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STRASSENBAHN MAGAZIN Stuttgarts 300er im Porträt (Vorschau)

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Fahrzeuge<br />

Anlässlich „100 Jahre Magdeburger Straßenbahn“ präsentierten die Verkehrsbetriebe am 2. Juli<br />

1977 den rollfähig restaurierten Zug aus Tw 138 und Bw 300 auf dem Alten Markt RALF KOZICA (2)<br />

dieser Lieferung stammt der heutige historische<br />

Tw 138.<br />

Die dritte Serie stellte 1921 die Hannoverschen<br />

Waggonfabrik AG (HAWA) her,<br />

sie umfasste die vier in leicht geänderter<br />

Ausführung gebauten Tw 139 bis 142.<br />

Auffallend luxuriöse Ausstattung<br />

Die hölzernen Aufbauten der Trieb- und<br />

Beiwagen waren mit Blechen verkleidet. Die<br />

Innenausstattung der Fahrzeuge fiel vergleichsweise<br />

luxuriös aus, vor allem wenn<br />

man bedenkt, dass der Erste Weltkrieg an<br />

der Westfront gerade zu einer bis dahin ungekannten<br />

Menschen- und Materialschlacht<br />

ausartete. Auf den mit Plüsch gepolsterten<br />

Sitzen fanden jeweils 18 Personen Platz.<br />

Diese Quersitze waren je nach Fahrtrichtung<br />

umklappbar. Von den Stehplätzen<br />

konnten 27 Fahrgäste <strong>im</strong> Trieb- und 37 <strong>im</strong><br />

Beiwagen die edle Holzverkleidung des Innenraums,<br />

die farbigen Oberlichtfenster<br />

und die elektrische Beleuchtung bewundern.<br />

Die Seitenfenster waren als Fallfenster ausgeführt,<br />

die mit Lederriemen in verschiedenen<br />

Höhen fixiert werden konnten. Unangenehme<br />

Sonneneinstrahlung milderten die<br />

Fahrgäste mit Rollos oder Vorhängen.<br />

Einige der Beiwagen rüsteten die Magdeburger<br />

Verkehrsbetriebe ab 1964 noch<br />

für schaffnerlosen Zahlboxbetrieb um.<br />

Dazu war nicht nur die Befestigung der<br />

Boxen an speziellen Halterungen („Haarnadeln“<br />

genannt), sondern auch die Ausstattung<br />

jeder Einstiegstür mit einer Türraumbeleuchtung<br />

sowie akustischer und<br />

optischer Abfahrtssignalgebung erforderlich.<br />

Dafür war bei den Altbaufahrzeugen<br />

wiederum der Einbau einer 24-Volt-Kleinspannungsanlage<br />

Voraussetzung, in die<br />

dann auch die Außenbeleuchtung der<br />

Fahrzeuge einbezogen wurde. Die Aus-<br />

sonderung der Beiwagen-Baureihe erfolgte<br />

zwischen 1967 und 1971.<br />

Von einer Zerlegung nach heutigen<br />

Maßstäben konnte dabei nicht die Rede<br />

sein, denn Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe<br />

zündeten die hölzernen Wagenkästen mittels<br />

Brandbeschleuniger zunächst erst einmal<br />

an.<br />

Erst angezündet, dann Rest zerlegt<br />

Das übriggebliebene Fahrgestell zerlegten<br />

sie anschließend und führten die Metallteile<br />

dem Sekundärrohstoffkreislauf zu. Die<br />

von Anwohnern des Depots in Westerhüsen<br />

beklagte starke Qualmentwicklung führte<br />

später dazu, dass die Zerlegung von Altfahrzeugen<br />

auf „kaltem Wege“ erfolgte.<br />

Die Triebwagen erlebten zwar noch den<br />

schaffnerlosen „Z-Wagen“-Betrieb, aber<br />

nicht mehr den Zahlboxbetrieb. Einen Z-<br />

Wagen durften nur Inhaber von Zeitkarten,<br />

also Wochen- oder Monatskarten, die dem<br />

Fahrer vorzuzeigen waren, benutzen. Einige<br />

Triebwagen erhielten eine Gnadenfrist als<br />

Arbeitsfahrzeuge, doch zwischen 1966 und<br />

1972 sonderten die Verkehrsbetriebe fast<br />

alle Wagen aus.<br />

Jubiläum 1977 rettendes Ereignis<br />

Lediglich einem Triebwagen blieb die Verschrottung<br />

erspart – der heutige historische<br />

Tw 138 entging dem „Feuerende“ dank seiner<br />

Verwendung als Fahrschulwagen. Bereits<br />

1934 ließen ihn die Verkehrsbetriebe<br />

zum „Teufelswagen“ umbauen. Bis in die<br />

1970er-Jahre trieb er allen Fahrschülern<br />

und Fahrschülerinnen den Schweiß auf die<br />

Stirn, denn der Fahrlehrer konnte dank besonderer<br />

technischer Einrichtungen Betriebsstörungen<br />

s<strong>im</strong>ulieren.<br />

Heute gilt der aus dem Tw 138 und dem<br />

Bw 300 gebildete Zug als Flaggschiff der<br />

Die Innenausstattung von Tw 128 und Bw 300 ist heute liebevoll restauriert und beeindruckt<br />

die Fahrgäste <strong>im</strong>mer wieder aufs Neue, hier am 2. Juni 2012<br />

Der Außenanstrich der ersten Wagen<br />

Gemäß des „Protokoll über die Besprechung betr.<br />

Einrichtung der Motor- und Anhängewagen am<br />

18. Oktober 1898“ legten das Direktorium und<br />

die Betriebsleitung der Magdeburger Straßenbahn<br />

an diesem Tag unter anderem fest:<br />

„Bezl. der Ausführung nehmen wir Bezug auf<br />

die der Hamburger-Strassenbahn-Gesellschaft<br />

bekanntgegebenen Bedingungen. Bezl. des letzten<br />

Anstriches wird festgesetzt, dass die Seitenflächen<br />

unterhalb der Schutzleiste in postgelb, alle<br />

übrigen Teile … waggongrün zu halten und gelb<br />

abzusetzen (sind). Betr. der Details und der Ausführung<br />

sollen Proben schnellstens eingereicht<br />

werden. Auf den gelben Teil der Seiten flächen soll<br />

die Firma und zwar „Magdeburger Strassen-Eisenbahn“<br />

gesetzt werden. Über die Art und Grösse der<br />

Schrift werden Proben vorgelegt werden. Die<br />

Dachflächen sind, nicht wie in den Bedingungen<br />

angegeben, weiss, sondern hellgrau zu streichen.<br />

Über den Ton der Farbe wird Probe vorgelegt werden.<br />

Die Stirnwände sind in der ganzen Ausdehnung<br />

waggongrün zu halten, die Fugenleisten sind<br />

gelb abzusetzen. Ferner sind an den Stirnwänden<br />

Schilder anzubringen, die einen Hinweis darauf<br />

enthalten, dass das Publikum den Anordnungen<br />

des Dienst-Personals Folge zu leisten hat.“<br />

Das hier zitierte Protokoll aus dem Jahr 1898 fand<br />

sich in diesem Jahr <strong>im</strong> Nachlass des ehemaligen<br />

MSEG-Direktors Carl Heßler an.<br />

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<strong>STRASSENBAHN</strong> <strong>MAGAZIN</strong> 10 | 2014

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