrau<strong>ch</strong>s zum Zeugnis für etwas Überpersönli<strong>ch</strong>es.<br />
Strategien <strong>der</strong> Protestkultur sollen mit Kunstperformances überblendet und zurückprojiziert<br />
werden auf Grundlagentexte von Aristoteles (über die Haltung gegenüber si<strong>ch</strong><br />
selbst), Bentham (über die Auto-Ikonisierung), Wittgenstein (über die Rückführung von<br />
Bedeutung auf Gebrau<strong>ch</strong>) o<strong>der</strong> Heidegger (über die Differenz von Zeug und Ding). Au<strong>ch</strong><br />
Foucaults „Gebrau<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Lüste“ und Hannah Arendts „vita activa“ gehören zum Kanon,<br />
<strong>der</strong> das Ubiquitär-Werden <strong>der</strong> Gebrau<strong>ch</strong>skategorie – als Konkurrentin zur Handlung – in<br />
<strong>der</strong> Kulturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zum Gegenstand hat. Das Vers<strong>ch</strong>wimmen von Ge- und Missbrau<strong>ch</strong><br />
eröffnet dabei den unbedingten Selbstgebrau<strong>ch</strong> des eigenen Körpers als radikale Praxis.<br />
Radikalität ers<strong>ch</strong>eint als Verbindung von Körperte<strong>ch</strong>niken und Geisteshaltungen, die die<br />
symbolis<strong>ch</strong>e Ordnung unserer Kultur attackiert, indem sie die Kluft zwis<strong>ch</strong>en Theorie<br />
und Praxis zu s<strong>ch</strong>ließen versu<strong>ch</strong>t. Wir werden uns dem Problem u.a. über die Themen<br />
Wi<strong>der</strong>stand, Passivität, Anonymisierung, Haltung und Selbstopfer annähern.<br />
Leitung<br />
Teilnehmer<br />
Literatur<br />
Prof. Dr. Mirjam S<strong>ch</strong>aub<br />
Professur für Ästhetik und Kulturphilosophie, Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für<br />
Angewandte Wissens<strong>ch</strong>aften, Hamburg<br />
Philipp Wüs<strong>ch</strong>ner<br />
Exzellenzcluster Languages of Emotion, Freie Universität Berlin<br />
Studierende geistes-, kultur- und medienwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er sowie<br />
künstleris<strong>ch</strong>er Fä<strong>ch</strong>er<br />
Abramović, M., 7 Easy Pieces; Photographs by A. Maranzano,<br />
Mailand-New York 2007. (Begleitband zur glei<strong>ch</strong>namigen Performance<br />
in New York, November 2005)<br />
Zeits<strong>ch</strong>rift für Kulturphilosophie 2, 2012 (Themenheft „Radikalität“).<br />
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Akademie IX Krakau International